Studieren in digitalen Hörsälen und Zelten – Semesterbeginn während Corona

Der Start ins Wintersemester läuft für manche vor dem Computer-Bildschirm ab. Trotz Corona soll viel Lehre auf dem Campus stattfinden – aber das scheitert oft.

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(Bild: rukawajung/Shutterstock.com)

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  • dpa
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So viel Präsenzlehre wie möglich, so viel digitale Lehre wie nötig – mit diesem Grundsatz starten Bayerns Universitäten nächste Woche in das erste Wintersemester während der Corona-Pandemie. Studierende in Abschlusssemestern und Erstsemester werden für Veranstaltungen vor Ort bevorzugt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter den zehn Universitäten im Freistaat ergab. Doch die Corona-Beschränkungen stellen viele Unis vor Hürden bei der Umsetzung des Vorhabens.

Zwar dürfen nach Vorgaben des bayerischen Wissenschaftsministeriums bis zu 200 Studierende an Präsenzveranstaltungen teilnehmen – es gibt aber kaum Räume, die diese Zahl an Studierenden unter Einhaltung des Mindestabstands aufnehmen können. Bei Einführungsveranstaltungen mit mehreren Hundert Studenten sind daher nur online- und hybrid-Varianten realisierbare Optionen.

Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) zählt mit mehr als 50.000 Studierenden zu den größten Präsenzuniversitäten in Deutschland. "Selbst in unseren größten Innenstadt-Hörsaal passen mit dem Mindestabstand von 1,50 Metern nur etwa 77 Leute", sagte Vizepräsident Oliver Jahraus.

Hörsäle wie das Auditorium Maximum dienen normalerweise für Einführungsveranstaltungen, wie in die Soziologie, Medizin, Betriebs- oder Volkswirtschaftslehre. Durch die feste Bestuhlung in dem denkmalgeschütztem Raum reihen sich die Holzstühle eng nebeneinander, so dass für die Einhaltung des Mindestabstandes mehr als ein Platz ausgelassen werden muss.

Auch die Vorschrift des regelmäßigen Lüftens ist leichter gesagt als umgesetzt. "Manche Räumlichkeiten liegen im Innenbereich von Gebäuden. Hier wird es schwierig, schnell die Luftmasse auszutauschen", sagte Jahraus. Die Räume werden einmal am Tag gründlich desinfiziert. "Nach jeder Veranstaltung zu desinfizieren, ist bei den vielen LMU-Lehrveranstaltungen ein hoher Aufwand – dafür fehlt uns leider das Personal."

Das Raumproblem kennen auch andere Universitäten im Freistaat. Die Technische Universität München hat wegen des erhöhten Raumbedarfs mehrere Zelte für Lehrveranstaltungen auf den Campus einrichten lassen, von denen manche rund 190 Personen fassen. Die Vorlesungen sollen in drei Hörsäle gleichzeitig übertragen werden, samt Live-Chat und Fragemöglichkeiten.

Viele der Universitäten setzen auf integriertes Lernen, sogenanntes Blended Learning. "Hier findet die Lehre online statt, es gibt aber mehrere Präsenztermine zum Beispiel am Anfang, in der Mitte und am Ende des Semesters oder nach bestimmten inhaltlichen Blöcken", erklärte ein Sprecher der Universität Augsburg. Dort entscheiden die Fakultäten und Studiengänge, welche Lehrveranstaltung in welcher Form stattfinden soll. "Dies richtet sich nach dem Inhalt: Musik, Kunst, Sport, Laborexperimente lassen sich beispielsweise online schlecht anbieten."

An der Universität Passau sollen Veranstaltungen mehrfach nacheinander für jeweils eine Teilgruppe gehalten werden. Eine Option sei auch, dass die Studierenden in Gruppen wochenweise zwischen Online- und Präsenzteilnahme wechseln.

"Präsenzveranstaltungen sind vor allem dort wichtig, wo die Studierenden klar davon profitieren: Übungen, Laborpraktika, Seminare beziehungsweise Veranstaltungen mit Anschauungsmaterial", sagte eine Sprecherin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Rotierende Verfahren seien beispielsweise denkbar, falls die Plätze in einem Saal nicht ausreichen. Die Studierenden besprechen dann mit ihren Dozenten, wer vor Ort teilnimmt.

Viele Lehrende bieten an der FAU zusätzliche Telefonsprechstunden an. "Wir haben vor allem diejenigen im Blick, die aus irgendeinem Grund nicht vor Ort sein können." Das gelte etwa für diejenigen, die zu einer Risikogruppe gehören oder nicht einreisen können.

Wegen der Corona-Pandemie ist der Mix aus Präsenz- und Internet-Veranstaltungen keine Zukunftsmusik mehr und schneller verwirklicht worden als vielerorts gedacht. Video-Aufzeichnungen, Webinars mit Chats und Zoom-Veranstaltungen sind im Wintersemester ein wesentlicher Bestandteil des Lehrangebots – und werden es wohl bleiben. "Die Universitäten werden sich durch Corona verändern", sagte Jahraus. "Wir werden an den Universitäten nicht mehr auf den Zustand zurückkehren, wie er vor Corona war."

Langfristige Prognosen möchte angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens kaum eine Universität wagen. Einig sei man sich jedoch, dass der Fokus auf dem persönlichen und interaktiven Austausch mit den Studierenden bleiben muss.

(tiw)