Informatiker vermisst klare Konzepte für digitale Bildung

Mehr Endgeräte und Breitbandanschlüsse sind nicht alles, sagt der Leiter des Fraunhofer-Instituts IESE in Kaiserslautern, Peter Liggesmeyer. Konzepte fehlen.

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Informatiker vermisst klare Konzepte für digitale Bildung

(Bild: Rido/Shutterstock.com)

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  • dpa
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Die Diskussion über digitale Bildung sollte nach Ansicht des Informatikers Peter Liggesmeyer den Fokus auf die Entwicklung sinnvoller Lehrkonzepte legen. "Allein mehr Endgeräte und Bandbreite reichen nicht aus", sagte der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern. "Für eine sinnvolle digitale Bildung fehlt noch ein stimmiges Konzept."

Allerdings sei das Bildungssystem in Deutschland wie ein Supertanker, der nur schwer auf einen neuen Kurs zu bringen sei, sagte der Professor am Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern. "Das ist ein dickes Brett, das wir da bohren." Und es sei viel einfacher, Endgeräte und Breitbandanschlüsse zu fördern als die Entwicklung digitaler Inhalte und Konzepte, fügte Liggesmeyer mit Blick auf den Digitalpakt des Bundes mit den Ländern hinzu.

Digitalisierung in der Bildung sei kein Selbstzweck, betonte der Wissenschaftler im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Dies gelte ja auch für andere Bereiche wie die Produktion. "Daher müssen wir in der Bildung intensiv darüber nachdenken, wie Digitalisierung gestaltet werden soll, damit sie auch einen Nutzen bringt." Als Beispiel nannte Liggesmeyer Blended-Learning-Konzepte, die analoge und digitale Instrumente miteinander verschränken. So könnte etwa im Biologie-Unterricht analog vermittelt werden, wie ein Herbarium angelegt wird. Digitale Mittel sollten dort hinzukommen, wo dies gut funktioniere.

Für eine enge Verbindung der Möglichkeiten plädiert auch eine Handreichung des Pädagogischen Landesinstituts Rheinland-Pfalz zum onlinegestützten Unterricht. "Versuchen Sie nicht, den Präsenzunterricht virtuell abzubilden", lautet eine zentrale Empfehlung. Schülerinnen und Schüler sollten nicht mit interaktivem Übungsmaterial erschlagen werden. "Zentral ist aber, dass die Schülerinnen und Schüler selbst etwas machen."

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Als Professor ist Liggesmeyer in diesem Semester ganz auf die digitale Lehre zurückgeworfen. "Wir nutzen dies, um Erfahrungen zu sammeln und zu bewerten, was gut und was weniger gut funktioniert hat." Für die akademische wie für die schulische Bildung erwarte er, "dass wir nicht wieder zu dem Status der Vor-Corona-Zeit zurückkehren werden, sondern dass wir eine Mischung aus klassischer und digitaler Lehre haben werden." So werde er die Vorlesungszeit mehr für Fallstudien, Fragen und Diskussionen nutzen, während Lehrinhalte auch digital oder im Video zur Verfügung gestellt werden können.

"Die Corona-Zeit bietet uns die große Chance, vorwärts zu gehen und eine seit vielen Jahren geführte Diskussion zu Ende zu führen, endlich Nägel mit Köpfen zu machen", sagte der Institutsleiter. Nötig seien zwei verschiedene Ansätze: "Zum einen sollten wir auf der Grundlage sinnvoller Lehrkonzepte gezielt die digitale Vermittlung von Lehr- und Lerninhalten verstärken. Zum anderen sollte die Bildung über Digitalthemen von Anfang an vorgesehen werden, wenn möglich ab dem Kindergarten."

Das Wissen über Digitales sollte zu einem ähnlichen Schulfach gemacht werden wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Als Kulturtechnik müsse der Umgang mit digitalen Inhalten von klein auf erlernt werden. "Das bedeutet nicht, dass alle Informatiker werden sollen. Es wird ja auch nicht jeder Schriftsteller, der schreiben kann."

Die vergangenen Monate hätten deutlich gemacht, dass ein Digitalisieren analoger Lerninhalte noch nicht zu überzeugenden Ergebnissen führe. "Ebenso haben wir auch engagierte Lehrer, die ein vernünftiges digitales Lernkonzept entwickelt haben", sagte er.

An der Entwicklung digitaler Lehrkonzepte sollten alle Beteiligten mitwirken, das könne schwer von oben herab verordnet werden, sagte Liggesmeyer. "Aber das müsste von oben anders als bisher unterstützt werden."

(kbe)