Spider-Man: Miles Morales im Test: Elektrisch aufgewärmt

Das neue Spider-Man-Spiel für PS5 und PS4 soll ein vollwertiger Nachfolger des überraschend spaßigen Erstlings von 2018 sein. Ob das stimmt, klärt unser Test.

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(Bild: c't (PS5))

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen
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Superhelden-Lizenzspiele mussten früher quasi per Gesetz Gurken sein – spätestens seit den tollen Batman-Asylum-Spielen gilt das zwar nicht mehr, aber 2018 gab es dennoch nochmal eine Überraschung: Das PS4-exklusive Spider-Man war so gut, dass viele es als bestes Spiel des Jahres einstuften. Zwar stapfte die Story in klassisch-trashigen Superhelden-Schmarrn, aber was das Spiel so genial machte, war die Art der Fortbewegung. Mit einem Druck auf die Triggertaste verschießt Spidey Spinnennetze, an denen er durch Manhattans Häuserschluchten schwingt und dabei auch noch Kunststücke turnen kann.

Wo man bei anderen Open-World-Spielen irgendwann genervt vom lahmen Herumgelatsche nur noch die Schnellreisefunktion verwendet, gehört bei Spider-Man der Weg von A nach B zum Kern-Spielspaßelement. Ebenfalls gelungen war das sehr abwechslungsreiche Kampfsystem, das mit unzähligen Gadgets nie langweilig wurde. Zusätzlichen Charme versprühte der sympathische Protagonist, der keiner Fliege was zuleide tun kann (er tötet nicht, er verpackt die Schurken in Spinnennetzen) und ehrenamtlich im Obdachlosenheim arbeitet.

Die Fake-Spiegelungen (rechts) sehen fast spektakulärer aus als die echte Ray-Tracing-Reflektion.

(Bild: c't (PS5))

Das ändert natürlich auch Spider-Man: Miles Morales für PS4 und PS5 alles nicht, im Gegenteil: Das Spiel, das parallel für PS5 und PS4 erscheint, funktioniert fast exakt genauso wie der Vorgänger und sieht auch nahezu genauso aus. Die Konsolenversionen unterscheiden sich auf den ersten Blick wenig voneinander. Manchmal hat man sogar den Eindruck, dass das in den Hochhaus-Fenstern reflektierte Manhattan auf der PS4 etwas spektakulärer wirkt als bei der PS5. Guckt man genauer hin, merkt man allerdings, dass bei der PS4 mit statischen Fototapeten getrickst wird – die eigene Spielfigur spiegelt sich nicht in den Fenstern. Auf der PS5 dagegen reflektiert dynamisch die komplette Umgebung (inklusive Spider-Man) – und obendrein kann man durch die Fenster auch noch durchgucken.

Hier kommt Raytracing zum Einsatz, eine Funktion, die es bislang nur bei (wenigen) PC-Spielen zu bestaunen gab. Die tollen Spiegelungen gibt es auf der PS5 jedoch nur im "Bildqualität"-Modus, in der "Leistung"-Betriebsart gibt es zwar geschmeidige 60 fps, aber leider die gleichen Fake-Spiegelungen wie auf der PS4. Was bei der PS5-Version jedoch klar besser ist: Der Dualsense-Controller macht ordentlich Vibrations-Rabatz, außerdem kommt beim Schwingen auch der variable Widerstand der Trigger-Taste zum Einsatz. Schon nach wenigen Minuten will man ohne nicht mehr spielen. Schön ist auch, dass es quasi keine Ladezeiten gibt. Vor einigen Missionen muss man allerdings ziemlich lange durch langweilige Lüftungsschächte krabbeln, das könnte mit kaschierten Ladezeiten zu tun haben.

In einigen Zwischensequenzen wirken die Charaktermodelle sehr detailliert, in anderen eher hölzern.

