Viele Fragen (und wenige Antworten) zu Immunität bei COVID-19

Ein Impfstoff gegen das Coronavirus rückt näher, und große Hoffnungen ruhen darauf. Aber noch weiß niemand, wie gut und lange er gegen Infektionen schützt.

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Viele Fragen (und wenige Antworten) zu Immunität bei Covid-19

Tracking ist nur der erste Schritt.

(Bild: View Apart / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Neel V. Patel

Noch immer ist nicht richtig bekannt, wie Immunität gegen COVID-19 funktioniert. Dabei rückt ein Impfstoff näher, und viele Hoffnungen ruhen auf Herden-Immunität – also werden die bestehenden Unsicherheiten an Bedeutung gewinnen. Die folgenden Punkte gehören zu den wichtigsten Fragen, die noch geklärt werden müssen.

Um wie viel Immunität geht es? Wenn in der Bevölkerung von Immunität gesprochen wird, ist damit meist Schutz vor einer Krankheit gemeint. Bei vielen Infektionen gibt allerdings nicht nur "immun" oder "nicht immun", sondern ein Spektrum dazwischen. So erklärt Robert Garry, Virologe an der Tulane University: Impfstoffe gegen Grippe-Viren geben keinen absoluten Schutz gegen die Erkrankung, sie sollen nur eine starke Infektion mit potenziell schweren Folgen verhindern.

Bei COVID-19 ist mit Immunität meist gemeint, dass unser Immunsystem Antikörper dagegen produziert. Aber auch das führt in die Irre. Laut einer im Juni vorab veröffentlichten Studie, für die nach Antikörpern bei Patienten in London gesucht wurde, gab es bei 2 bis 8,5 Prozent der Betroffenen keinerlei messbare Antikörper-Produktion. Einige vor allem jüngere Personen hatten die Infektion offenbar eher mit zellulären Waffen des Immunsystems bekämpft: mit weißen Blutkörperchen und Zytokinen, die sich Erreger direkt vornehmen, statt über Antikörper zur Neutralisierung.

Wie lang hält Immunität nach einer Infektion mit COVID-19 an? Das lässt sich absolut noch nicht sagen. Verschiedentlich gab es schon Berichte von Patienten, die sich zweimal infizierten, aber die Gründe dafür sind unklar. Bei Infektionen mit anderen Coronaviren ist gut dokumentiert, dass sie nur eine temporäre Immunität auslösen, manchmal nur für ein paar Monate. Bei COVID-19 könnte es dasselbe Muster geben, was aber erst konkret erforscht werden muss.

Welche Faktoren haben Einfluss auf die Immunität? Sarah Fortune von der T.H. Chan School of Health an der Harvard University erklärt dazu: Bekannt ist, dass Immunität durch eine Infektionskrankheit mit der Ausmaß und Dauer der Immun-Reaktion während der Infektion zusammenhängt. Eine Infektion mit schweren Symptomen führt wahrscheinlich zu einer stärkeren Reaktion, was für eine bessere und länger anhaltende Immunität in der Zukunft spricht. Andersherum würden milde oder asymptomatische Verläufe weniger Antikörper bedeuten, wie in einer aktuellen Studie unter COVID-19-Patienten festgestellt wurde.

Darin untersuchten die Forscher eine kleine Gruppe von mit COVID-19 infizierten Patienten ohne Symptome, und es zeigte sich, dass sie offenbar weniger Antikörper ausbildeten. Das könnte oberflächlich gesehen bedeuten, dass diese Personen auch weniger immun gegen das Virus werden. Aber Fortune verweist darauf, dass es für solche Schlussfolgerungen noch zu früh ist: Ein neuer Aufsatz in Nature spricht dafür, dass auch weniger Antikörper die Erkrankung verhindern können.

Noch ist nicht sicher, inwiefern sich asymptomatische und symptomatische Fälle mit Blick auf die Immunität unterscheiden, denn Fälle ohne Symptome werden nicht aktiv getestet und identifiziert. Ebenso gibt es keine allgemeine Definition dafür, was als asymptomatisch betrachtet wird – das völlige Fehlen von Symptomen oder nur von schweren zum Beispiel?

"Wenn eine Entzündung zu einer Immun-Reaktionen führt, ist diese besser erkennbar und potenziell robuster", berichtet Charles Cairns vom Drexel University College of Medicine über weitere Forschung zu dem Thema. Insgesamt nehmen also die Belege dafür zu, dass eine zellvermittelte Immun-Antwort auf das neuartige Coronavirus eine wichtige Rolle spielen könnte.

Was bedeutet das für die Impfstoff-Entwicklung? Auch wenn es ermüdend klingt: Das ist noch nicht bekannt. Wie erwähnt ist noch nicht klar, welche Art von Immunität gegen COVID-19 eine Impfung erreichen kann – vollkommen oder nur gegen die schlimmsten Symptome. Laut der Harvard-Forscherin Fortune ist bei COVID-19 ein Komplett-Schutz wahrscheinlich, aber eben noch nicht sicher, und allein mit dem Antikörper-Niveau lasse sich diese Frage nicht klären. Wie viele Antikörper für Immunität erforderlich sind und welche Immun-Reaktion ein Impfstoff für echten Schutz auslösen muss, wird man erst genauer sagen können, wenn Daten aus Studien der Phase 3 vorliegen – hier wird direkt die Wirksamkeit eines Impfstoffs untersucht.

Wenn sich dann zeigt, dass eine frühere Infektion mit COVID-19 keine dauerhafte oder starke Immunität auslöst, würde sich für fast jeden eine Impfung empfehlen. Auch in klinischen Studien zu Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen müssten dann Personen einbezogen werden, die mit dem Virus schon einmal infiziert waren.

(sma)