Bit-Rauschen: Intels Nemesis Apple M1, AMD-Engpässe

Apple stellt den hausgemachten ARM-Prozessor M1 vor und AMD freut sich über wachsende Marktanteile, kommt aber bei der Nachfrage kaum hinterher.

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Nun ist die Katze aus Apples Sack: Der hausgemachte ARM-Prozessor Apple M1 mit vier starken und vier effizienteren Kernen verdrängt Intels x86-Technik aus MacBook Air 13", MacBook Pro 13" und Mac mini. Mancher Beobachter erkennt darin den Anfang von Intels Ende – und es sind auch keine guten Nachrichten für AMD und Nvidia. Denn Apple setzt ab sofort auch auf die eigene Mobil-GPU im M1.

Die spannende Frage ist nun, ob Apple damit eine Trendwende weg von x86-Prozessoren einläutet. Vielleicht koppelt sich Apple auch bloß selbst noch weiter von der sonst üblichen Arbeitsteilung zwischen Chipentwicklern, Betriebssystemprogrammierern und PC-Konstrukteuren ab.

Bisher ist kein anderer ARM-Prozessor für Notebooks in Sicht, der es mit dem M1 aufnehmen kann. Zwar hat ARM kurz vor der M1-Enthüllung noch den Cortex-A78C als Variante vom A78 und Cortex-X1 angekündigt und bald werden neue ARM-Flaggschiffe von Qualcomm (man munkelt vom Snapdragon 875) und Samsung (wohl Exynos 1080) erwartet, vielleicht mit acht starken Cortex-Kernen. Ob und wann sie jedoch in Windows-Notebooks, Chromebooks oder gar Linux-Laptops auftauchen, steht in den Sternen.

Mit 16 Milliarden Transistoren gegen Intel: Apple schickt den M1 mit vier starken und vier effizienteren ARM-Kernen ins Rennen. Auch das RAM (rechts) sitzt beim M1 auf dem CPU-Package.

(Bild: Apple)

Es ist schließlich kein Zufall, dass das finanzstärkste Unternehmen der Welt – nämlich Apple – auch die bisher leistungsfähigsten ARM-Chips für Notebooks entwickelt hat: Qualcomm hinkt bei der Performance bisher deutlich hinterher, trotz jahrelangem Vorsprung bei der ARM-Chipentwicklung. Das Design selbst optimierter ARM-Rechenwerke hat Qualcomm weitgehend an den Nagel gehängt, obwohl man auf mehrere Generationen hauseigener "Kryo"-Kerne sehr stolz war. Nun steckt größtenteils ARM-Standardware drin; ähnlich lief es bei Samsung.

Auch bei ARM-Chips für Server hat sich mit Amazon ein milliardenschwerer Riesenkonzern an die Spitze gesetzt, die meisten anderen Firmen brachen die Entwicklung eigener Kerne ab. Für ARM-Notebookchips könnte das bedeuten, dass außer Apple vielleicht noch IT-Giganten wie Microsoft und Google superschnelle CPU-Designs auf die Beine stellen können – Qualcomm und Samsung aber nicht. Die großen Notebookhersteller wie Dell, HP und Lenovo könnten dann nicht so leicht von AMD und Intel zu ARM desertieren. Für Microsoft wären ARM-Chips außer für Notebooks auch noch für Spielkonsolen und Server interessant – Gerüchte in dieser Richtung gab es immer wieder.

Intel muss derweil eine weitere überraschende CPU-Sicherheitslücke stopfen: Diesmal haben Sicherheits-Cracks mit der Leistungsmessfunktion RAPL herumgespielt, um dem Prozessor darüber geheime Daten zu entlocken. Zu den Entdeckern der Sicherheitslücke namens Schnabeltier gehören auch "die üblichen Verdächtigen" von der TU Graz und dem CISPA, also Moritz Lipp, Daniel Gruss und Michael Schwarz, die man schon von Spectre kennt.

Apples M1 und das Platypus-Loch haben Intels Aktienkurs kaum beeinflusst, anders als die Präsentation der Quartalszahlen Ende Oktober. Besonders die Aussicht, dass Intel trotz teurer eigener Halbleiterwerke möglicherweise die Fertigung einiger 7-Nanometer-Chips an Zulieferer outsourcen muss, kam an der Börse nicht gut an. Was bleibt dann noch von Intels einstiger Stärke?

AMD sonnt sich unterdessen im Glanz von Zen 3, Spielkonsolen und den starken Radeon-RX-6000-Grafikchips. Wenn letztere tatsächlich lieferbar sind, dürften die Umsätze weiter steigen und mancher Nvidia-Fan schwach werden, der erfolglos nach GeForce-3000-Karten im Einzelhandel sucht. Und auch bei Notebookprozessoren hat AMD mittlerweile über 20 Prozent Marktanteil, so viel wie noch nie.

So ganz glatt läuft es bei AMD aber nicht überall: Schon im Juli wurden attraktive Ryzen-4000G-Kombiprozessoren mit vier bis acht Zen-2-Kernen und integrierter Grafik für günstige Computer und Office-PCs angekündigt, doch kaufen kann man kaum welche. AMD hatte Privatleute zwar vertröstet und wollte angeblich zunächst nur Pro-Typen für Bürocomputer von HP, Dell und Lenovo liefern, aber bisher hat lediglich HP den Elitedesk 805 G6 angekündigt – und auch der ist nicht lieferbar.

Anscheinend haben die eng verwandten "Renoir"-Notebookchips Ryzen 4000U Vorrang, wohl weil die Nachfrage dank des Homeoffice-Booms dabei höher liegt. Als Ryzen Embedded V2000 alias "Grey Hawk" kommen nun auch Renoir-Ableger für Embedded Systems. Bleibt zu hoffen, dass AMD genügend Chips vom Zulieferer TSMC beschaffen kann, um die wachsende Käuferschar nicht zu enttäuschen.

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(ciw)