Coronavirus: Ethikrat lehnt Immunitätsnachweis derzeit geschlossen ab

Der aktuelle naturwissenschaftlich-medizinische Sachstand spricht nach Ansicht aller Ratsmitglieder dagegen, eine Covid-19-Immunitätsbescheinigung einzuführen.

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Coronavirus: Ethikrat lehnt Immunitätsnachweis derzeit geschlossen ab

(Bild: creativeneko / Shutterstock.com)

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Der Deutsche Ethikrat rät der Politik derzeit einstimmig nicht dazu, einen staatlich kontrollierten Immunitätsnachweis gegen die von Sars-Cov-2 ausgelöste Erkrankung Covid-19 einzuführen. Der "aktuelle naturwissenschaftlich-medizinische Sachstand" spricht nach Auffassung aller Ratsmitglieder dagegen, zum jetzigen Zeitpunkt eine solche staatlich kontrollierte Bescheinigung zu empfehlen, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme des Gremiums.

Zuvor hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Infektionsschutz nach einer durchgestandenen Covid-19-Erkrankung nicht als erwiesen angesehen. Laut den Beratern der Bundesregierung müsste ein Immunitätsattest im Rahmen der Covid-19-Pandemie aber notwendig voraussetzen, dass es einen zuverlässigen Nachweis über den Grad und die Dauer eines Schutzes der betreffenden Person vor einer Ansteckung und ihre Nichtinfektiosität gebe. Dazu wären serologische Tests erforderlich, die nicht nur eine generelle, "sondern eine für einen bestimmten Mindestzeitraum schützende Immunantwort gegen den Erreger Sars-Cov-2 mit einem Mindestmaß an Zuverlässigkeit" belegten, heißt es in der Analyse.

Ferner müssten "die gesamtgesellschaftlichen Implikationen solcher Bescheinigungen nicht nur in medizinischer Hinsicht beurteilt, sondern auch mit Blick auf die unterschiedlichen Güter und Rechte verschiedener Personengruppen ethisch abgewogen werden".

In einem solchen Falle dürften dann auch Möglichkeiten, einzelne nicht-infektiöse Personen "von Grundrechtseinschränkungen wieder zu befreien, nicht ohne gewichtige Gründe vorenthalten bleiben. Die Folgen solcher Schritte wie die negative Vorbildfunktion beim Nichttragen von Schutzmasken oder Verzicht auf Abstandhalten müssten breit gesellschaftlich diskutiert werden. Solche Begünstigungen seien auch besser generell auszuschließen.

Nachweislich immune Personen könnten aber etwa mehr Besuchsrechte etwa in Pflegeheimen oder Beschäftigungserlaubnisse in systemrelevanten Berufen eingeräumt werden. Für den Fall, dass eine Immunität gegen das neuartige Coronavirus künftig hinreichend verlässlich nachweisbar werden sollte, ist der Rat geteilter Meinung, ob und – wenn ja – unter welchen Bedingungen eine Immunitätsbescheinigung empfehlenswert wäre.

Die Hälfte der Ratsmitglieder kommt auf Basis risikoethischer Abwägungen zu dem Ergebnis, dass bei günstiger Entwicklung der naturwissenschaftlich-medizinischen Voraussetzungen ein solches Instrument zumindest anlassbezogen und bereichsspezifisch unter bestimmten Bedingungen sinnvoll wäre. Teilweise wird auch ein weiter reichender Einsatz für verantwortbar erachtet. Auch laut dieser Gruppe A dürften Immunitätsbescheinigungen aber grundsätzlich nur auf Basis freiwilliger Entscheidungen angestrebt werden. Einem unzulässigen Druck etwa von Arbeitgeberseite oder Versicherungen, sei "effektiv entgegenzuwirken".

Der Schutz der in einen solchen Ausweis eingetragenen Daten sowie ihre Fälschungssicherheit müssten gewährleistet werden. Die Befürworter betonen: "Ein einfacher Eintrag, etwa in den Impfpass, genügt dafür nicht."

Für die andere Hälfte der Sachverständigen führen praktische, ethische und rechtliche Gründe dazu, einen staatlich ausgegebenen Immunitätsnachweise selbst dann abzulehnen, wenn alles Unsicherheiten mit Blick auf den Sachstand ausgeräumt wären. Diese Gruppe B plädiert zudem für ein Verbot, einschlägige Bescheinigungen privat herzustellen, in Verkehr zu bringen oder davon Gebrauch zu machen.

Die Corona-Warn-App sollte ihr zufolge auch unter Betriebssystemen älterer Mobiltelefone einsetzbar werden und möglichst mehr Sprachen beherrschen. Ausgemachte Fehler sollten behoben werden.

Ungeachtet dieser unterschiedlichen Positionen spricht sich das Gremium insgesamt dafür aus, die Bevölkerung umfassend über einen gemeinwohlorientierten Infektionsschutz aufzuklären und über die Aussagekraft von Antikörpertests zu informieren. Es gelte, die infektiologischen und immunologischen Eigenschaften von Sars-Cov-2 zielgerichtet und koordiniert zu erforschen.

Frei verkäufliche Tests zum Nachweis einer Immunität gegen das Virus sollten aufgrund ihrer zweifelhaften Verlässlichkeit und des daraus folgenden Gefährdungspotenzials strenger reguliert werden. Die Bundesregierung hatte zunächst geplant, mit der jüngsten Novelle des Infektionsschutzgesetzes auch die Rechtsgrundlage für einen Immunitätsnachweis zu schaffen. Parallel gab es erste Initiativen, einen digitalen Seuchenpass zu schaffen.

Nicht nur der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnte daher, dass die geforderte Bestätigung "zu einer Diskriminierung der Betroffenen" führen könne, wenn sie nicht vorgelegt werden könne. Missbrauch sei vorprogrammiert Die nötigen Gesundheitsdaten dürfen zudem "nur in begründeten Fällen" verwendet werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) klammerte den Plan für die Bescheinigung darauf aus dem Gesetzesvorhaben aus und befragte den Ethikrat dazu.

(kbe)