Zoom-Fatigue: Virtuelle Meetings machen müde

Die Vielzahl an Videokonferenzen aufgrund von Corona belastet die Mehrzahl der Bürobeschäftigten in Deutschland. Das zeigt eine Studie. Hilfe ist notwendig.

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Zoom-Fatigue: Virtuelle Meetings machen müde

(Bild: Andrey_Popov / Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Deutschland ist eine Büronation. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln arbeiten bundesweit rund 14,8 Millionen Menschen in Büros. Schreibtischarbeit macht Homeoffice leicht möglich. Deshalb verrichtete schon 2018 jeder zweite zumindest gelegentlich von zuhause seine Arbeit. Jetzt, in Zeiten von Corona, ist der Anteil deutlich gestiegen – und damit haben nun viele ein Problem, das bislang nur wenige hatten: "Zoom-Fatigue".

9:00 Uhr Teams-Meeting mit Kollegen, 11:00 Uhr Zoom-Konferenz mit einem Kunden und um 12:00 Uhr Skype-Sitzung mit Lieferanten.

Der Nachmittag ist oft genauso vollgestopft mit digitalen Besprechungen.

Die intensive Nutzung von Videokonferenzsystemen führt zu einer anderen Art von Müdigkeit und sogar Erschöpfung als Präsenzbesprechungen. Zoom-Fatigue wird das Phänomen genannt. Zoom ist ein prominentes Tool für Onlinekonferenzen und das französische Wort fatigue bedeutet ins Deutsche übersetzt Müdigkeit oder Erschöpfung. Die Wortkombination Zoom-Fatigue steht also für die Müdigkeit von Menschen, die ausgelöst wird durch Videokonferenzsysteme.

Wenn die Pandemie vorbei ist, werden viel mehr Beschäftigte als vorher im Homeoffice sitzen und sich häufig online mit Kollegen treffen. Wie können die sich vor Onlineerschöpfung schützen?

Wie sich diese Erschöpfung zeigt, auswirkt und was man dagegen machen kann, darüber wurde in Deutschland bislang spekuliert. "Wir haben jetzt die ersten Antworten", sagt Dr. Jutta Rump, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen und Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability an dieser Hochschule.

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Mitarbeiter des Instituts haben Ende August und Anfang September eine Befragung über alle gängigen Social-Media-Kanäle durchgeführt. Es ist die erste wissenschaftliche Untersuchung über die Onlinemüdigkeit im deutschsprachigen Raum. Mit der Studie wurden drei wesentliche Fragen geklärt: Wie macht sich Zoom-Fatigue bemerkbar, was belastet und was hilft, die Belastung zu reduzieren? Diese Fragen wurden an das Netzwerk des Instituts verschickt, insgesamt etwa 3000 Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Führungskräfte und Betriebsräte. 422 haben geantwortet. Die hohe Rückläuferquote zeigt die Brisanz des Themas.

Bei 60 Prozent der Antwortenden macht sich eine Online-Müdigkeit bemerkbar. Bei 15 Prozent ist diese ständig präsent, 77 Prozent sagen manchmal und 8 Prozent selten. "Zoom-Fatigue ist damit ganz klar ein Thema für die Menschen, die häufig an digitalen Videokonferenzen teilnehmen", sagt Rump. Belastend ist dabei vor allem, dass die Konzentration sinkt. Dann folgen Ungeduld und genervt sein. Kopf- und Rückenschmerzen nennen die Studienteilnehmer als die gesundheitlichen Auswirkungen. "Magen- und Gliederschmerzen wurden nicht genannt, was auch logisch ist, weil die erst nach längerer Belastung auftreten", so die Professorin. Werden die digitalen Meetings allerdings in der aktuellen Intensität weitergenutzt, werden die ersten bald auch darüber klagen.

Dr. Jutta Rump

Stark belastend wird außerdem wahrgenommen, dass manche Konferenzteilnehmer überhaupt nicht oder nur klein am Bildschirmrand gezeigt werden. "Deshalb können die anderen deren Körpersprache nicht interpretieren", sagt Rump. Nonverbale Konversation ist ein wichtiges Element in der Kommunikation, denn auch ohne Worte reden Menschen, indem sie mit Gestik und Mimik auf das Gesagte von anderen reagieren. Darüber hinaus wird die mitunter schlechte Tonqualität der Systeme bemängelt und dass ausschließlich fachliches geredet wird. Smalltalk findet nicht statt. "Die Teilnehmer an den Konferenzen haben keine Chance durchzuatmen", sagt Rump. Dieses Problem besteht auch, weil es während und zwischen den virtuellen Meetings meist keine Pausen gibt.

In der dritten Frage sollten die Studienteilnehmer ihre Ideen nennen, was gegen die Belastung durch Videokonferenzen helfen kann. "Das wesentliche Argument ist ein bekanntes aus der alten Welt", sagt Rump: "Zeitbegrenzung und Pausen." Die digitalen Meetings sollten nicht länger als 45 Minuten dauern und zwischen den Veranstaltungen müssten 10 bis 15 Minuten Pause sein. Stets zur vollen Stunde beginnen und pünktlich beenden ist ein Organisationsrahmen, der die Belastung aller Beteiligten senkt.

Zoom-Fatigue wird nicht mehr verschwinden, meint Professorin Rump und nennt als zwei Gründe die Zunahme beim Homeoffice und das geänderte Mobilitätsverhalten. So werden Geschäftsreisen weniger häufiger stattfinden als bislang und teures und zeitaufwendiges Reisen durch Videokonferenzen ersetzt. "Deshalb rate ich dazu, dass jedes Unternehmen für sich Standards für die virtuellen Meetings formuliert", empfiehlt Rump. Das kann auch auf der Sozialpartnerebene geschehen, indem Betriebsräte oder Gewerkschaften Onlinemüdigkeit zum Thema machen und regeln.

(kbe)