Hubble-Konstante: Diskrepanz weiter untermauert, neue Physik nötig

Immer mehr Messungen kommen zu anderen Werten für eine fundamentale Konstante, als die Theorien postulieren. Eine Überarbeitung der Theorien ist wohl nötig.

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Hubble-Konstante:  Diskrepanz untermauert, neue Physik nötig

Künstlerische Darstellung eines astronomischen Masers.

(Bild: Sophia Dagnello, NRAO/AUI/NSF)

Lesezeit: 3 Min.

Weitere kosmische Distanzmessungen haben bestätigt, dass sich das Universum wohl wirklich schneller ausbreitet, als es sich aus Analysen des ESA-Weltraumteleskops Planck und den Theorien ergibt. Die Diskrepanz zur sogenannten Hubble-Konstante bleibt damit bestehen und eine grundlegende Überarbeitung fundamentaler Modelle unseres Universums scheint immer nötiger, berichtet nun das National Radio Astronomy Observatory (NRAO) der USA. Schon vergangenes Jahr hatten Astronomen auf Basis einer anderen Messung eine um etwa 9 Prozent schnellere Ausbreitung des Universums ermittelt als erwartet.

Die Hubble-Konstante gibt an, mit welcher Geschwindigkeit das Universum gegenwärtig expandiert. Erstmals ermittelt wurde sie von dem US-Astronomen Edwin Hubble, der den Zusammenhang zwischen der Entfernung von Galaxien und ihrer Rotverschiebung – also ihrer Fluchtgeschwindigkeit – erkannte. Inzwischen zählt die Konstante zu den fundamentalen Größen zum Verständnis unseres Universums, gleichzeitig ist ihr genauer Wert seit einer Weile unklarer als lange angenommen. Statt für eine Annäherung zu sorgen, vertiefen immer neue Messungen nur die Unterschiede.

Die aktuelle Messung stammt vom Megamaser Cosmology Project, in dem eine Gruppe von Astronomen mit auf der ganzen Welt verteilten Teleskopen Galaxien mit ganz speziellen Eigenschaften für besonders genaue Distanzmessungen nutzte. Denn während es relativ einfach sei, die Geschwindigkeit ferner Galaxien zu messen, sei es deutlich schwieriger, ihre genaue Distanz zu ermitteln, erklären sie. Für ihre Arbeit analysierten sie "astronomische Maser", helle Quellen von Radiostrahlung mit genauen geometrischen Eigenschaften. Finden die sich an der richtigen Stelle um ferne Schwarze Löcher in Zentren von Galaxien, lasse sich deren Ausdehnung ermitteln, was eine geometrische Ermittlung ihrer Distanz ermögliche.

Insgesamt vier Galaxien in Entfernungen zwischen 168 Millionen und 431 Millionen Lichtjahren haben sie so analysiert. Zusammen mit früheren Daten konnten sie demnach aus der Kombination mit der Geschwindigkeit der Galaxien einen Wert von 73,9 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec für die Hubble-Konstante ermitteln. Das liegt sehr nahe an anderen gemessenen Werten und vergleichsweise weit von jenen rund 67 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec entfernt, die mithilfe des Weltraumteleskops Planck ermittelt worden waren. "Alles deutet darauf hin, dass das Standardmodell überarbeitet werden muss", erklärt James Braatz vom Megamaser Cosmology Project.

Ihre Arbeit haben die Astronomen in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht. Schon im Januar hatte ein anderes Astronomen-Team um Sherry Suyu vom Max-Planck-Institut für Astrophysik eine Studie vorgestellt, derzufolge mit einer weiteren Technik ein Wert von 73 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec (bei 2,4 Prozent Unsicherheit) ermittelt wurde. Die Analyse von Forschern um Adam Riess vom Space Telescope Science Institute (STScI) hatte vergangenes Jahr ihre Studie mit einem Wert von 74,03 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec (bei 1,9 Prozent Unsicherheit) vorgestellt. Alles sehr eng beieinander und ziemlich weit weg von dem Planck-Wert.

Astronomen haben nun aber eine Reihe von Möglichkeiten, das Standardmodell so anzupassen, dass die Diskrepanz aufgelöst wird, erklärt das NRAO. Unter anderem könnten Annahmen zur Dunklen Energie geändert werden, auch wenn man sich dabei von Vorhersagen Albert Einsteins entfernen würde. Aber auch fundamentale Annahmen zur Teilchenphysik könnten sich als ungenau herausstellen, ganz abgesehen von viel exotischeren Möglichkeiten zur Auflösung des Unterschieds, wie es die Astronomen ausdrücken.

(mho)