Missing Link: Müllhalde Weltraum – wie nachhaltig ist Satellitenkommunikation?

Der Weltraum vermüllt zusehends. Weltraumschrott bedroht unter anderem Satelliten zur Wetterbeobachtung und Klimaforschung – mit gravierenden Folgen.

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Missing Link: Wie nachhaltig ist Satellitenkommunikation?

(Bild: sdecoret/Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Ein Mann sägt an einem Ast, auf dem er gerade selbst sitzt – schon vor Jahrhunderten erheiterten Bänkelsänger ihr Publikum mit diesem Bild. Die damit beschriebene Dummheit hat sich dennoch bis heute erhalten. Ein eindringliches Beispiel dafür lieferte in jüngerer Zeit die US-Firma Swarm Technologies, die ein satellitengestütztes globales Kommunikationsnetzwerk für das Internet der Dinge aufbauen will.

Als sie am 12. Januar 2018 an Bord einer indischen PSLV-Rakete ihre ersten vier Satelliten in den Orbit brachte, geschah das trotz des ausdrücklichen Verbots der US-Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission). Damit hat Swarm den ersten unautorisierten Start eines kommerziellen Satelliten überhaupt zu verantworten – und hat dem Ast, der nicht nur die Firma, sondern eine ganze Branche tragen soll, zum Auftakt erst einmal einen kräftigen Hieb mit der Axt versetzt.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Die FCC hatte die Genehmigung verweigert, weil die Satelliten mit ihrer Größe von etwa 10 x 10 x 2,8 Zentimetern (entsprechend etwa ¼ U, der Standardgröße von 10x10x10 cm für Cubesats) zu klein waren, um sie kontinuierlich verfolgen zu können. Damit, so die FCC, sei es nicht möglich, andere Satellitenbetreiber vor möglichen Kollisionen zu warnen. Der Start der „Spacebee“ genannten Satelliten durch Swarm Technologies sei daher „nicht im öffentlichen Interesse“.

Mit ihrem ruppigen Verhalten hat die im kalifornischen Silicon Valley beheimatete Firma die seit über 40 Jahren bekannten Grenzen des Wachstums im erdnahen Weltraum ignoriert: Bereits im Jahr 1978 publizierte der Astronom und NASA-Mitarbeiter Donald J. Kessler seine mittlerweile berühmte Studie, die zeigte, dass Kollisionen künstlicher Satelliten im Erdorbit ähnlich einer Kettenreaktion unweigerlich zu einer kaskadenhaften Zunahme der Zahl von Trümmerteilen führen. Langfristig, so seine damalige Prognose, könnten besonders belastete Umlaufbahnen dadurch komplett unbrauchbar werden.

Mittlerweile ist das keine Prognose mehr, sondern spürbare Realität. Maßnahmen gegen die Bedrohung durch Weltraummüll machten bei Satelliten im geostationären Orbit bereits etwa 5 bis 10 Prozent der Gesamtkosten aus, schreibt das Directorate for Science, Technology and Innovation (STI) der OECD in einem Bericht vom April dieses Jahres.

Für erdnahe Umlaufbahnen, so die Vermutung der Autoren der Studie, dürften die Kosten noch deutlich höher liegen. Zwar hielten sich die Betreiber solcher Satelliten mit der Veröffentlichung verlässlicher Zahlen zurück. Technologisch sei es jedoch im Verhältnis zu den Gesamtkosten aufwendiger und damit teurer, einen Satelliten aus mehr als 650 km Höhe gezielt zum Absturz zu bringen, als ihn aus dem geostationären Orbit in 36.000 km Höhe in den mehrere hundert Kilometer höheren „Friedhofsorbit“ zu heben. Die Betreiber geostationärer Satelliten seien aber nicht nur deswegen eher bereit, sich an die Regeln zur Vermeidung von Weltraummüll zu halten. Die Investitionen in die einzelnen Satelliten liege in der Regel um ein Vielfaches höher als bei ihren tiefer fliegenden Geschwistern, ebenso deren Lebensdauer. Zusammen mit den hohen Gewinnen, die sich weiterhin damit erzielen ließen, resultiere ein gemeinsames Interesse aller hier aktiven Unternehmen und Behörden, den Orbit sauber zu halten.