KI vs. Kindesmissbrauch: NRW-Ermittler sehen ermutigende erste Resultate
Seit über einem Jahr läuft in NRW ein Forschungsprojekt zwischen Strafverfolgern und Microsoft, in dem Algorithmen Missbrauchsbilder aufspüren sollen.
(Bild: vs148/Shutterstock.com)
Die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) ist zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Anfang August 2019 gestarteten Forschungsprojekts zur automatischen Erkennung "kinderpornografischer Inhalte" auf Basis von Microsoft-Systemen mit Künstlicher Intelligenz (KI). "Die ersten Zwischenergebnisse sind ermutigend", erklärte ein ZAC-Sprecher gegenüber heise online. "Derzeit werden die Forschungsresultate praxisbezogen validiert und Testläufe mit größeren Datenmengen durchgeführt."
Kein eigenes Budget
Ziel sei es, "die Technologie möglichst schnell in den Werkzeugkasten der bei der ZAC NRW eingerichteten Task Force zur Bekämpfung des Kindesmissbrauchs und der Kinderpornografie im Internet einzubringen", erklärte der Kölner Staatsanwalt weiter. Ein spezielles Budget stehe bei der Strafverfolgungseinheit für das Vorhaben nicht zur Verfügung. Derzeit trügen alle beteiligten Partner, zu denen auch Juristen und IT-Sicherheitsspezialisten der Universität des Saarlandes gehören, ihre Eigenkosten selbst.
Bis Ende 2020 sollten alle Polizeibehörden in NRW technisch in der Lage sein, ihre Daten zum Auswerten und Filtern an das Landeskriminalamt zu überspielen, hatte es voriges Jahr geheißen. Wie weit dieses Vorhaben gekommen ist, wollte der Sprecher nicht sagen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte jüngst erklärt, die LKA-Experten kämen mit der Auswertung der sich im Bereich der Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs auftürmenden "Datengebirge" nach wie vor kaum hinterher.
Neue Auswertetechnik
Justizminister Peter Biesenbach (CDU) verkündete im Juni, es gebe allein im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach 30.000 Spuren, die zu potenziellen Tätern im In- und Ausland führen könnten. Bis 2021 werde das Land 32,5 Millionen Euro in neue Auswertetechnik investieren, das Personal für diese Delikte sei vervierfacht worden.
Allein am Dienstag sollen bei Razzien in zwölf Bundesländern, die auf den bisherigen Erkenntnissen der NRW-Fahnder beruhen, mehr als 2000 Beweismittel sichergestellt worden sein. Dabei handele es sich unter anderem um Datenträger, erläuterte Ermittlungsleiter Michael Esser am Mittwoch in Köln. Die Durchsuchungen hätten sich gegen 48 Männer und zwei Frauen gerichtet. Die meisten Einsätze habe es in Bayern gegeben. Dort sei die Polizei an 15 Orten gegen 13 Tatverdächtige vorgegangen.
Rechenkapazität aus der Cloud
Das KI-basierte Auswertesystem soll laut Microsoft "die Beweissicherung des oft umfangreichen Materials deutlich" beschleunigen und die Beamten "von einem großen Teil ihrer psychisch belastenden Tätigkeit" befreien. So könnte verhindert werden, dass Beweismittel herausgegeben werden müssen, bevor sicher festgestellt ist, ob auf ihnen Missbrauchsaufnahmen vorhanden sind.
Der Konzern stellt dafür nach eigenen Angaben Algorithmen auf der Basis neuronaler Netze zur "Dekonstruktion" von Bilddateien und intelligenten Erkennung sowie Rechenkapazitäten aus der Cloud für die eigentliche Analyse der Aufnahmen zur Verfügung. Zu gewährleisten sei auch, dass bei diesem Verfahren der Beweiswert der Funde nicht verändert werde.
Abstraktions-Layer
Für das Vorhaben habe man ein "weltweit einzigartiges Verfahren über einen sogenannten Abstraktions-Layer entwickelt", heißt es bei Microsoft. Auf lokalen Rechnern würden die konkreten Bildinhalte soweit anonymisiert, dass auf den Dateien "weder ein Personenbezug noch die Abbildung strafrechtlich relevanter kinderpornografischer Inhalte erkennbar sind". Im zweiten Schritt werde das Material in die Cloud geschickt, wo spezielle Programmroutinen in der Lage seien, in den dekonstruierten Aufnahmen Inhalte zu erkennen. Am Ende entschieden menschliche Experten aus dieser Vorauswahl, ob tatsächlich strafrechtlich relevantes Material vorliegt.
Eine vom früheren CDU-Bundesabgeordneten Wolfgang Bosbach geleitete NRW-Regierungskommission empfahl bereits im Mai 2019, im Kampf gegen die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen den "Einsatz von computerforensischer Spezialsoftware" auszubauen. Derzeit bestünden bei der Justiz "erhebliche Engpässe" schon "bei der einer Auswertung vorangehenden Datensicherung". Nur durch ein landeseinheitlich konsolidiertes Regelwerk zu allen Kernthemen des Umgangs mit digitalen Beweismitteln inklusive "der Protokollierung von Zugriffen auf die Daten" könne eine gute Analysequalität erreicht werden. Das NRW-Justizministerium wollte die Vorschläge auf Anfrage von heise online nicht kommentieren. (kbe)