Schweiz: 5G – Technischer Fortschritt vs. Gesundheitsbedenken

Die Schweizer wollen 5G, auch wenn es Bedenken wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung gibt. Der Lobby-Verband CHANCE5G will 5G rasch verfügbar machen.

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(Bild: TPROduction/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Tom Sperlich
Inhaltsverzeichnis

Die Bevölkerung der Schweiz kennt und will zum allergrößten Teil 5G, die neue Generation der Mobilfunktechnologie. Dies ergab der "Mobilfunkmonitor 2020", eine repräsentative Umfrage, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. In Auftrag gegeben wurde die Studie vom Interessenverband "CHANCE5G", erst im Sommer 2020 gegründet, "um der breiten Öffentlichkeit Zugang zu relevanten Informationen über 5G zu bieten" und den Aufbau der 5G-Infrastruktur voranzutreiben. Seit geraumer Zeit greifen in der Schweiz abwägende Diskussionen um Nutzen und Risiken von 5G erheblich um sich, und eine "lautstarke Minderheit bremst den Ausbau des 5G-Netzes aus" (Chance5G).

So wollte man nun den (stimmberechtigten) Bürgerinnen und Bürgern der Schweiz auf den Zahn fühlen, wie sie es denn im Allgemeinen halten mit 5G. Beachtliche 84 Prozent haben demnach schon von 5G gehört oder gelesen, nur 11 Prozent wissen nichts über die neueste Technologie, die ja nicht nur verbessertes Videostreaming bringen wird, sondern auch die nationalen wirtschaftlichen Infrastrukturen auf Trab bringen soll.

Laut gfs.bern, ein Meinungsforschungsinstitut, das die Studie durchführte, sei 84 Prozent Bekanntheitsgrad "ein ausgesprochen hoher Wert für eine Technologie, welche aktuell von einem marginalen Anteil der Schweizer Bevölkerung überhaupt genutzt wird". Das große Interesse an 5G führe zu "einer entsprechend hohen generellen Aufmerksamkeit", was gfs "hauptsächlich bei Technologien in frühen Entwicklungsphasen mit sehr hohem Problemdruck oder sehr hoher Nutzenerwartung beobachtet".

Beurteilung Mobilfunkstandard 5G

(Bild: gfs.bern)

Laut der Umfrage glaubt zwar die Schweizer Bevölkerung auf der einen Seite, dass bei 5G im Endeffekt die Vorteile überwiegen, "ausschließliche Vorteile" sehen aber dennoch nur 9 Prozent der Befragten. "Eher Vorteile" ortet die größte Gruppe mit 45 Prozent. 16 Prozent sehen "gleichermaßen Vor- und Nachteile" und "eher" oder "ausschließliche Nachteile" glauben immerhin 24 Prozent auszumachen.

Doch auf der anderen Seite bestehen auch verbreitete Vorbehalte in der Bevölkerung hinsichtlich des 5G-Netz-Auf- bzw. Ausbaus, denn Zweifler und Gegner befürchten gesundheitliche Beeinträchtigungen. Laut gfs steht bei vielen Befragten eine generelle Skepsis gegenüber schädlichen Auswirkungen der gesamten Mobilfunktechnologie "breit im Raum". Dass "elektromagnetische Strahlung von Mobilfunk zu Gesundheitsproblemen führen kann", damit sind 29 Prozent der Befragten voll einverstanden, 42 Prozent eher einverstanden und 22 Prozent eher oder gar nicht einverstanden.

Fast ebenso viele Befragte (67 Prozent eher/voll, 23 Prozent eher/gar nicht) glauben, dass "es insbesondere Menschen gibt, welche diese Strahlung spüren".

Beurteilung Aussagen Mobilfunknetz

(Bild: gfs.bern)

Bezogen auf das vor allem umstrittene 5G allein (siehe Abbildung "Beurteilung Aussagen zu 5G" weiter unten), sind sogar 78 Prozent überzeugt (sehr 38 Prozent, eher 40 Prozent), dass "die gesundheitlichen Risiken der 5G-Technologie noch nicht ausreichend erforscht wurden".

