Berufsbilder: Werden Ingenieure und Informatiker eins?

Seit Jahren nähern sich die Berufsgruppen Ingenieure und Informatiker an. Wie weit geht das und sind Ingenieure die Lösung für den Mangel an Informatikern?

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(Bild: Preechar Bowonkitwanchai/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Klaus Maier ist erst seit wenigen Wochen Professor an der Hochschule Aalen. Davor hat er Biotechnologie und parallel Informatik studiert, dann an der Schnittstelle beider Disziplinen promoviert. Dem folgten verantwortliche Positionen in der System- und Softwareentwicklung in mittelständischen Unternehmen und Konzernen. "Meine Professur für Embedded Software wurde neu geschaffen und ich lehre Studenten der Elektrotechnik die professionelle Entwicklung von Software", sagt Maier.

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Für ihn ist seine Professur an der Schnittstelle von Informatik und Ingenieurwesen auch ein Beleg für die Nähe dieser Disziplinen und deren Annäherung. Ingenieure ohne IT-Kenntnisse sind heutzutage chancenlos am Arbeitsmarkt. Sie müssen sich mit Software auskennen, in der einen Ingenieursdisziplin mehr, in anderen weniger.

Bis vor etwa ein, zwei Jahre verkündeten Unternehmen und Verbände wie der Verein deutscher Ingenieure, VDI, ein gutes Jahrzehnt lang permanent einen Ingenieurmangel. Sogar die Arbeitsagentur sprach von einem Mangel an Ingenieuren mit IT-Wissen, allen voran Ingenieure der Elektrotechnik. Jetzt wird unsere Welt digitalisiert und nun beklagt der Hightech-Verband Bitkom einen Mangel an IT-Fachkräften.

Am Arbeitsmarkt haben Ingenieure ihre bislang herausragende Position an Informatiker verloren. Informatiker sind nun diejenigen, die händeringend in allen Branchen gesucht werden. Vor etwa einem Jahr erreichte laut Bitkom die Zahl der offenen Stellen für IT-Fachkräfte eine neue Rekordmarke von 124.000. Das entspricht einem Anstieg um 51 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Ingenieure könnten eine Teillösung des Problems sein.

Der weltweit größte Automobilzulieferer Bosch qualifiziert Ingenieure aus der Hardware in Software mit dem Ziel, sie anschließend als Software- und Systementwickler einzusetzen. Dabei arbeitet Bosch mit der Universität Stuttgart und der Hochschule Aalen zusammen. "Digitale Kenntnisse kommt grundsätzlich bei nahezu allen Jobprofilen eine wachsende Bedeutung zu, insbesondere in Ingenieurberufen", sagt Vera Winter, verantwortlich für Nachwuchsgewinnung und Talentbindung bei Bosch.

Sie beobachtet seit etwa fünf bis sieben Jahren einen starken Trend an den Hochschulen, dass auch in klassischen Ingenieurstudiengängen wie Elektrotechnik oder Wirtschaftsingenieurwesen Programmier- und Softwarekenntnisse vermittelt werden. "Bei der Besetzung von Stellen für die Entwicklung hardwarenaher Software nehmen wir deshalb gerne Ingenieure mit Abschlüssen in Elektrotechnik, Maschinenbau oder Wirtschaftsingenieure", sagt Winter. Eingesetzt werden sie in der Entwicklung von Software- und Systemlösungen von Fahrerassistenzsystemen, dem automatisierten Fahren sowie der Elektromobilität. Das alles sind hardwarenahe Systeme.

Ingenieur und Informatiker – was unterscheidet sie fachlich hinsichtlich IT? "Die Programmiersprache und damit die eingesetzten Programmierparadigmen", sagt Professor Maier. Ingenieure der Elektrotechnik lernen oft C und C++, Mechatroniker eher C und Matlab, Informatiker C, Java und Python. Die Schnittmenge ist also die weit verbreitete Sprache C. Insbesondere Ingenieure der Elektrotechnik lernen im Studium hardwarenahes programmieren. Die Lernkurve eines Maschinenbauingenieurs, der in die Softwareentwicklung einsteigt, ist deutlich steiler, weil der Informatikanteil in der Ausbildung geringer ist.

Der VDI beobachtet seit etwa einem Jahrzehnt das fachliche Zusammenwachsen von Ingenieuren und Informatikern. "In fast allen Ingenieurstudiengängen steigt seitdem der Anteil an vermitteltem IT-Wissen, sagt Ingo Rauhut, Geschäftsführer des Fachbeirats Beruf und Arbeitsmarkt im VDI. Diese Zunahme ist notwendig, weil etwa im Maschinenbau der Anteil der Wertschöpfung an der Hardware zurückgeht, an der Software aber steigt. "Die Steuerung hat inzwischen den größten Anteil am Wert einer Maschine", sagt Rauhut.

Ähnlich ist das im Automobilbau mit Assistenzsystemen. Beides sind Betätigungsfelder für Ingenieure und Informatiker. In der hardwarenahen IT arbeiten beide und das oft zusammen. Wo Ingenieure selten anzutreffen sind, das sind die klassischen Jobs von Informatikern, etwa der IT-Infrastruktur oder in der Entwicklung und im Betrieb von ERP-Systemen. Das ist das Hoheitsgebiet klassischer Informatiker. Wenn sie in der hardwarenahen Programmierung arbeiten wollen, müssen sie sich einarbeiten wie manche Ingenieure, denn das ist meist nicht Teil ihrer Ausbildung.

Nach Meinung von Rauhut verschmelzen die beiden Berufe Ingenieur und Informatiker nicht, "weil man immer noch Expertenwissen braucht, aber sie nähern sich noch weiter an". Das sieht Maier ähnlich, nicht nur wegen seiner neu geschaffenen Professorenstelle, sondern wegen des Studiengangs der technischen Informatik. Die vereint beide Fachrichtungen in einer Disziplin und wird deshalb auch Ingenieurinformatik genannt.

(axk)