Gesundheit: Stecken Viren hinter psychischen Störungen?

Seit Langem suchen Forscher nach den genauen Ursachen psychischer Störungen. Nun zeigen genetische Studien, dass die verschiedenen Leiden viel gemeinsam haben.

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Stecken Viren hinter psychischen Störungen?

(Bild: Allesalltag)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Christian Wolf
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Depressionen, Schizophrenie, zwanghaftes Verhalten, Psychosen, Autismus – die Krankheiten, die unsere Seele befallen können, sind vielfältig. Seit Langem diskutieren Forscher darüber, wie hoch der genetische Anteil ist. Nun unternahm ein internationales Konsortium eine der bislang größten Anstrengungen, um die Rolle des Erbguts zu klären: Forscher wie der Psychiater Jordan Smoller von der Harvard Medical School bündelten rund um den Globus ihre Kräfte und scannten das Genom von mehr als 720.000 Menschen. 490.000 von ihnen waren gesunde Kontrollprobanden, dazu kamen mehr als 230.000 Menschen, die unter mindestens einer von acht psychischen Erkrankungen wie ADHS, der Autismus-Spektrum-Störung oder Depressionen litten.

Das Ergebnis: Wie erwartet existiert kein einzelnes Depressions- oder Schizophrenie-Gen. Einzelne Genvarianten leisten jeweils winzige Beiträge dazu, das Risiko einer seelischen Störung in die Höhe zu treiben. Die Forscher fanden insgesamt 109 sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP), die mit mehreren psychiatrischen Erkrankungen in Zusammenhang stehen. Besonders auffällig war eine Region auf dem Gen DCC, das für die Entwicklung des Nervensystems wichtig ist: Ist die Region verändert, haben Betroffene ein erhöhtes Risiko für alle acht untersuchten Erkrankungen. Offenbar haben die einzelnen Erkrankungen genetisch mehr miteinander gemeinsam, als die psychiatrischen Diagnoseschubladen bisher nahelegen.

Aber eine wichtige Frage können die Wissenschaftler nach wie vor nicht beantworten: Wie viel Anteil an der Krankheit geht auf das Konto der Gene und wie viel auf das Konto der Umwelt? Beispiel Schizophrenie: Alle mit Schizophrenie assoziierten Genvarianten zusammen erklären derzeit lediglich rund 20 Prozent der Unterschiede zwischen erkrankten und gesunden Probanden. Aber laut Zwillingsstudien beträgt die Erblichkeit bis zu 80 Prozent. Wo also verbergen sich die restlichen 60 Prozent?