Wasser auf dem Mond ist zugänglicher als gedacht

Neue Studien zeigen, dass auf der Mondoberfläche Wassereis verfügbar ist. Das ist ein vielversprechendes Zeichen für zukünftige Mondkolonien.

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(Bild: ESA)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Neel V. Patel

Der NASA zufolge gibt es auf dem Mond bis zu 600 Millionen Tonnen Wassereis, das bei der Versorgung von Mondkolonisten helfen könnte. Das Wasser könnte sogar zu einer erschwinglichen Form von Raketentreibstoff werden, wenn man es in Sauerstoff und Wasserstoff spaltet und die Gase verflüssigt.

Es war lange unklar, wie viel Wasser es auf dem Mond gibt, wo genau diese Reserven gespeichert sind und wie wir darauf zugreifen können. Noch gibt es nicht auf alle diese Fragen eine Antwort. Aber zwei neue Studien, die im Fachjournal "Nature Astronomy" erschienen sind, legen zumindest nahe, dass Wasser auf dem Mond nicht ganz so versteckt ist wie gedacht.

Bisher haben Forscher angenommen, dass Wasser in permanent von Schatten bedeckten und vor Sonneneinstrahlung geschützten Mondregionen wie großen Kratern die beste Chance hat, stabil zu bleiben. Doch nun berichten Wissenschaftler vom Stratosphärischen Observatorium für Infrarotastronomie (SOFIA) der NASA und vom Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt über den Nachweis von Wassermolekülen, die in der Nähe des 231 Kilometer langen Clavius-Kraters dem Sonnenlicht ausgesetzt waren.

"Das ist das erste Mal, dass wir mit Sicherheit sagen können, es sind Wassermoleküle auf der Mondoberfläche vorhanden", sagt Casey Honniball vom Goddard Space Flight Center der NASA und Hauptautor der SOFIA-Studie. Die SOFIA-Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Wassermoleküle in die Struktur von Glasperlen eingebaut sind und auf diese Weise der Sonneneinstrahlung standhalten. "Wir würden erwarten, dass die Wassermenge zunimmt, wenn wir uns den Polen nähern", sagt Honniball. "Aber bei SOFIA haben wir das Gegenteil beobachtet." Die Perlen wurden in einem Breitengrad gefunden, der näher am Äquator liegt, obwohl das wahrscheinlich kein flächendeckendes Phänomen ist.

Das SOFIA-Luftobservatorium wurde aus einer modifizierten Boeing 747 gebaut, die in großer Höhe durch die Atmosphäre fliegt. Auf diese Weise wird die Sicht ihres 9-Fuß-Teleskops, mit dem sie Objekte im Weltraum beobachtet, nur minimal durch die wasserhaltige Erdatmosphäre gestört.

Die glasigen Wasserspiele auf dem Mond wurden schon einmal in einer 1969 per Ballonobservatorium durchgeführten Mondmineralogie-Untersuchung entdeckt. Sie wurden jedoch weder gemeldet noch veröffentlicht. "Vielleicht haben sie nicht realisiert, welch große Entdeckung sie tatsächlich gemacht haben", sagt Honniball. Zwar ist die in den Glasperlen enthaltene Wassermenge zu gering, um für Menschen nützlich zu sein. Aber es ist möglich, dass die Konzentration in anderen Regionen höher ist. Noch wichtiger ist, dass die Ergebnisse die Möglichkeit eines "Mondwasserkreislaufs" aufzeigen, der die Wasserreserven auf dem Mond wieder auffüllen könnte.

Die zweite Studie könnte noch relevanter für die unmittelbaren Monderkundungspläne der NASA sein. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass die Wassereis-Reserven des Erdtrabanten in sogenannten Mikrokältefallen mit einem Durchmesser von bis zu einem Zentimeter aufrechterhalten werden. Neue 3D-Modelle, die mit thermischen Infrarot- und optischen Bildern des Lunar Reconnaissance Orbiters der NASA erstellt wurden, zeigen, dass die Temperaturen in diesen Mikrofallen niedrig genug sind, um das Wassereis intakt zu halten. Sie enthalten möglicherweise zehn bis 20 Prozent des in allen permanent schattenbedeckten Mondregionen gespeicherten Wassers auf einer Gesamtfläche von etwa 40.000 Quadratkilometern, hauptsächlich in den Polarregionen.

"Anstelle von nur einer Handvoll großer Kältefallen in ‚Kratern mit Namen‘ gibt es eine ganze Galaxie winziger Kältefallen, die über die gesamte Polarregion verteilt sind", sagt Paul Hayne von der Universität von Colorado in Boulder. "Mikro-Kühlfallen sind viel zugänglicher als größere, permanent beschattete Regionen. Anstatt Missionen zu entwerfen, die sich tief in die Schatten wagen, könnten Astronauten und Rover im Sonnenlicht bleiben, während sie Wasser aus Mikrokältefallen extrahieren", sagt der Planetenwissenschaftler und Hauptautor der Studie. Es könnten Hunderte von Millionen oder sogar Milliarden dieser Orte über die Mondoberfläche verstreut sein.

Noch gibt es keine klare Erklärung dafür, wie sich dieses wasserführende Glas gebildet hat. Honniball zufolge stammen sie wahrscheinlich von Meteoriten, die das Wasser entweder beim Aufprall erzeugt oder mitgeliefert haben. Sie könnten auch das Ergebnis uralter vulkanischer Aktivitäten sein.

Die SOFIA-Studie kann auch nicht erklären, warum die Verteilung von Glas vom Breitengrad abhängt oder wie sie sich über einen vollständigen Mondzyklus ändern könnte, sagt der Planetengeologe Clive Neal von der Universität Notre Dame, der an keiner der beiden Studien beteiligt war. Möglicherweise müssen wir aber nicht lange auf diese Daten warten.

Im Vorfeld der Artemis-Missionen, die auch Astronauten zurück auf die Mondoberfläche bringen werden, sollen Robotermissionen der NASA auch den Wassereisgehalt auf dem Mond untersuchen. So soll etwa der Viper-Rover, dessen Start für 2022 geplant ist, nach unterirdischem Wassereis Ausschau halten. Angesichts der neuen Erkenntnisse könnte die NASA beschließen, das Ziel von Viper ein wenig zu ändern, um auch das Oberflächenwasser, die Glasstrukturen unter der Sonne zu untersuchen, und wie gut die Mikrokältefallen das Wassereises erhalten. Neal schlägt zudem vor, dass ein Überwachungssystem für die Mondexosphäre sehr nützlich wäre, um die Geschichte des Wassers auf dem Mond zu enträtseln und herauszufinden, wie ein möglicher Mondwasserkreislauf zu stabilem oder instabilem Wasser an der Oberfläche führt.

(vsz)