Studie: Aufklärungskampagnen können gegen "Fake News" helfen

Nutzer, die Hinweise von Facebook zu Falschmeldungen gelesen haben, gehen insgesamt kritischer mit Nachrichten um, haben Forscher anhand von Tests ermittelt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 89 Kommentare lesen
Studie: Aufklärungskampagnen können gegen "Fake News" helfen

(Bild: sdecoret/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Initiativen für eine höhere Medienkompetenz können zusammen mit Faktenchecks dazu führen, dass Nutzer besser zwischen Artikelüberschriften anerkannter Qualitätsmedien und Organen unterscheiden lernen, die häufig Desinformationen verbreiten. Das geht aus einer Studie des Wissenschaftlerteams um den US-Social-Media-Forscher Andrew Guess hervor, veröffentlicht im Fachjournal PNAS der Nationalen Academy of Sciences der USA

Die Autoren haben für die Analyse drei Gruppen von Probanden untersucht: eine aus den USA, die sie nur online befragten, und zwei aus Indien. Mitglieder einer dieser Einheiten interviewten die Experten im persönlichen Gespräch, die andere Einheit übers Internet. Die Probanden sollten sich vor den Tests Facebooks landesspezifische Tipps durchlesen, um Falschnachrichten zu erkennen. Diese Hinweisaktion des sozialen Netzwerks werteten die Wissenschaftler als bislang "vermutlich größte Kampagne für mehr Medienkompetenz" weltweit.

Danach sollten die Testpersonen einschätzen, für wie korrekt sie Überschriften anerkannter Medien und die von Artikeln halten, die mindestens eine Fact-Checking-Organisation bereits als falsch deklariert hatte. Dabei kam heraus: Die meisten Nutzer glaubten nach dem Verinnerlichen der Facebook-Tipps falschen Überschriften nicht mehr im selben Ausmaß wie zuvor. Einige trauten aber teils auch Titeln der traditionellen Medien etwas weniger.

Die Fähigkeit, Nachrichten traditioneller Medien und nicht vertrauenswürdiger Quellen zu unterscheiden, erhöhte sich insgesamt bei den meisten Probanden. Dabei gibt es aber deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. So stieg die Quote derjenigen, die Falschmeldungen schon am Aufmacher durchschauten, in den USA durchschnittlich um 26 Prozent. In Indien lag die Vergleichszahl im Online-Test bei einem Plus von 17 Prozent, bei der Gruppe mit den persönlich Interviewten waren solche Verbesserungen aber gar nicht signifikant.

Online-Aufklärungskampagnen wie die von Facebook könnten mit vergleichsweise wenig Aufwand eine große Reichweite entfalten und die Medienkompetenz der Nutzer prinzipiell stärken, folgert das Team. Die Effekte in der aktuellen Studie hätten sich aber als recht gering entpuppt. Außerdem nahm die Wirkung der Hinweise mit der Zeit ab. Im alltäglichen Klickbetrieb dürften zudem nicht alle Menschen, denen die Tipps zugespielt werden, diese auch vollständig lesen.

"Größte Relevanz" misst Josephine Schmitt, Forschungsreferentin am Center for Advanced Internet Studies in Bochum, trotzdem dem Papier bei. Es gebe viele Bemühungen, Online-Desinformationen entgegenzuwirken. Die Wirksamkeit dieser Ansätze sei im Gegensatz zu der neuen Untersuchung jedoch meist nicht überprüfbar. Das experimentelle Design eigne sich grundsätzlich gut, um mögliche Lerneffekte zu überprüfen, urteilt Schmitt. Die Ergebnisse seien jedoch mit Vorsicht zu genießen, da die angeführten Eigenheiten "die Gefahr falsch-positiver Ergebnisse bergen" und es sich um kurzzeitige Effekte handle.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Umfrage (Opinary GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Opinary GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Offen bleibt laut Schmitt die Frage, inwiefern solche Tipps im Netz durch Nutzer überhaupt wahrgenommen werden. Nicht klar werde auch, wie sich die zum Lesen der Hinweise "gezwungene" Interventions- von der Kontrollgruppe unterschieden habe. Die Abweichungen zwischen den Online- und Offline-Probanden kann sich Schmitt etwa damit erklären, dass letztere im Schnitt eventuell weniger gut ausgebildet und geringe Erfahrungen mit digitalen Nachrichtenangeboten hatten. Größere Wirkungen ließen sich gegebenenfalls durch Maßnahmen erzielen, "die interaktiv und weniger textbasiert sind". Schließlich böten auch "Fake News" oft "eine leicht verständliche Geschichte".

Prinzipiell skeptisch sieht Schmitt Initiativen von Fakten-Checkern, Desinformation zu widerlegen oder zu entkräften. Diese drängen oft "nicht in die relevanten Echokammern vor", in denen "Fake News" entstehen und sich verbreiten. Das könnte sogar bewirken, "dass Menschen erst recht an ihren Überzeugungen festhalten".

Die Münchner Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Riesmeyer sieht durch die Arbeit ebenfalls "den Forschungsstand bereichert". Die Befunde zeigten, dass die – von den Autoren allerdings nicht näher definierte – digitale Medienkompetenz bei der kritischen Reflexion wahrgenommener Botschaften von Nachrichten helfen könne und damit "eine zentrale Grundlage einer bewussten Mediennutzung" sei.

(olb)