Deutscher Weltraumbahnhof: BDI-Studie empfiehlt Plattform in der Nordsee

Von einer schwimmenden Plattform in der Nordsee könnten schon bald Raketen Kleinsatelliten ins All bringen. Das geht aus einer Machbarkeitsstudie hervor.

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Deutscher Weltraumbahnhof: BDI-Studie empfiehlt Plattform in der Nordsee

(Bild: NicoElNino/Shutterstock.com)

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Deutschland könnte für vergleichsweise wenig Geld einen Weltraumbahnhof vor der Nordseeküste einrichten, von dem kleine Raketen Kleinsatelliten in polare und sonnensynchrone Umlaufbahnen starten könnten. Das geht aus einer Machbarkeitsstudie des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) hervor, die dieser dem Bundeswirtschaftsministerium hat zukommen lassen. Das Konzept sieht eine schwimmende Startplattform in der Nordsee vor, wo aus dem äußersten Zipfel der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Raketen starten könnten. Solch eine Anlage wäre keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung für Europas Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana, versichern die Autoren.

Der BDI hatte im Herbst 2019 auf seinem ersten eigenen Weltraumkongress die Einrichtung eines Weltraumhafens in Deutschland gefordert und das mit der zentralen Bedeutung der Raumfahrt für die Bundesrepublik begründet. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte darauf wohlwollend reagiert und die Debatte über den Vorschlag damit angetrieben. So hatte der ehemalige deutsche Astronaut Thomas Reiter bezweifelt, dass ein solcher Weltraumbahnhof sinnvoll wäre, vor allem wegen der geografischen Beschränkungen. Aus europäischer Sicht sei ein Standort etwa auf den Azoren oder in Großbritannien günstiger, hatte er erklärt. Dort können die Raketen unter anderem über dem Meer starten und Fehlschläge gefährden keine Menschen.

In der nun fertiggestellten Studie heißt es, dass gegenwärtig drei deutsche Unternehmen sogenannte Microlauncher entwickeln – Rocket Factory Augsburg, ISAR Aerospace und HyImpulse. Mit diesen Raketen können einzelne kleine Satelliten zielgenau an die gewünschte Position gebracht werden – noch hätten die drei aber keine Startplätze. Große Trägerraketen können zwar Dutzende Satelliten gleichzeitig ins All bringen, die gelangen dann aber nicht unbedingt an die beste Position im Orbit, immerhin müssen sich hier alle die gleiche Mitfahrgelegenheit teilen. Außerdem sind deren Betreiber bezüglich des Startzeitpunkts eng gebunden und die Starts erfolgen weit von Europa entfernt.

Microlauncher könnten hier eine Flexibilität bieten, die durchaus gewünscht wäre. Gleichzeitig würde davon ausgegangen, dass der Markt für Kleinsatelliten nicht nur in den kommenden zehn Jahren, sondern auch danach rasch wachse, so die Autoren. Vor allem die Wachstumsprognose für die nächsten Jahre beruht aber zu großen Teilen auf den geplanten riesigen Konstellationen für einen weltweiten Internetzugang. Die Tausenden Kleinsatelliten dafür dürften SpaceX und Amazon jedoch mit ihren eigenen Raketen ins All bringen. Das BDI erwähnt aber auch, dass mehrere deutsche Unternehmen Satellitenkonstellationen planen. Ein deutscher Startplatz wäre da eine wichtige Komponente.

Solch eine Startplattform, würde die Voraussetzungen dafür schaffen, dass dieser Wettbewerb auch Deutschland erreichen könnte, Innovationen in der Breite getätigt werden und die Industrie hier gehalten wird, heißt es in der Studie noch. So seien vor allem die niedrig fliegenden Satelliten auf eine relativ kurze Lebenszeit ausgelegt, sie müssen häufig ersetzt werden. Die nötige Serienfertigung erfolge oft in der Nähe von Startplätzen. Sollte so einer in der Nordsee etabliert werden, könnte er von Bremerhaven aus angesteuert werden. Nötig wären Anschubkosten in Höhe von lediglich 30 Millionen Euro. Starts könnten schließlich für rund 600.000 Euro erfolgen. Mehrere Dutzende solcher Starts hatte das Unternehmen Sea Launch durchgeführt.

Auch wenn die von dieser schwimmenden Plattform erreichbaren Orbits bislang nicht sehr häufig genutzt werden, heißt das nicht, dass sich das nicht ändert. Das Interesse der kommerziellen Raumfahrt daran sei riesig, zitiert das Handelsblatt Marco Fuchs, den Chef des Satellitenbauers OHB. Die Hälfte der künftigen Kleinsatelliten soll in solche Umlaufbahnen, die die gesamte Erdoberfläche abdecken, sagt er. Technisch sei ein schwimmender Startplatz nicht schwierig, sagt Fuchs noch. Die wahre Herausforderung seien Fragen zu Sperrungen des Luftraums, zur Vereinbarkeit mit dem Schiffsverkehr, oder zum Umweltschutz. Auch sei unklar, was Schweden und Norwegen davon halten würden, die ähnliche Pläne in dem Seegebiet haben. (mho)