Innovation in Kanada: Das bessere Einhorn hat Flossen

Die Region Toronto verkauft sich als Gegenentwurf zum Silicon Valley. Aber was genau bedeutet das?

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Innovation in Kanada: Das bessere Einhorn hat Flossen

(Bild: Illustration: TR)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Brian Barth
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Den gesamten Korridor Toronto-Kitchener-Waterloo haben die kanadischen Medien „Silicon Valley North“ getauft. Dort ist etwa Research in Motion entstanden, besser bekannt unter seinem späteren Namen Blackberry, oder das Deep-Learning-Unternehmen von Geoffrey Hinton, das 2013 von Google übernommen wurde. Das Zentrum der kanadischen Tech-Szene befindet sich in Kitchener, einer Kleinstadt in der Nähe von Toronto. Hier residiert seit 1997 das legendäre Technologiezentrum Communitech: In einer renovierten Gerberei aus dem 19. Jahrhundert arbeiten winzige Start-ups Ellenbogen an Ellenbogen mit Führungskräften von Google, das dort 2013 einen Inkubator eingerichtet hat.

Dort arbeitet Harleen Kaur gerade an ihrer neuesten App: Ground News ist eine Kombination aus Nachrichtenaggregator und Social-Media-Plattform. Sie soll mit künstlicher Intelligenz und Nutzer-Engagement gegen Fake News vorgehen. Kaur ist als Mädchen von Indien nach Toronto gezogen, war später Luft- und Raumfahrtingenieurin in den USA, kehrte dann zurück nach Kanada und wurde dort zur Seriengründerin. Im großen südlichen Nachbarland fließe das Risikokapital zwar schnell und reichlich, sagt sie, aber ihr seien die „kanadischen Werte“ wichtiger: „Kanada ist maßvoller, rücksichtsvoller. Unser Wertesystem besteht nicht nur darin, Geld zu verdienen und erfolgreich zu sein“, so Kaur. „Die Kanadier sind nett zueinander. Und Nettigkeit hat einen Wert.“

Kaur ist nicht die Einzige, die die kanadische Gutmütigkeit aus den USA weggelockt hat. Jahrzehntelang klagten die Kanadier über eine Abwanderung von Fachkräften, aber mittlerweile hat sich der Strom umgekehrt. In den 1980er-Jahren waren die Zwillingsstädte Kitchener und Waterloo noch Teil des kanadischen Rust Belt voller verlassener Fabriken – bis der Informatik-Studiengang an der University of Waterloo neue Perspektiven eröffnete. Dort entstanden etwa Research in Motion, der Messenger Kik sowie OpenText, das Software für das Informationsmanagement großer Unternehmen herstellt.