Zahlen, bitte! 3,5 Milliarden Einwohner – eine Datenbank aller Städte der Welt

Forscher haben eine Datenbank aller Städte der Welt erstellt. Die macht vergleichbar, was sonst nicht vergleichbar ist und zeigt ein spannendes Bild der Welt.

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Zahlen, bitte! 3,5 Milliarden Einwohner – Eine Datenbank aller Städte der Welt
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2015 lebten über 3,5 Milliarden (oder ganz genau 3.535.326.299) Menschen in Städten mit mindestens 50.000 Einwohnern, das waren 48 Prozent der gesamten Menschheit. Von diesen Städten gab es vor fünf Jahren 13.135, die mit Abstand meisten in Indien (3229), vor China (1844), Äthiopien (553) und Nigeria (480). Nur 40 Jahre zuvor hatten lediglich 1,8 Milliarden Menschen in Städten dieser Größe gelebt (43 Prozent). Die größten der Welt waren 2015 in dieser Reihenfolge Guangzhou (40,5 Millionen), Jakarta (36,3 Millionen), Tokio (33 Millionen), Delhi und Schanghai. Dortmund (besser, das Ruhrgebiet) folgt auf Platz 118 mit 3,4 Millionen Einwohnern als größte deutsche Stadt und spätestens hier dürfte klar werden, dass diese Zahlen etwas anders sind.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Sie stammen aus der Urban Centre Database, die im Auftrag der EU erstellt wurde und Basis für ein Projekt namens Atlas of the Human Planet 2018 war. Die Tabelle sei die "bis dato umfangreichste Datenbank zu Städten in aller Welt", schreiben die verantwortlichen Forscher. Grob gesagt haben sie die – Landfläche der – Erde in gleich große Quadrate mit einer Kantenlänge von einem Kilometer unterteilt. Mithilfe von Satelliten- und Zensusdaten haben sie für jedes Quadrat die Einwohnerzahl beziehungsweise die bebaute Fläche ermittelt. Aneinander grenzende Quadrate, die entweder zur Hälfte bebaut sind oder mindestens 1500 Einwohner haben, werden zusammengefasst und kommen so Areale mit insgesamt mindestens 50.000 Einwohnern zusammen, definieren sie den Verbund als "urbanes Zentrum" ("urban centre"), hier fortan "Stadt".

Ihre ausführlich dokumentierte Vorgehensweise hat den Vorteil, dass so vergleichbares Datenmaterial entsteht für etwas, das sonst einfach nicht global betrachtet werden kann. Denn nach lokalen Definition etwa in Deutschland ist sowohl Salzgitter mit gut 100.000 Einwohnern, die sich eigentlich auf mehrere Dörfer verteilen, als auch Berlin (3,7 Millionen) eine Stadt. International gibt es Fälle wie Chongqing in China, das auf einer Fläche der Größe Österreichs mehr als 30 Millionen Einwohner in Dörfern und Ballungszentren vereint. Mit ihrer Methodik ermöglichen die Forscher nun einen globalen Vergleich, der viel mehr Sinn ergibt. Nachteil ist natürlich, dass auf dieser Weise bei so gut wie keiner Stadt die offizielle Einwohnerzahl herauskommt, denn dünner besiedelte Vororte oder eingemeindete Dörfer im Umfeld fallen heraus und zu nahe Nachbarstädte werden schon einmal hinzuaddiert.

Lässt man sich aber auf die Methodik ein, bietet die immense Datenbank jede Menge spannender Einblicke, oder hätten sie gewusst, dass die fünf höchstgelegenen Millionenstädte allesamt in Lateinamerika liegen (La Paz, Quito, Toluca, Cochabamba und Bogota)? Dass die höchstgelegene Stadt der Welt in sage und schreibe über 4500 Metern Höhe liegt (Nagqu in Tibet mit hier rund 50.000 Einwohnern)? Oder dass es Dutzende Städte gibt, in denen im jährlichen Durchschnitt über 30 Grad Celsius herrschen, aber nur 20, in denen das jährliche Mittel den Gefrierpunkt nicht überschreitet? Allen voran Norilsk und Jakutsk (216.000 Bewohner im "urban centre") in Russland mit einer mittleren Jahrestemperatur von weniger als 8 Grad Celsius unter null.

Norilsk (rund 70.000 Einwohner ist auch die nördlichste Stadt überhaupt – auf dem 69. nördlichen Breitengrad. Die südlichste ist die argentinische Stadt Ushuaia (rund 60.000) auf 54 Grad südlicher Breite. Dem Äquator am nächsten – beziehungsweise direkt darauf – liegt das Flüchtlingslager Hagadera (rund 110.000) des UNHCR in Kenia. Eine Kartenansicht zeigt, wo sich die besonders hoch gelegenen Städte drängeln, wo die Bewohner besonders viel Geld verdienen oder in welchen Klimazonen die Städte liegen.

Die Städte dieser Welt, eingefärbt nach Höhe über dem Meeresspiegel.

360 Millionen Städter und damit knapp jeder zehnte Stadtbewohner der gesamten Welt lebt übrigens im Einflussgebiet des Ganges, am Jangtsekiang sind es noch einmal 140 Millionen. Der Rhein kommt auf fast 24 Millionen, davon ungefähr 15 Millionen in Deutschland. Die regenreichste Millionenstadt findet sich mit Purwokerto in Indonesien (3773 Millimeter im Jahr), die trockenste mit gar keinem Niederschlag in Peru (Lima). Überhaupt nur zwei Städte liegen in mehr als zwei Staaten, Basel auf der schweizerisch-französisch-deutschen Grenze und Cinkassé in Burkina Faso, Togo und Ghana. Weltweit leben über 66 Millionen Menschen in solchen Städten, die Landesgrenzen überschreiten.

Die Bundesrepublik hatte dieser Datenbank zufolge 1975 noch die fünfzehntgrößte Stadtbevölkerung der Welt, inzwischen landet sie lediglich auf Platz 24 (Österreich auf Platz 107, die Schweiz auf 116). Das Ruhrgebiet – beziehungsweise hier Dortmund – erreicht mit 3,4 Millionen Einwohnern in Deutschland Rang 1, noch vor Berlin (3,3, Millionen), Hamburg (1,6 Millionen), München (1,6 Millionen) und Köln (1,5 Millionen). Insgesamt liegen 90 der aufgeführten Städte ganz oder zumindest teilweise auf deutschem Gebiet. Wer sich die genauen Grenzen ansehen will, die die Forscher jeweils gezogen haben, kann dies online tun, die gesamte Datenbank steht ebenfalls frei zum Download.

(mho)