Zahlen, bitte! Bis zu 4.000.000 Alien-Welten nach der Drake-Gleichung

Die Drake-Gleichung dient zur Abschätzung der Anzahl außerirdischer Zivilisationen in der Milchstraße. Was die Berechnungen betrifft, gibt es aber einen Haken.

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Zahlen, bitte! Bis zu 4.000.000 Alien-Welten nach der Drake-Gleichung
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Inhaltsverzeichnis

Die Drake-Gleichung (auch Green-Bank-Formel oder SETI-Gleichung genannt) soll der Abschätzung dienen, wie viele extraterrestrische Zivilisationen intelligenter Lebewesen in unserer Galaxie existieren. Geschaffen wurde sie von dem US-amerikanischen Astrophysiker Frank Drake, der sie 1961 auf einer Konferenz in Green-Bank, West Virginia vorstellte.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Es waren nur zehn Teilnehmer, die sich in dem National Radio Astronomy Observatory (NRAO) versammelten, um im Rahmen von Projekt Ozma eine Tagung abzuhalten. Ozma, benannt nach der Prinzessin von Oz, startete ein Jahr vor der Green-Bank-Konferenz und war das erste Vorhaben im Rahmen von SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) mit dem Ziel, den Weltraum nach Signalen möglicher außerirdischer Zivilisationen zu erforschen. Diese Kleinkonferenz sollte zu dieser Forschung den theoretischen Unterbau schaffen.

Der am 28. Mai 1930 in Chicago geborene US-Astrophysiker und Erfinder der nach ihm benannten Gleichung: Frank Drake, hier im Jahr 2007

(Bild: CC BY-SA 4.0, Amalex5)

Keinem der Teilnehmer war bewusst, dass die Ergebnisse und die Diskussion so ein öffentliches Interesse nach sich ziehen sollten, sodass weder Erinnerungsfotos noch ein Protokoll angefertigt wurden. Die Presse schaute in den drei Tagen nur einmal vorbei, weil die Bekanntgabe der Verleihung des Nobelpreises für Chemie an Konferenz-Teilnehmer Melvin Calvin zufällig in die gleiche Zeit der Veranstaltung fiel.

Zahlen, bitte! - Die Drake-Gleichung

N = R * fp * ne * fl * fi * fc * L
N – Anzahl möglicher entwickelter und kommunikationsbereiter außerirdischer Zivilisationen in der Milchstraße
Gesamtzahl außerirdischer Zivilisationen, die bereit und technisch in der Lage dazu sind, interstellar zu kommunizieren.
=

R* – mittlere Sternenentstehungsrate pro Jahr in der Milchstraße
Die durchschnittliche Rate neu entstehender Sterne innerhalb unserer Galaxis.
fp
– Anteil an Sternen mit Planetensystem
Anteil von Sternensystemen, die ähnlich planetar wie unser Sonnensystem aufgebaut sind.
ne
– durchschnittliche Anzahl der Planeten (pro Stern) innerhalb der Ökosphäre
Anteil von Planeten, die sich in dem Abstand zur Sonne befinden, der flüssiges Wasser, als ein wichtiges Element für Leben, ermöglicht.
fl – Anteil an Planeten mit Leben
Anteil von Planeten, auf denen jede Form von Leben existiert.
fi
– Anteil an Planeten mit intelligentem Leben
Anteil von Planeten, auf denen intelligentes Leben herangebildet wird.
f
c – Anteil an Planeten, deren Zivilisation Interesse an interstellarer Kommunikation besitzt
Anteil von Planeten, deren intelligente Zivilisation willens ist, über ihr Heimatsystem hinaus zu kommunizieren.
L
– Lebensdauer einer technischen Zivilisation in Jahren
Die Zeitspanne, in der eine intelligente Zivilisation zu existieren vermag.

Als Drake die einzelnen Faktoren an der Tafel vorstellte und beschrieb, begann eine lebhafte Diskussion unter den anwesenden Forschern. Vor allem der L-Faktor, der die Lebensspanne einer intelligenten Spezies behandelt, wurde kontrovers diskutiert, da neben natürlichen Gründen wie Naturkatastrophen zum Beispiel durch Meteoriteneinschläge, eine Zivilisation sich auch durch Kriege untereinander zerstören konnte.

