Die Schüler als Corona-Verlierer

Dass die Spontandigitalisierung unserer Schulen nicht gut gelaufen ist, war kaum zu übersehen. Wie schlecht unser Schulsystem mit digitaler Schule klarkommt, ist dennoch erschreckend.

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Ich weiß nicht, wie viele „lustige“ kleine Videos in der Schul-Lockdown-Zeit auf meinen Messenger-Kanälen aufgelaufen sind. Am Anfang konnte ich auch noch lachen, später nicht mehr. Obwohl wir mit „unserer Schule“ wirklich gut davon gekommen sind. Digital wird dort ohnehin groß geschrieben, die Kinder sind es gewöhnt, die Lehrer großteils fit – keine nennenswerten Probleme und ich musste auch nicht als Hilfslehrerin in die Bresche springen.

Da wirkte es manchmal auf mich, als würden die anderen Mütter und Väter maulen, weil es sich über Schule eben so schön maulen lässt. Die Meinungen über Erfolg und Misserfolg des Digitalisierungsexperimentes gingen auseinander – je nach persönlichen Erfahrungen. Der amerikanischeTechnologie-Konzern Citrix hat nun in die Fläche geschaut: Das Befragungsunternehmen One Poll hat im Auftrag von Citrix, das auch Schulen mit Online-Lernplattformen ausstattet, im Juli und August 2020 jeweils 3500 Eltern mit Kindern im Alter zwischen 6 und 18 Jahren befragt, sowie 3500 Universitätsstudenten. Die Umfrage erfolgte zeitgleich in Australien, Deutschland, Großbritannien, Italien, Kanada, Mexiko und Singapur. Aus jedem Land nahmen 500 Studenten und 500 Eltern teil.

Das kann man schon repräsentativ nennen und das Ergebnis tut weh. Von den sechs Ländern hat Deutschland am schlechtesten abgeschnitten. Nur bei jedem zehnten Schüler funktionierte der Onlineunterricht in Deutschland einfach. Nicht tröstlich ist da, dass auch im Siegerland Singapur nur 30 Prozent von einem problemlosen Übergang zum Online-Unterricht profitiert haben. Australien lag bei einem Viertel, Mexiko und Großbritannien bei jeweils 19 Prozent, Kanada bei 16 Prozent und in Italien hatten 14 Prozent keine Probleme.

Nun basieren diese Umfragen auf subjektiven Einschätzungen, die sicher auch vom kulturellen Hintergrund des jeweiligen Landes geprägt sind. Wie groß diese Effekte sind, kann wohl keine einfache Studie dieser Art beantworten. Aber was Eltern auf der ganzen Welt bemängeln sind auch die Punkte, die die Bildungsforschung als kritische Punkte identifiziert hat (TR 9/2020, S. 38): Lehrerfortbildung für Fernunterricht sehen 53 Prozent der Eltern als förderungswürdig, eine bessere Organisation des Fernunterrichts wünschen sich 48 Prozent und mehr direkte Interaktion mit Lehrkräften über Video sehen 45 Prozent als wichtigen Punkt für besseren Digitalunterricht. 20 Prozent der Eltern denken jedoch, dass Online-Unterricht generell schlecht für ihre Kinder ist.

Wie oft habe ich von Lehrenden in Gesprächen gehört, dass Eltern sich nicht mehr für ihre Kinder interessieren und den Bildungs- und Erziehungsauftrag komplett an die Schulen übertragen. Eltern haben keine Ahnung vom Schulsystem und gutem Lernen – das undisziplinierte Verhalten in den Schulen, der Mangel an Lernbereitschaft komme aus dem modernen Elternhaus. Wenn Eltern jedoch so treffsicher analysieren können, wo die Defizite liegen, kennen Eltern auch heute ihre Kinder vielleicht besser, als manche es wahr haben wollen. Und vielleicht liegt das eine oder andere Defizit dann doch hinter dem einen oder anderen Schultor?

(jsc)