Rettet der staatliche "Wumms" die Wirtschaft aus der tiefen Krise?

Die Corona-Krise zwingt die deutsche Wirtschaft in die Knie. Nach einem herben Absturz erwarten die "Wirtschaftsweisen" 2021 die Rückkehr des Wachstums.

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Rettet der staatliche "Wumms" die Wirtschaft aus der tiefen Krise?

(Bild: nuruddean / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Jörn Bender
  • dpa

Die Corona-Einbußen für die Wirtschaft sind gewaltig – die Hilfspakete auch. Doch retten die Steuermilliarden Europas größte Volkswirtschaft aus der tiefsten Rezession der deutschen Nachkriegsgeschichte? "Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen", hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Anfang Juni nach der Einigung der Koalition auf ein milliardenschweres Konjunkturpaket verkündet. Die Wirtschaftsweisen drücken es in ihrer aktuellen Konjunkturprognose etwas nüchterner aus: Nach ihrer Einschätzung "dürften sich die Stützungsmaßnahmen und beschlossenen wirtschaftspolitischen Konjunkturimpulse positiv auswirken".

Allerdings sei das Gremium "vorsichtig, was den 'Wumms' angeht", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Lars P. Feld, über das Konjunkturpaket der Bundesregierung. So könnte zwar der Konsum durch die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer angeregt werden – womöglich ziehen Verbraucher aber Anschaffungen nur auf dieses Jahr vor und kaufen dann 2021 weniger ein.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier versicherte: "Wir tun alles, damit es ab dem letzten Quartal 2020 eine Trendumkehr geben wird." Mit dem "größten Konjunkturprogramm in der Geschichte Deutschlands" schaffe der Bund die Voraussetzungen für einen raschen und nachhaltigen Aufschwung, sagte der CDU-Politiker.

Schätzungen verschiedener Institutionen, etwa der Bundesbank, kommen zu dem Ergebnis, dass der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2020 wegen der milliardenschweren Hilfen um etwa einen Prozentpunkt geringer ausfallen dürfte. Auch 2021 erwarten Volkswirte positive Impulse des 130-Milliarden-Euro-Pakets.

Dennoch: Der Absturz der Wirtschaft hat historische Ausmaße. "Die Corona-Pandemie wird voraussichtlich den stärksten Einbruch der deutschen Wirtschaft seit Bestehen der Bundesrepublik verursachen", sagte Feld. Der Sachverständigenrat rechnet nun mit einem Minus der Wirtschaftsleistung von 6,5 Prozent im laufenden Jahr.

Die düstere Prognose reiht sich ein in die Vorhersagen anderer Ökonomen, Institute und Verbände. Die Bundesregierung erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt 2020 um 6,3 Prozent schrumpfen wird, die Bundesbank rechnet mit einem Rückgang um 7,1 Prozent und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ging Mitte Mai gar von einem Minus von "mindestens zehn Prozent" aus. Zum Vergleich: In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 war das deutsche BIP um 5,7 Prozent zurückgegangen.

Die gute Nachricht: Schon in der zweiten Jahreshälfte 2020 könnten Betriebe wieder Fuß fassen und der Konsum - auch dank der Mehrwertsteuersenkung - anspringen. "Wir erwarten, dass (...) ab dem Sommer eine Erholung einsetzt", sagte Feld.

Auch das Berliner DIW zeigte sich kürzlich überzeugt: "Das jüngst beschlossene Konjunkturpaket der Bundesregierung stützt die Konjunktur spürbar." Union und SPD haben sich verständigt, für ein halbes Jahr den Mehrwertsteuersatz zu senken: ab 1. Juli von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent. Zudem gibt es eine höhere Kaufprämie für Elektroautos und Finanzspritzen für Familien.

Das Paket gehe "in die richtige Richtung", konstatierte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. Dennoch werde es lange dauern, bis die deutsche Wirtschaft die Verluste infolge der Corona-Krise ausgeglichen haben werde. "Wir können nur hoffen, dass sich die Absatzmärkte für Produkte 'Made in Germany' schnell erholen", sagte Michelsen. "Danach sieht es aber augenblicklich nicht aus. Deutschland muss sich auf eine längere Durststrecke einstellen."

Auch was die Wirkung von Konjunkturpaketen angeht, gibt es bei einigen Beobachtern Zweifel. Die aktuelle Wirtschaftskrise sei kein Nachfrageschock, sondern in erster Linie ein Angebotsschock, erklären Volkswirte der Deutschen Bank in einer Mitte Mai in englischer Sprache veröffentlichten Aufsatzsammlung. Einfacher ausgedrückt: "Die Verbraucher blieben den Geschäften und Restaurants nicht deshalb fern, weil sie sich Sorgen über ihre wirtschaftliche Zukunft machten, sondern weil es ihnen von den Regierungen befohlen wurde." Urlaube wurden gestrichen, weil die Grenzen zeitweise dicht waren.

Angesichts dieser Zusammenhänge, so die Deutsche-Bank-Analyse, könne man lernen, "dass massive Konjunkturprogramme nicht die richtige Antwort" seien: Die Regierung verteile Geld, aber man könne es nirgends ausgeben. "Die Versuche der Regierungen, die Haushaltseinkommen zu stabilisieren [...) sind gut gemeint. Im Ergebnis jagt man mit mehr Geld nach erheblich weniger Waren und Dienstleistungen. Die Folge davon ist Inflation."

Der Sachverständigenrat weist in seiner Prognose darauf hin, die konjunkturelle Wirkung der von der Regierung als "Herzstück" des Konjunkturpakets bezeichneten Mehrwertsteuersenkung hänge zu einem großen Teil davon ab, in welchem Ausmaß die Steuersenkung an die Verbraucher weitergegeben wird und so deren Realeinkommen steigert.

"Man kann schon damit rechnen, dass die Mehrwertsteuersenkung nicht voll den Verbrauchern zugutekommt", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest kürzlich in einem Interview im Bayerischen Rundfunk (B5). Insgesamt seien die Maßnahmen der Bundesregierung richtig, aber man dürfe nicht zu viel davon erwarten, sagte Fuest: "Hier wird viel für die Konjunktur getan. Trotzdem müssen wir sehen, dass diese Krise noch lange nicht vorbei ist und dass das, was die Regierung machen kann, begrenzt ist."

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