Umwelt: Schluss mit Downcycling

Auf der Suche nach Wegen, Plastik im System zu halten, ist chemisches Recycling wieder im Rennen – mit neuen Konzepten und Technologien.

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Umwelt: Schluss mit Downcycling

Der Pyrolysereaktor des KIT erhitzt Kunststoffabfall, um Rohstoffe zurückzugewinnen.

(Bild: KIT)

Lesezeit: 3 Min.
TR 7/2020

Die Welt hat ein Plastikproblem, weil Plastik zum einen praktisch ist und zum anderen neue Wege gefunden werden müssen, mit dem Plastik umzugehen – es immer wieder neu zu verwenden, es in seine Einzelteile zu zerlegen und wieder neu zusammenzusetzen. Genau daran forschen diverse Einrichtungen, darunter das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Fraunhofer-Institute, Start-ups und Chemieriesen wie BASF und Lyondell Basell.

Denn der Gesetzgeber macht Druck: Seit Januar 2018 steht die europäische Strategie für Kunststoffe in einer Kreislauf-Wirtschaft, 2021 greift das europaweite Verbot von Plastik-Einwegartikeln, und ein Jahr später müssen die Recyclingquoten in Deutschland auf 63 Prozent steigen. Hinzu kommt gesellschaftlicher Druck. Die bunte Plastikwelt ist mächtig in Bewegung geraten. Und mit dem neuen industriellen Bewusstsein für Recycling taucht eine alte Technologie aus der Versenkung auf: chemisches Recycling.

Bisher werden Plastikabfälle zwar gesammelt, nach Kunststoffarten sortiert, gereinigt und wieder zu Recycling-Granulaten verarbeitet. Aber die Grenzen dieses werkstofflichen Recyclings werden schnell deutlich: Diese Granulate haben eine geringere Qualität, und irgendwann ist das Material so minderwertig, dass es als die berühmte Parkbank endet – und schließlich verbrannt wird. Damit verlängert sich die Zeit des Kohlenstoffs im Plastikkreislauf zwar um einige Jahre, aber früher oder später endet es doch als CO2. Zudem eignen sich nur Verpackungen wirklich gut für das werkstoffliche Recycling.

Am Ende der Verwertungs-Hierarchie sammelt sich der ganze Dreck, der bisher nur noch verbrannt oder deponiert werden konnte: Die Sortierreste aus den Verpackungsströmen, carbon- oder glasfaserverstärkte Kunststoffe, Elektronikschrott und Autoschredder-Leichtfraktionen. Soll das nicht verbrannt werden, bleibt nur die Pyrolyse. Dabei werden die Kunststoffe je nach Verfahren bei etwa 300 bis 650 Grad Celsius unter Luftabschluss erhitzt. Dabei entsteht ein Pyrolyseöl, das wieder als Rohstoff für die Chemieindustrie eingesetzt werden kann.

Chemisches Recycling (hellblauer Bereich) führt den Kunststoffmüll weiter zurück an den Anfang der Produktionskette als das werkstoffliche Recycling.

Trotzdem steht das Pyrolyseverfahren in der Kritik. Unter anderem der Naturschutzbund NABU beklagt, dass bei den hohen Prozesstemperaturen viel Energie eingesetzt werden muss, deutlich mehr als etwa im Vergleich zum mechanischen Recycling. Auch das Umweltbundesamt hat Bedenken: Bislang stellt es sämtliche Verfahren des chemischen Recyclings mit dem Verbrennen des Kunststoffs auf eine Stufe.

Allerdings können über die Energiebilanz des chemischen Recyclings bislang noch keine belastbaren Aussagen getroffen werden. Die Zahlen zum Energieaufwand seien rar, "weil die Anlagen nicht groß genug sind oder nicht stabil laufen und die Prozesse bisher nicht bilanziert werden konnten", sagt Hans Leibold, Leiter der Abteilung Brennstoffaufbereitung und Gasbehandlung am KIT. Hinzu kommt, dass "Pyrolyse nicht gleich Pyrolyse ist". Selbst großtechnische Ansätze von BASF oder Lyondell Basell unterscheiden sich grundsätzlich. "Vereinfacht können wir inzwischen sagen, dass wir grob zwischen 60 und 80 Prozent des Kohlenstoffs wiedergewinnen können und der Gesamtaufwand an Energie als Daumenwert bei 20 Prozent oder weniger des Ausgangsmaterials liegt." Im Kleinen funktionieren neue Verfahren bereits gut und in fünf Jahren sei auch der großtechnische Einsatz plausibel, meint Leibold.

Mehr über chemisches Recycling erfahren Sie in der neuen Juli-Ausgabe von Technology Review (im heise shop bestellbar und im gut sortierten Zeitschriftenhandel erhältlich).

(jle)