OmniCard 2002: Flop der GeldKarte gibt der Branche Rätsel auf

Der Erfolg der elektronischen Geldbörse lässt weiter auf sich warten.

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Die GeldKarte bleibt auch weiter ein Problemkind der Chipkarten-Industrie. Auf dem am heutigen Freitag zu Ende gegangenen Branchentreff OmniCard löste die ernüchternde Geschichte der "elektronischen Geldbörse" jedenfalls lange Gesichter und heftige Diskussionen aus.
Fünf Jahre nach ihrem ersten Marktauftritt ist die als Münzgeldersatz gedachte Chip-Applikation zwar in den Brieftaschen der Mehrheit der deutschen Verbraucher gelandet. 55 bis 60 Millionen wiederaufladbare GeldKarten waren im Herbst 2001 im Umlauf, schätzen die Banken und Sparkassen. Doch "95 Prozent der Verbraucher", schimpft Helmut Schmid, Chef des Telekom-Ablegers TeleCash, wüssten nicht einmal, dass sie ihre Chip-besetzte ec-Karte mit Geldbeträgen aufladen könnten. Kein Wunder, dass die mit dem "Wunderchip" getätigten Transaktionen nach wie vor unter "ferner liefen" abgebucht werden.
Gerade im Handel ist die Geldkarte ein Flop. Der Anteil der Geldkarte bewege sich "im nicht messbaren Bereich" von weit weniger als 0,1 Prozent am Gesamtumsatz von 380 Milliarden Euro, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE), Stefan Schneider. "Es ist für den Verbraucher einfach kein echter Vorteil erkennbar", ergänzt Bettina Sunderdiek, Innovationsmanagerin der Kaufhof-Kette. Die GeldKarte habe sich noch nicht in das alltägliche Leben der Verbraucher eingefügt und es fehle angesichts zahlreicher Zahlungsalternativen der "sanfte Zwang" für ihren Einsatz. Nicht jeder wolle zudem "in Vorleistung" treten und größere Beträge auf ein Medium laden, dessen Sicherheitsfunktionen sich nicht sofort erschlössen.
Den schwarzen Peter für die fehlende Akzeptanz der GeldKarte schieben Branchenexperten in der Regel der Kreditwirtschaft zu, die ihr Produkt bislang mehr schlecht als recht vermarktet habe. Selbst auf der OmniCard stellte so mancher Teilnehmer erst während der Diskussionsrunde fest, dass seine ec-Karte mit einer Bezahlfunktion ausgestattet ist. "Es fehlte die ISDN-Manfred-Krug-Kampagne", witzelte daher Lutz Martiny, Präsident von Eurosmart in Brüssel. Schuld an der mangelnden Akzeptanz der GeldKarte hat laut Schmid aber auch das von der Industrie unterschätzte "Beharrungsvermögen" der Verbraucher, der Händler und der Automatenbetreiber. Gegen diesen "Markttrend" habe man das E-Portmonee nicht einfach "durchdrücken" können.
Terminalhersteller, Netzbetreiber und vor allem die Sparkassen hoffen daher nun auf den Siegeszug der GeldKarte im Automatengeschäft. Dort macht den Betreibern vor allem das Euro-Münzgeld aus dem Ausland zu schaffen, das häufig unterschiedlich schwer ist und selbst neue Automaten dadurch rasch überfordert. Einsetzen lässt sich der virtuelle Geldbeutel beispielsweise an 5000 Briefmarken-, 25.000 Zigaretten- und 26.000 Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn. Aufladen können die Verbraucher die Karten aber in der Regel nicht am Einkaufsort, sondern nur an den Geldautomaten. Dass sich die GeldKarten auch über Händlerterminals oder etwa an den prinzipiell darauf vorbereiteten Telefonsäulen aufladen lassen, verhindert die Kreditwirtschaft bislang aus Sicherheitsgründen.
Doch trotz des kommenden Automatengeschäfts sieht Hermann Eul, Leiter Sicherheitstechnik beim Chiphersteller Infineon die Gefahr am Horizont, "das Momentum zu verlieren". Denn mehrere große Bankhäuser wie die Commerzbank gingen inzwischen dazu über, aus Kostengründen die neuen ec-Karten ohne GeldKarten-Chips auszugeben. Das alte Henne-Ei-Problem, das der Kartenbranche auch im Bereich digitaler Signaturen oder anderen Projekten wie der neuen Generation der Versichertenkarte zu schaffen machte, dürfte sich damit erneut verschärfen und könnte so die Hoffnungen der Ausrüster zunichte machen. (Stefan Krempl) /