Insbesondere 1961, inmitten des Kalten Krieges zwischen den Westmächten und den Warschauer-Pakt-Staaten, dessen Höhepunkt mit der Kubakrise ein knappes Jahr später noch bevorstand, war ein existenzieller Krieg kein unrealistisches Szenario. Die Forscher fürchteten, dass die Militärs den letzten Faktor für die irdische Zivilisation genau bestimmen würden.

Am Ende berechneten sie anhand der Formel drei verschiedene Ergebnisse:

  • Eine konservative Modellrechnung: Eine Zivilisation in unserer Milchstraße.
  • Eine optimistischere Modellrechnung: 100 Zivilisationen in unserer Milchstraße, 5000 Lichtjahre mittlere Distanz zwischen zwei sendenden Zivilisationen.
  • Eine enthusiastische Modellrechnung: 4.000.000 Zivilisationen in unserer Milchstraße, 150 Lichtjahre mittlerer Abstand zweier sendender Zivilisationen.

Zwischen einer und vier Millionen Zivilisationen liegt natürlich eine große Spanne und die zeigt das Problem auf, die diese Gleichung aufwirft: Die einzelnen Faktoren sind praktisch nicht wissenschaftlich gesichert bestimmbar. Zwar ist in einzelnen Punkten, wie zum Beispiel über die Exoplanetenforschung eine etwas bessere Datenlage möglich, aber letztlich beruhen alle Zahlen auf Annahmen.

Die Drake-Gleichung, hier in einem Schaubild der NASA.

(Bild: NASA)

Und dementsprechend unterschiedlich sind die einzelnen Ergebnisse:
Der deutsche Physiker und ESA-Astronaut Ulrich Walter kommt in seinem Buch "Zivilisationen im All" über die Drake-Gleichung auf eine Spanne zwischen 0 und 100 Zivilisationen (die irdische dabei mal ausgenommen). Der bekannte Astronom und Buchautor Carl Sagan berechnete mit der Gleichung 15 Zivilisationen in unserer Galaxie.

Über verschiedene Computer-Modellrechnungen kam der britische Astrophysiker Duncan H. Forgan von der University of Edinburgh in seinem Werk A Numerical Testbed for Hypotheses of Extraterrestrial Life and Intelligence auf Werte zwischen 361,2 (mit Standardabweichung von 2) und 37965,97 (mit Standardabweichung von 20).

Laut jüngster Berechnung der Universität von Nottingham sollen neben der menschlichen Zivilisation noch 35 weitere in unserer Galaxis existieren. Hierbei wurde die Gleichung angepasst um die Faktoren der Gesamtzahl der Sterne in der Milchstraße und dabei den Anteil der Sonnen, die mindestens fünf Milliarden Jahre alt sind.

Allen gemeinsam sind diese Berechnungen, dass mit der Zeit die ein oder andere Größenordnung durch Beobachtungen ein wenig präzisiert werden konnten, aber die Werte der meisten Variablen frei erfunden bleiben. Nicht umsonst gehen alle Forscher mit dieser Frage vorsichtig um. Der erwähnte Ulrich Walter kommt gar zum Fazit, dass die Drake-Gleichung für Beantwortung der Frage nach der Existenz weiterer Zivilisationen "nach wie vor wertlos" sei.

Auch Drake selbst zeigte sich in einem Interview verwundert über die große Resonanz, die seine Gleichung in der Gesellschaft hervorrief: "Es überrascht mich immer wieder, dass diese Gleichung als eine der großen Ikonen der Wissenschaft betrachtet wird, da sie mir weder großartige intellektuelle Anstrengungen noch Einblicke abverlangt hatte."

Folgerichtig ist auch mit der Drake-Gleichung bis heute die Frage nach der Existenz weiterer Zivilisationen nicht bewiesen. Jüngste Veröffentlichungen des US-Militärs scheinen zwar Indizien zu liefern, allerdings sind auch diese nicht unumstritten. Die Vermutung eines Lesers, die plötzliche Freigiebigkeit des US-Militärs in Bezug auf angeblich extraterrestrische Phänomene könnte mit der Einrichtung der Space Force und deren Existenzberechtigung zusammenhängen, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Nur eines bleibt weiterhin so: Die Beantwortung der Frage, ob wir allein sind im Universum, steht in den Sternen! (mawi)