Robophilosophy: Geschlechtslose Roboter gibt es nicht

Roboter sind Maschinen. Spannend und kontrovers wird es aber, wenn gefragt wird, ob sie nur Maschinen sind – oder vielleicht auch noch etwas anderes?

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Robophilosophy: Geschlechtslose Roboter gibt es nicht

(Bild: sdecoret / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Roboter sind nie nur Maschinen. Dies jedenfalls ist für Robert Sparrow von der australischen Monash University eindeutigem wie er gleich zu Beginn seiner Keynote auf der Konferenz Robophilosophy 2020 klarstellte. Die Robophilosphy findet in diesem Jahr wie die meisten Tagungen virtuell statt.

Die Beziehung zu Menschen sei immer Bestandteil des Designs, betonte Sparrow. Es seien Maschinen, die Bedeutung vermitteln. Diese Fähigkeit gehöre zu ihrem Wesen. Die Aufgeregtheit, mit der über Roboter diskutiert werde, rühre daher, dass es dabei immer darum gehe, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Das gelte selbst für die ganz und gar nicht menschenähnlichen Industrieroboter: Auch sie zögen vor allem deswegen Interesse auf sich, weil sie Debatten über die Bedeutung von Arbeit provozierten. Es sei daher an der Zeit, sich intensiver mit Semiotik zu beschäftigen und über die kulturellen Dimensionen von Robotern nachzudenken.

Wie das aussehen kann, führte Sparrow beispielhaft an Überlegungen zum Geschlecht und zur ethnischen Zuordnung von Robotern vor. Sexroboter berührten nicht nur das Bild von Frauen in der Öffentlichkeit und die Erwartungen an ihr Aussehen und Verhalten, indem sie sie im Wesentlichen als Objekte sexueller Begierde darstellten. Es stelle sich auch die Frage, ob Sex mit Robotern einvernehmlich sei oder nicht. Wenn der Roboter so programmiert sei, dass er immer zustimme, könne er nicht vergewaltigt werden. Sex ohne ausdrückliche Zustimmung sei dagegen immer eine Vergewaltigung. Hinsichtlich der ethnischen Zuordnung habe sich gezeigt, dass Menschen auf Roboter mit verschiedenen Oberflächenfarben unterschiedlich reagieren. Die meisten Roboter hätten eine glänzende, weiße Oberfläche, stellte Sparrow fest. Das könne aber auch mit einer durch die Science-Fiction etablierten Ästhetik zusammenhängen, die mit dieser Farbgestaltung Futurismus verbindet.

Die an der Osaka University entwickelten Telenoid-Roboter sind bewusst so gestaltet, dass ihnen kein Geschlecht zugeschrieben werden kann.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Sparrow sieht hier ein Dilemma: Sowohl farbige als auch weiße Roboter könnten gleichermaßen rassistisches Verhalten unterstützen, insbesondere wenn Roboter als Sklaven und nicht als Abbilder des Menschen wahrgenommen würden. Vielleicht gebe es aber auch die Möglichkeit eines selbstbewussten, stolzen Umgangs mit Ethnizität, eine Art "Black Power" für Roboter, der Stereotypen reflektiert, statt sie zu bestärken? In jedem Fall gelte es, die sozialen Konsequenzen im Auge zu behalten. Roboter hätten einen starken Einfluss auf menschliches Verhalten, wie unter anderem Studien zum Einsatz im Unterricht gezeigt hätten. Sie wirkten wie Ikonen, wie magische Inkarnationen des Menschen. Wir müssten genau beobachten, wie sie die Beziehungen der Menschen untereinander beeinflussen. Ansonsten sei es nicht ausgeschlossen, dass Sexroboter zu mehr sexueller Gewalt führten und farbige Roboter den Rassismus beförderten. Die Gefahr des Verlustes menschlicher Autonomie illustrierte Sparrow mit dem Bild von den Händen eines Marionettenspielers, das seinen Vortrag beschloss.

Eine Ächtung von Sexrobotern wollte Sparrow in der anschließenden Diskussion gleichwohl nicht unterstützen. Wenn es in Ordnung sei, seine Sexualität auszuleben, seien Darstellungen davon wahrscheinlich auch in Ordnung. Im Hinblick auf Roboter sei es schwierig, das Geschlecht als Teil der Identität komplett auszublenden. Dabei gehe es nicht allein um die äußere Erscheinung, sondern auch um die soziale Rolle. Ein androgynes oder asexuelles Design sei schwer zu realisieren.

Diese letzte Aussage wird unterstützt durch eine Studie, die an der Aarhus University durchgeführt wurde und ebenfalls bei der Robophilosophy vorgestellt wurde. Wie Malene Flensborg Damholdt berichtete, wurde dafür der Roboter Telenoid R1 verwendet, dessen Gestalt zunächst kein bestimmtes Geschlecht nahelegt. Die Versuchsteilnehmer waren aufgefordert, sich 40 bis 50 Minuten lang mit dem Roboter über ein ethisches Problem auszutauschen. Anschließend sollten sie sagen, welches Geschlecht der Roboter wohl hatte. Viele orientierten sich dabei an der Stimme. Der Anteil derjenigen, die den Roboter keinem Geschlecht zuordnen wollten, obwohl es keine geschlechtsneutrale Stimme gebe, sei aber auch erstaunlich hoch gewesen, meinte Damholdt. Ob ein geschlechtsneutraler Roboter möglich sei, müsse vorerst offen bleiben.

Dass die Wahrnehmung des Geschlechts/Genders auch kulturell geprägt ist, zeigt der Hinweis auf ein Video, den Yuko Murakami (Rikkyo University) in der Diskussion von Sparrows Vortrag gab. Es zeigt einen japanischen Roboter, der das erleuchtete buddhistische Wesen (Bodhisattva) Avalokiteshvara verkörpert und offenbar in Japan als geschlechtslos wahrgenommen wird – obwohl die Stimme weiblich klingt und am Oberkörper weibliche Brüste angedeutet sind.

Alan Winfield (University of the West of England) schlug vor, den Bau androider Roboter generell als unethisch zu betrachten, insbesondere wenn ihnen ein Geschlecht zugeordnet werden kann. Darauf konnte Sparrow wegen Zeitknappheit zwar nicht mehr eingehen. Bemerkenswert ist aber seine Einschätzung, dass der Bau von Robotern im Kern ein religiöses Projekt sei: Es gehe darum, sich durch die Erschaffung eines menschenähnlichen Wesens selbst zum Gott zu erheben. Die Mystifizierung von Robotern zu vermeiden sei daher schwer.

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