Doch ebenfalls "sehr deutlich", so die gfs, wird laut der Umfrage die Ansicht geteilt, "dass die Schweizer Grenzwerte für Mobilfunk vor Gesundheitsrisiken schützen" (67 Prozent eher/voll, 24 Prozent eher/gar nicht).

Allerdings gibt es hier auch einen wesentlichen Knackpunkt bezüglich des 5G-Netzausbaus, da die Telekom-Branche und die Wirtschaftsverbände gerne weniger scharfe Grenzwerte sähen. Denn wenn die Anlagengrenzwerte laut Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV) so verbleiben, müssten zu den jetzigen Antennenstandorten zusätzliche 26.500 Antennen hinzukommen plus eine Nachrüstung von 5.000 bestehenden Anlagen, um ein flächendeckendes 5G-Netz zu betreiben, so errechnete es eine Arbeitsgruppe des Bundesamts für Umwelt BAFU. Bei strengeren Anforderungen in der NISV an Kleinzellenanlagen und adaptive Antennen würde sich diese Zahl sogar auf 46.500 zusätzliche Anlagen erhöhen.

Doch bereits vor längerem beschlossen die kleine Kammer des Schweizer Parlaments (der Ständerat), als auch der Bundesrat im vergangenen Frühjahr, keine Erhöhung der Anlagengrenzwerte nach NISV vorzunehmen.

Dass jedoch moderne Mobilfunkanlagen notwendig sind, befürworteten in der gfs-Umfrage zusammengenommen 81 Prozent. Eine breite Mehrheit (88 Prozent) ist überzeugt, dass vor allem Unternehmen und Gewerbe ein leistungsfähiges und sicheres Mobilfunknetz brauchen.

Und beim modernsten Netz sehen die meisten befragten Bewohner der Schweiz laut der Studie an erster Stelle die Vorteile wie schnellere/bessere Internetverbindung, höhere Kapazität und technologische Verbesserungen, erläutert die gfs. Erst auf sichtbar tieferem Niveau werden an zweiter Stelle Elemente wie gesundheitliche Risiken und erhöhte Strahlungswerte genannt, schreibt gfs.

Beurteilung Aussagen zu 5G

(Bild: gfs.bern)

Der Auftraggeber "CHANCE5G" wurde initiiert und wird finanziert vom Dachverband der Telekom-Industrie (asut) und seinen Mitgliedern – großen Unternehmen wie Swisscom, Sunrise, Ericsson, Huawei und Cellnex. Der Lobby-Verband CHANCE5G stützt sich außerdem auf eine Trägerschaft von Persönlichkeiten – auch Botschafter genannt – aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Zu letzteren gehören Parlamentarier aus allen Parteien – außer den Grünen. Auch diverse Verbände wie das Konsumentenforum, der Dachverband der ICT-Wirtschaft, der Gewerbeverband und Hotelleriesuisse gehören zur Trägerschaft.

Unklar allerdings dürfte manchen Menschen in der Schweiz bleiben, warum einer der Botschafter von CHANCE5G (und ausgerechnet einer seiner wissenschaftlichen Berater) Rolf Vogt, Professor und Dozent für Elektrotechnik und Informationstechnologie an der Berner Fachhochschule, sich mit einer schwer nachzuvollziehenden Aussage weit vorwagt: "5G unterscheidet sich technisch und in seiner Wirkung kaum von 4G und WLAN, sodass die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse weiterhin ihre Gültigkeit haben. (...) Die falsch kolportierten Aussagen und geschürten Ängste rund um 5G gilt es richtigzustellen." Deshalb greift der Lobby-Verband nun an und startete eine Petition an die Regierung, worin CHANCE5G vom Bundesrat fordert, dass 5G "in der ganzen Schweiz zum Wohle aller rasch und in hoher Qualität verfügbar gemacht wird".

(bme)