Autovernetzung: USA schicken 11p-WLAN in Rente

Die Regulierungsbehörde FCC entzieht der Autovernetzung auf WLAN-Basis das Funkspektrum. In Europa hat sich besonders VW für die Technik stark gemacht.

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(Bild: 5GAA)

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Von
  • Dusan Zivadinovic
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Die US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) hat ihren schon im Dezember 2019 angekündigten Plan umgesetzt: Sie entzieht der Autovernetzung pWLAN (IEEE-Spezifikation 802.11p) nach einer langen Anhörungsphase das Funkspektrum.

Das betrifft zwar nur die USA, aber die Entscheidungen der FCC haben oft wegweisenden Charakter für andere Regulierungsbehörden. In Europa zieht der Schritt besonders deshalb Aufmerksamkeit auf sich, weil die Autoindustrie in zwei Lager gespalten ist: Einige Unternehmen, darunter der weltgrößte Autokonzern Volkswagen, setzen auf 11p, während andere die moderne Mobilfunktechnik C-V2X vorziehen (Cellular Vehicle-to-Everything). C-V2X gründet auf den Mobilfunktechniken LTE und 5G.

Der Hauptanlass zur Entwicklung der beiden Methoden ist die Senkung der Zahl der Verkehrstoten und überhaupt die Risikominimierung im Straßenverkehr. Dafür warnen sich Fahrzeuge gegenseitig vor Gefahrensituationen wie plötzlichem Bremsen, unübersichtlichen Baustellen oder Glatteis und melden, wenn etwa ein Rettungswagen den Weg kreuzt. 11p und C-V2X sind aber nicht kompatibel, und das ist die Crux: Forschung und Politik weltweit sind nämlich überzeugt, dass für die Autovernetzung eine einheitliche Spezifikation erforderlich ist.

Denn die Effizienz der Vernetzung hängt unmittelbar von der Verbreitung ab und zwei oder mehr konkurrierende Techniken mindern ihre Verbreitungen gegenseitig. Daher haben die Regulierungsbehörden weltweit für den Dienst nur ein spezielles Funkband bei 5,9 GHz reserviert; in den USA geschah das bereits 1999 (Dedicated Short-Range Communications, DSRC). Anders als etwa beim Mobilfunk war es aber nicht technologieneutral vergeben, sondern ausdrücklich an 11p gebunden.

Die FCC hat sich nun neu festgelegt: Laufende Projekte haben jetzt ein Jahr Zeit, den Bereich von 5850 MHz bis 5895 MHz zu räumen und in die oberen 30 MHz umzuziehen (5895 bis 5925 MHz). Dort ist jetzt C-V2X Pflicht. Die freigewordenen 45 MHz sind umgehend für den unlizenzierten Betrieb in Gebäuden freigegeben. Praktisch läuft das auf eine Vergrößerung des WLAN-Funkbands hinaus. In den USA wächst das 5-GHz-Band so auf 160 MHz Breite, was besonders der WLAN-Spezifikation 802.11ax zugutekommt (Wi-Fi 6). Außerdem nimmt die FCC Stellungnahmen für die Nutzung der 45 MHz unter freiem Himmel entgegen.

Die Regierungen in den USA haben die Autovernetzung im Laufe der Zeit unterschiedlich gehandhabt. Lange Zeit überließ man dort (und auch anderswo auf der Welt) die Implementierung der 11p-Technik der Autoindustrie und die wiederum der Nachfrage der Kunden. Die Nachfrage blieb jedoch weitgehend aus. Später wollte die Obama-Regierung pWLAN verpflichtend machen. Die Regierung unter Trump stellte sich dagegen. Den ersten Schuss vor den Bug feuerte die FCC aber schon 2015 ab. Auch die EU-Kommission wollte 11p zur Pflicht machen. Das Vorhaben hat aber eine Mehrzahl der Mitgliedsländer im Sommer 2019 gestoppt, darunter Deutschland.

Die oft alternativ verwendete Bezeichnung pWLAN ist abgeleitet von der IEEE-Spezifikation 802.11p. In den USA läuft der Autovernetzungsdienst unter der Bezeichnung DSRC (Dedicated Short-Range Communications). Die EU-Kommission treibt die Autovernetzung unter dem Titel Cooperative Intelligent Transportation Systems (C-ITS) voran, mindestens bis 2019 ebenfalls auf Basis der 11p-Technik.

China bevorzugt hingegen schon lange C-V2X und damit LTE und 5G. In Deutschland stützen beispielsweise Audi, BMW, Daimler oder auch die Deutsche Telekom C-V2X. VW hatte bereits 2017 einen Golf mit 11p- beziehungsweise pWLAN-Technik angekündigt. Es sollte aber bis zum Sommer 2020 dauern, bis erste Golf-Exemplare mit dem Autofunk auf die Straße kamen. Im Test hinterließ das Fahrzeug einen positiven Eindruck.

Manche Funkspezialisten sehen 11p jedoch als Sackgasse. Sie monieren vor allem das schwache Funkkonzept, das keine Vorkehrungen gegen Störungen bei gleichzeitiger Nutzung des Funkbands vorsieht. Wenn aber zwei oder mehr Fahrzeuge 11p-Nachrichten gleichzeitig abschicken, kommt es zu Kollisionen, sodass die Nachrichten nicht zugestellt werden. Die Kollisionen nehmen mit zunehmender Fahrzeugdichte zu. Bei Funktechniken, die eine koordinierte Zuteilung von Funkressourcen verwenden, also etwa LTE oder 5G, kommen Kollisionen erst bei Überlastung einer Funkzelle vor. Weil für C-V2X ebenso wie für 11p der separate Bereich bei 5,9 GHz verwendet wird, sind Störungen durch LTE- oder 5G-Smartphones ausgeschlossen.

Allerdings ist auch C-V2X nicht frei von Kritik. Um die erwünschten kurzen Signallaufzeiten zu erreichen, müssten die Basisstationen entsprechend aufgerüstet werden. Offen ist, wie teuer das wird und wer das finanziert. Unklar ist auch, wie eine Basisstation Autos mit fremden SIM-Karten erreichen soll, also etwa wie eine Vodafone-Basis Nachrichten an Autos mit Telekom- oder Telefónica- oder gar mit ausländischen SIM-Karten zustellen soll.

Die Entscheidung der FCC fiel bereits Ende Oktober. Öffentlich einsehbar ist sie erst seit Mitte November:

FACT SHEET: Modernizing the 5.9 GHz Band

(dz)