Druck bei autonomem Fahren, keine Verbrenner-Prämie: Ergebnisarmer Autogipfel

Die Ergebnisse des Gipfeltreffens erscheinen recht übersichtlich. Die Beantwortung wichtiger Fragen wurde vertagt, wenigstens ein Thema aber wohl beerdigt.

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Angela Merkel

(Bild: Bundesregierung/Denzel)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Martin Franz
  • mit Material der dpa
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Es war wie so häufig bei Treffen dieser Art: Die Ergebnisse hielten nicht ganz mit den im Vorfeld geschürten Erwartungen Schritt. Die Klärung wichtiger Fragen wurden aufgeschoben, dazu kam ein Dauerbrenner wieder auf den Tisch, der eigentlich von dort schon vor Monaten abgeräumt schien.

Was konkret beschlossen wurde, erscheint auf den ersten Blick doch recht übersichtlich. Schnelleres Internet im Auto, eine deutsche Vorreiterrolle beim autonomen Fahren und kundenfreundlicheres Laden von Elektroautos: Das sind die Kernziele, die der jüngste "Autogipfel" für die angeschlagene Branche skizziert hat. Dazu wurden Prüfaufträge formuliert, vor allem aber etliche Punkte auf die nächsten Gespräche im November geschoben.

Die CSU hatte im Vorfeld die alte Forderung wiederholt, auch den Absatz von Autos mit "sauberen Verbrennungsmotoren" zu unterstützen. Die Höfe stünden voll, und nur wenn die Lagerware verkauft werden würde, hätte die Firmen Kapital für Investitionen in die Zukunft. Kurz vor dem Gipfel hatte sich schon zart abgezeichnet, dass eine Förderung von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren nur geringe Chancen hat. Ausgerechnet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, stets um ein machtvolles Bild seiner selbst bedacht, hatte schon vorsichtig angedeutet, dass der SPD-Vorschlag, Zulieferer gezielt zu unterstützen, bedenkenswert sei. Ein Rückzug von Positionen also, die er klugerweise hatte Parteikollegen vortragen lassen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) war im Interview mit dem ZDF am Abend darauf bedacht, der Idee seiner Unionskollegen nicht den endgültigen Todesstoß zu versetzen, merkte aber an, dass "die Realisierungschancen im Augenblick nicht sehr groß wären". Befreit von diplomatischen Zwänge könnte man es auch so formulieren: "Das kommt nicht", wenngleich Altmaier heftig betonte, sich in dieser Frage "nicht öffentlich positioniert" zu haben. Der zu erwartende Gegenwind einer lautstarken Gruppe, die das Auto als Baustein der Mobilität am liebsten beerdigen würde, war den Verhandelnden vermutlich doch zu gewaltig.

Stattdessen setzen Politik und Branchenvertreter auf indirekte Unterstützung und Maßnahmen, die den schwierigen Wandel in der deutschen Schlüsselindustrie voranbringen sollen. Mit Blick auf die aktuellen Verkaufseinbrüche, die besonders Zulieferer unter Druck setzen, soll eine Arbeitsgruppe untersuchen, ob und wie ein "marktwirtschaftliches Konzept" entwickelt werden könnte. Es geht um eine Stärkung des Eigenkapitals betroffener Firmen. Zum anderen soll laut dem Ergebnispapier geprüft werden, welche weiteren Aspekte bei den im Konjunkturpaket der Bundesregierung vorgesehenen "Zukunftsinvestitionen" in die Branche berücksichtigt werden sollten.

Die Videokonferenz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesministern und Vertretern von Autoherstellern sowie Gewerkschaften und Ministerpräsidenten aus "Autoländern" befasste sich aber vor allem mit der Digitalisierung im Verkehr. So soll Deutschland eine "Führungsrolle beim autonomen Fahren" einnehmen. Ein entsprechendes Gesetz werde vorbereitet, hieß es am Abend.

(Bild: VDA)

Deutschland wolle damit "das erste Land weltweit sein, das fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb sowie im gesamten nationalen Geltungsbereich erlaubt". Bis 2022 sollen Autos mit autonomen Fahrfunktionen im Regelbetrieb unterwegs sein. Das ist ein ziemlich straffer Zeitplan, denn die Gesetzgebung ist in diesem Bereich alles andere als trivial. Dazu gehört die Frage, welche Fehlertoleranz wir als Gesellschaft perspektivisch autonom fahrenden Autos zubilligen.

