Ausweis: Anti-Morphing-Klausel und Aufnahme von Fingerabdrücken ist fix

Der Bundestag hat für einen Gesetzentwurf gestimmt, mit dem Reisepässe und Personalausweise sicherheitstechnisch weiter aufgerüstet werden sollen.

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(Bild: Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

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Von August 2021 an werden bei der Beantragung eines neuen Personalausweises Abdrücke des linken und rechten Zeigefingers auf dem Funkchip des Dokumentes gespeichert. Zudem muss das Passbild künftig von registrierten Fotostudios ausschließlich digital erstellt und sicher an die Meldebehörde übermittelt werden. Im Rahmen dieses Transfers soll auch die Biometrietauglichkeit der Fotos geprüft werden. Eine Lichtbildaufnahme auf dem Amt wird ebenfalls möglich sein.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf, mit dem Reisepässe und Personalausweise sicherheitstechnisch weiter aufgerüstet werden sollen, hat der Bundestag am Donnerstag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD beschlossen. FDP, die Linke und die Grünen waren dagegen, die AfD enthielt sich.

Das Bundesinnenministerium haben die Abgeordneten mit einem Änderungsantrag am Regierungsentwurf ermächtigt, mit einer Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesrat und anderen Ressorts Details festzulegen "über das Verfahren und die technischen Anforderungen für die Aufnahme, die elektronische Erfassung, die Echtheitsbewertung und die Qualitätssicherung des Lichtbilds". Auch Vorgaben für die sichere Übermittlung des Lichtbilds sowie für automatisierte Abrufe soll das Ressort so machen können.

Zunächst hatte der Entwurf des Innenressorts vorgesehen, dass Passfotos nur noch bei der zuständigen Behörde gemacht werden dürften. Grund ist die Sorge vor Bildmanipulationen vor allem durch sogenanntes Morphing, wobei Bilder von mehreren Gesichtern zu einem verschmelzen. Betreiber von Fotostudios kritisierten das Vorhaben scharf, da sie große Einbußen befürchteten. Innenminister Horst Seehofer (CSU) brachte daher einen Kompromiss ins Spiel.

Für den Fall der Vor-Ort-Aufnahme des Lichtbilds sollen die Gebühren für Pass und Personalausweis um sechs Euro steigen. Die benötigte technische Ausstattung bei den Meldebehörden wird laut den Schätzungen der Regierung mit rund 171 Millionen Euro zu Buche schlagen. Ursprünglich sollte die Technik nur von der Bundesdruckerei bezogen werden dürfen. Die Koalition setzte durch, dass auch andere Lieferanten zum Zuge kommen können, die das Innenministerium bestimmt.

Die Bürger müssten sich auf die Angaben in hoheitlichen Dokumenten verlassen können, betonte der federführende Innenausschuss. Nicht nur die Erkennungsmerkmale des Ausweises, auch der Prozess der Erhebung der notwendigen Daten auf dem Amt habe daher höchsten Sicherheitsanforderungen zu genügen.

Wo ohne Einbußen bei der Sicherheit private Anbieter eingebunden werden könnten, sei von dieser Option "in größtmöglichen Umfang Gebrauch" zu machen, unterstrichen die Innenpolitiker. Auch private Anbieter von Fotokabinen und Selbstbedienungsterminals für Lichtbildaufnahmen sollten ihre Geräte weiter in der Behörde aufstellen dürfen, sofern sie entsprechende Vereinbarungen mit den jeweiligen Gemeinden getroffen haben.

Ermittler erhalten zudem die Befugnis, beim Pass- oder Ausweishersteller die dort zu einer Seriennummer gespeicherten Daten etwa der ausstellenden Behörde zu erfragen. Der bereits rechtlich zulässige automatisierte Lichtbildabruf durch die Sicherheitsbehörden soll auch technisch ermöglicht werden. Daten zum Online-Ausweis beziehungsweise zur elektronischen Identifizierungsfunktion werden künftig bei den Meldebehörden gespeichert.

Für eine Person, die weder männlich ("M") noch weiblich ("F") ist, wird in der visuell lesbaren Zone des Passes fortan ein "X" eingetragen. In der maschinenlesbaren Zone wird dieses durch das Symbol "<" repräsentiert. Um mögliche Diskriminierungen beim Grenzübertritt zu unterbinden, sollen Intersexuelle entscheiden können, ob im Pass beziehungsweise im ausländerrechtlichen Dokument die bisherige oder nunmehr gültige Angabe eingetragen wird.

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Die Geltungsdauer von Kinderreisepässen hat das Parlament im Einklang mit EU-Vorgaben auf ein Jahr verkürzt. Eltern können alternativ einen sechs Jahre gültigen biometrietauglichen Pass für den Nachwuchs beantragen, der aber 24,70 Euro mehr kostet.

Die Bürgerrechtsorganisation Digitalcourage hatte im August eine Petition gegen die Aufnahme von Fingerabdrücken in den Perso gestartet. Die neue Speicherpflicht bedeute, dass es kein offizielles Ausweisdokument ohne diese biometrischen Merkmale mehr gebe. Diese anlasslose Zwangsmaßnahme entspreche den demokratischen Werten nicht. Digitalcourage will nun juristische Möglichkeiten gegen die Auflage ausloten.

Auch Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise zweifelte die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs bei einer parlamentarischen Anhörung an. Er warnte vor dem Aufbau einer unangemessenen Überwachungsinfrastruktur und rügte die EU-Verordnung, auf die das Vorhaben zurückgeht, als unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff.

"Es geht um das Vertrauen in die Echtheit von Ausweisen und Pässen", betonte Josef Oster (CDU) bei der finalen Plenaraussprache. Gemorphte Fotos könnten genutzt werden, um illegale Grenzübertritte verschiedener Personen zu ermöglichen. Es handle sich daher um ein "gutes und notwendiges Gesetz".

Morphing-Fälle bewegten sich im einstelligen Bereich, erläuterte Konstantin von Notz von den Grünen. Die Regierung habe ein funktionierendes System infrage gestellt und greife in die Gewerbefreiheit ein: "Der einzige Gewinner der Reform ist die Bundesdruckerei." Aber just dort gebe es bislang keine vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizierten Foto-Kioske.

(mho)