Wie Ihr Browser künftig entscheidet, welche Werbung Sie sehen

Google will die personalisierte Werbung im Web umkrempeln. Statt Daten bei ­Adtech-Dienstleistern zu lagern, soll der Browser das Targeting übernehmen.

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(Bild: Lu Liang/Imaginechina via ZUMA Press/dpa)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Bis Ende 2021 will Google Third Party Cookies für Werbezwecke abschaffen. Doch während Apple und die Mozilla Foundation die Möglichkeiten von Werbung schlicht beschneiden, ist das für Google keine Option. Der größte Werbekonzern und zugleich größte Browserhersteller der Welt bemüht sich, im Rahmen seines "Privacy Sandbox"-Projekts Alternativen zum heutigen Tracking-basierten Werbesystem zu schaffen.

Den neuesten Vorschlag hat der Konzern Ende Oktober vorgestellt: Federated Learning of Cohorts – kurz "FLoC". Kernidee des neuen Werbesystems ist es, einen wesentlichen Teil der Personalisierung direkt im Browser stattfinden zu lassen. Über Techniken des Maschinenlernens soll der Browser automatisch ein Interessenprofil bilden, das Nutzer zu "Kohorten" – oder: "Flocks" – zusammenstellt.

Um das System zu verstehen, muss man zunächst den Status quo betrachten. Werbung wird kaum noch pauschal auf Websites gebucht, sondern jedem Nutzer aufgrund des Interessenprofils individuell ausgespielt. Möglich wird dies durch programmatische Echtzeit-Marktplätze, in denen Werbeplatzierungen noch während der Ladezeit im Browser versteigert werden.

Um die notwendigen Interessenprofile aufzustellen, sind Third Party Cookies derzeit unverzichtbar. Besucht ein Nutzer etwa eine Technik-Website, gibt der Browser die Information per Cookie an oft dutzende Werbedienstleister weiter. Aus tausenden solcher Signale entstehen detaillierte Nutzerprofile, für die neben Daten wie Alter und Geschlecht des Nutzers auch sensible Informationen wie Krankheiten oder religiöse Überzeugungen erfasst werden können. Hinzu kommen Datenhändler, die Profilinformationen aus zahlreichen Quellen zusammenfügen und diese mit den Cookie-Profilen vereinigen.

Angesichts des zunehmenden Widerstandes gegen das allumfassende Targeting will Google nun die Interessenprofile in den Browser verlagern. Chrome berechnet aus der Browserhistorie des Nutzers kontinuierlich eine Art Hash-Wert und fasst alle Surfer mit demselben Wert zu einer Kohorte zusammen. Die Kohortenbildung soll verhindern, dass man doch Rückschlüsse über einzelne Nutzer ziehen kann. Angedacht ist eine Mindestgröße von 5000 Nutzern, die sich hinreichend ähnlich sind. Über "Federated Learning" sollen die Nutzerprofile miteinander abgeglichen werden, ohne dass die Rohdaten das Gerät des Nutzers verlassen.

Wichtig auch: Jeder Nutzer ist nur Mitglied einer Kohorte. So können Werbetreibende und Adtech-Dienstleister nicht einzelne Attribute wie Alter oder Geschlecht abrufen und in ihre eigenen Datenbanken integrieren.

Statt exakte Nutzerprofile abzurufen, müssten sich die Werbetreibenden mit dem Wissen über die ganze Kohorte zufriedengeben. Bei Werbetreibenden kommt Googles Initiative daher nicht gut an. Doch angesichts der zunehmenden Anti-Tracking-Maßnahmen sei ein Teilverzicht auf Daten dem kompletten Verlust der Personalisierung vorzuziehen, machte Chetna Bindra, die zuständige Produktmanagerin bei Google, gegenüber c’t deutlich.

Damit das neue System funktioniert, muss Google viele Konkurrenten und Partner vom Wechsel überzeugen. Deshalb stellt Google seine Vorschläge auf GitHub zur öffentlichen Diskussion bereit und nimmt über die Standardisierungsorganisation W3C an einem Fachdialog teil, dem sich mittlerweile auch viele Verbände und Unternehmen aus der Werbebranche angeschlossen haben.

Hier gibt es aber große Vorbehalte. Die Werbewirtschaft will nicht von Branchenschwergewichten wie Google, Apple oder Facebook ausgebootet werden, machte der BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr gegenüber c’t deutlich. Wer sich mit welchen Vorschlägen durchsetzt, muss sich 2021 zeigen.

Dieser Artikel stammt aus c't 24/2020.

(hag)