Es ist absehbar, dass dieses Systeme weniger Unfälle bauen werden, wenngleich derzeit höchst umstritten ist, wann das so sein wird. Die aktuelle Fehlerrate von Assistenzsystemen schon bei der Schildererkennung legt nahe, dass es noch geraume Zeit dauern könnte, bis man das Steuer der Elektronik sorgenfrei in jeder Situation überlassen kann. Doch dieser Eindruck ist möglicherweise trügerisch, denn in die Entwicklung von autonom fahrenden Autos fließen beträchtliche Summen.

Beschlossen wurde auf dem "Autogipfel" auch, dass ein "Datenraum Mobilität" geschaffen wird. Hier geht es um Infrastrukturen und Kooperationen zum schnellen und sicheren Austausch der riesigen Informationsmengen, die zunehmende Vernetzung und auch das autonome Fahren mit sich bringen. Es laufen bereits Vorbereitungen zwischen europäischen Staaten und der Industrie. Bis zum Jahresende sollen in Deutschland "Vereinbarungen zwischen den Anbietern von Mobilität erreicht werden". Die Branche wolle dazu "im Rahmen der Vertragsfreiheit" Mobilitätsdaten bereitstellen.

Beim Aufbau eines Ladenetzes für Elektroautos sollen Wirtschafts- und Verkehrsminister "zeitnah" mit der Energiewirtschaft zu einem zweiten Spitzengespräch zusammenkommen. Dabei sollen konkrete Vereinbarungen über ein einheitliches Bezahlsystem und eine kundenfreundliche Nutzung von Ladesäulen erreicht werden. Verbände wie der ADAC beklagen, dass an öffentlichen Ladesäulen bisher sehr unterschiedliche Preise gelten. Dazu ist oftmals vorab nicht klar ersichtlich, was die Ladung kosten wird.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sieht die Ergebnisse des "Autogipfels" skeptisch. "Die ganz unmittelbar anstehenden Herausforderungen sind weiter offen", sagte der SPD-Politiker. Vor allem Zulieferer meldeten anhaltende Absatzeinbrüche infolge der Covid-19-Pandemie. Es seien zwar zentrale Punkte besprochen worden. Die Probleme blieben aber vielerorts akut. Betriebe müssten nicht nur die Transformation zu Digitalisierung und Elektrifizierung bewältigen, sondern auch mit stark zurückgehenden Verkaufszahlen kämpfen.

Lob für die Ergebnisse kam von der Gewerkschaft IG Metall. Vom Autogipfel gehe ein "gutes Signal" aus. Der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann sagte am Mittwoch: "Die Bundesregierung hat die schwierige Situation in der Zulieferindustrie wahrgenommen und versucht, Lösungen zu finden. Unser Vorschlag, Transformationsfonds einzurichten, mit denen das Eigenkapital kleiner und mittlerer Zulieferer gestärkt werden kann, wird jetzt bearbeitet." Dies wäre ein wesentlicher Beitrag zu einer erfolgreichen Transformation, denn damit würden die Unternehmen in die Lage versetzt, in Innovationen zu investieren und damit für die Zukunft Beschäftigung zu sichern, so Hofmann.

Auch der Vorschlag der Gewerkschaft, regionale "Transformationscluster" einzurichten, gehe in die Bearbeitung. "Damit soll in Regionen, die heute aufgrund einer Vielzahl von Zulieferbetrieben in großer Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor stehen, aktive regionale Strukturpolitik betrieben werden. Auch dies könnte ein wesentlicher Beitrag sein, um die deutsche Leitbranche ökologisch und sozial zu transformieren."

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat ein positives Fazit des jüngsten "Autogipfels" gezogen. "Wir hatten großes Einvernehmen darüber, dass die Lage in der Automobilindustrie angespannt bleibt und wir deshalb alle Kräfte bündeln müssen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und neue Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen", sagte Kretschmann. Zukunftstechnologien und Weiterqualifizierung müssten massiv und gut aufeinander abgestimmt vorangetrieben werden. Deshalb sei es wichtig, dass Bund und Land das im Juni vereinbarte Zwei-Milliarden-Euro-Förderprogramm schnell gemeinsam ausrollen. Damit sollen etwa Investitionen in neue Technologien gefördert werden. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet derzeit an der Umsetzung. Baden-Württemberg setzt parallel noch ein eigenes Zukunftsprogramm auf.

(mfz)