(Bild: c't (PS5))

Als Nachwuchs-Spiderman-Verkörperer darf im zweiten Spiel nun Miles Morales ran, der schon im ersten Spiel zeitweise spielbar war – dort aber eher nervte, weil man in diesen Sequenzen außer Schleichen und Verstecken nichts tun konnte (und man spielt Superhelden-Spiele ja, weil man hier Dinge macht, die in der echten Welt nicht gehen). Fachgerecht ausgebildet von Peter Parker ist er nun in Sachen Schwingen und Kloppen fast genauso kompetent wie die Senior-Spinne (charmant: man sieht in den Animationen, dass Miles noch etwas unsicher ist). Und weil zwei Spider-Mans nicht so gut in die Story passen, verabschiedet sich Peter Parker am Anfang des Spiels einfach in den Arbeitsurlaub: Seine Journalisten-Freundin recherchiert in Übersee und Peter geht als Fotograf mit – ob er an Superhelden-Burnout leidet?

Wie im ersten Teil darf man im Fotomodus auch wieder Selfies knipsen.

(Bild: c't (PS5))

Insomniac Games hat sich sichtlich Mühe gegeben, den zweiten Teil nicht wie ein DLC des Erstlings wirken zu lassen. So erstrahlt Manhattan nun als winterliche Schneelandschaft statt wie zuvor im Sommer. Außerdem beherrscht Miles nun Venom-Attacken, die primär mit elektrischer Energie funktionieren. Elektrik ist ohnehin ein wichtiges Thema: Die primäre Widersacher-Gruppe namens "The Underground" arbeiten mit leuchtenden Rüstungen, die aussehen wie Gaming-Gehäuse mit RGB-LEDs – der neon-bunte Cyberpunk-Look ist offenbar in diesem Jahr schwer angesagt (woran das wohl liegt?).

Außerdem wurden die Stealth-Funktionen ausgebaut. Schon im ersten Teil konnte man Gegner unerkannt ausschalten, das ging aber meist nur kurzzeitig gut und man musste dann "laut" weitermachen. Miles Morales kann sich nun auch während einer Klopperei unsichtbar machen, sich verstecken und anschließend wieder im Stealth-Modus Gegner einspinnen. Das klappte so beim Vorgänger nicht.

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Die Minigames und Sammelaufgaben sind ebenfalls leicht verändert: Statt wie im ersten Teil 2D-Verschiebepuzzles erledigt Miles nun kleine Physikrätsel direkt in der Spielwelt, zum Beispiel versorgt er Geräte mit leitfähigen Spinnennetzen mit Strom. Häufig wirkt das jedoch verwirrend, weil das Spiel einem manchmal nicht mitteilt, warum man jetzt gerade zwei Punkte nicht verbinden kann. Statt Fotos knipsen ist nun das Aufspüren von Audiosamples eine Sammelaufgabe – schließlich ist Miles‘ Hobby das "Mischen von Beat" wie es in der etwas schlampigen deutschen Übersetzung heißt. Dass Miles Hip-Hop-Fan ist, spiegelt sich auch im Soundtrack wider: In den orchestralen Score mischen sich immer mal Beat-Fetzen – nett.

Dieses Jahr steht im Zeichen von Cyberpunk, sogar bei Spider-Man.

(Bild: c't (PS5))

Spider-Man: Miles Morales kostet 60 Euro – in der Preisstruktur der neuen Konsolen-Generation bedeutet das, dass es sich um kein Vollpreis-Spiel handelt (das wären 70 oder 80 Euro). Statt 25 Stunden wie beim ersten Teil ist man mit Miles Morales deutlich kürzer beschäftigt. In unserem Test haben wir in 12 Stunden die Hauptstory beendet sowie einige Nebenquests und Sammelaufgaben absolviert. Laut der internen Fortschrittsanzeige entspricht das 68%. Über den Daumen gepeilt ist Miles Morales rund halb so umfangreich wie sein Vorgänger.

Ganz klar: Fans des ersten Spider-Man-Teils werden auch Miles Morales lieben. Allerdings würde man sich – gerade nach den drei DLCs, die auch viel vom Gleichen boten – einen Nachfolger mit ein paar mehr Überraschungen wünschen. Miles Morales hat andere Minigames, mehr Stealth und neue Kampfmoves – aber es fühlt sich nicht an wie ein neues Spiel und sieht vor allem nicht so aus. Und das ist gerade im Hinblick auf den Wechsel auf eine neue Konsolengeneration ein bisschen schade. Dennoch: Die Raytracing-Spiegelungen sehen echt hübsch aus.

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(jkj)