Streik der Angestellten: Libanons Mobilfunknetze vor dem Zusammenbruch

Der gebeutelte Libanon könnte plötzlich ohne Mobilfunk dastehen. Diesel ist rar und die seit Monaten unbezahlten Mitarbeiter haben die Arbeit niedergelegt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 31 Kommentare lesen
Turm mit Antennen

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Dem Libanon droht der Ausfall beider Mobilfunknetze. Deren Mitarbeiter sind mindestens seit Mai nicht mehr bezahlt worden. Am Donnerstag ist ein Ultimatum der Belegschaft abgelaufen, die nun streikt. Ohne Wartungsarbeiten werden die beiden Mobilfunknetze Alfa und Touch über kurz oder lang zusammenbrechen. So werden viele Sendestationen mit Dieselgeneratoren betrieben, deren Tanks sich nicht von selbst füllen. Dieselmangel hat bereits Anfang Juni Teile eines Netzes ausfallen lassen.

Gegenwärtig laufen die Netze noch, hat ein Kontakt vor Ort heise online bestätigt. Angesichts einer immensen Inflation gäbe es im Libanon aber praktisch keine US-Dollar mehr, weil die alle nach Syrien geschmuggelt würden, wo sie noch wertvoller sind. Ohne Dollar können weder Diesel noch Benzin, Medikamente oder Nahrungsmittel importiert werden. Weil es keine 24-Stunden-Stromversorgung gibt, benötigen selbst Privathaushalte Diesel für Generatoren.

Neue Dollar kommen kaum, zumal die Coronavirus-Pandemie den Tourismus zum Erliegen gebracht hat. Sparkonten in US-Dollar waren im Libanon schon lange verbreitet. Seit Oktober können die Sparer aber nur noch geringe Beträge abheben, die auch nur in libanesischen Pfund ausbezahlt werden – zu einem Bruchteil des wahren Wechselkurses. Das bremst die Wirtschaft zusätzlich. 30 Prozent der Betriebe sind bereits geschlossen. Besonders plakativ: Die Reklametafeln entlang der Autobahn sind leer. Laut Medienberichten geben selbst Supermärkte Waren nur noch in Geringstmengen ab. Eine Stunde später könnten sie ja mehr einbringen.

Mobilfunk hingegen war bislang profitabel und eine Einnahmequelle des Staates, dem sowohl Touch als auch Alfa gehören. Die beiden Netze versorgen zusammengenommen mehr als vier Millionen Anschlüsse. Seit jeher hat die Regierung das Management je einem bestbietenden ausländischen Konzern überlassen, und die Verträge alle paar Jahre neu ausgeschrieben. Doch zum 1. Juni hat die Regierung selbst die Verwaltung übernommen. Da der Staat nicht mehr kreditwürdig ist, kann er weder Gehälter noch Rechnungen bezahlen.

Libanon: Hunger, Armut und keine Arbeit
Gebäude mit rotweißrpten Sonnenschutzvorhängen

(Bild: Michal Gadek, Unsplash)

"Zu den Problem, die sich angehäuft haben, gehört eine Finanz- und Bankenkrise, die den Staat in eine Schuldenkrise gebracht hat, deren Schwere mit den Zeiten des Bürgerkriegs (1975 bis 1990) verglichen wird", berichtete Telepolis bereits im April.

Durch den Streik versiegen nun auch die Einnahmen: Niemand kann derzeit Mobilfunk-Guthaben aufladen. Selbst Kunden mit Rechnungslegung können nicht zahlen, weil die Läden der Netzbetreiber geschlossen sind. Da das Festnetz nur untergeordnete Bedeutung hat, würde ein Ausfall des Mobilfunks weite Teile der Wirtschaft und des Soziallebens extrem hart treffen.

Der Libanon ist nur halb so groß wie Sachsen-Anhalt, hat aber an die sieben Millionen Einwohner. Davon sind etwa eineinhalb Millionen Menschen aus Syrien geflüchtet und zirka 220.000 aus anderen Staaten. Pro Kopf gerechnet hat der Libanon die mit Abstand meisten Flüchtlinge weltweit aufgenommen. Die internationale Unterstützung nimmt sich bescheiden aus. Von 2011 bis 2017 durften nur etwa 50.000 in den Libanon geflüchtete Syrer in andere Länder umsiedeln.

(ds)