Hintergrund: Bezahl-Web -- Springer, geh du voran...

Im Internet kann man nach einem ungeschriebenen Gesetz der Branche nur für zwei Dinge Geld verlangen: harte Finanzinformationen und Sex.

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Von
  • Christoph Dernbach
  • dpa

Im Internet kann man nach einem ungeschriebenen Gesetz der Branche nur für zwei Dinge Geld verlangen: harte Finanzinformationen und Sex. Internet-User sind demnach nicht bereit, für andere Inhalte wie Sportnachrichten oder harmlosere Unterhaltungsangebote zu zahlen. Den designierten Chef der Axel Springer Verlags AG, Mathias Döpfner, schreckt dies nicht ab, künftig für Online-Informationen und Entertainment aus dem Hause Springer Geld zu verlangen. "Wir werden mit Bild.de Inhalte im Internet kostenpflichtig machen", kündigte Döpfner an.

Der Axel Springer Verlag hat seit über fünf Jahren Millionenbeträge in die Online-Präsenz der Gruppe gesteckt, ohne dass schwarze Zahlen jemals in Sicht waren. Verschiedene Projekte wie der Regionaldienst "GO ON", mit denen sich Springer an die Spitze der deutschen Online-Medienbranche setzen wollte, scheiterten. Hoffnungen auf riesige Umsätze durch Online-Werbung oder den elektronischen Handel bewahrheiteten sich nicht. Nun versucht der Medienkonzern, das traditionelle Geschäftsmodell aus der Print-Welt in das Netz zu übertragen. Wer interessante, spannende oder nützliche Inhalte online sehen möchte, soll dafür auch zahlen.

International gibt es nur ganz wenige Online-Angebote, die den Web-Surfern so attraktiv erscheinen, dass sie bereit sind, dafür zu bezahlen. Vorzeigebeispiel ist das Web-Angebot des Wall Street Journal, das inzwischen knapp 600.000 Abonnenten gewonnen hat. Sie zahlen im Jahr 59 US-Dollar für hochwertige Wirtschaftsnachrichten. Abonnenten der Printausgabe können sich bereits für 29 US-Dollar bei www.wsj.com einloggen. Über 500.000 Online-Abonnenten konnte auch Consumer Reports Online gewinnen. Hier können Verbraucher für 24 US-Dollar im Jahr Testberichte nach dem Muster der Stiftung Warentest abrufen.

Den wenigen erfolgreichen Bezahlangeboten im Netz steht eine lange Liste von gescheiterten Versuchen entgegen, für attraktive Onlineangebote Geld zu verlangen. In den USA gaben renommierte Zeitungen wie die Washington Post oder die New York Times entsprechende Pläne wieder auf. Auch der finanzkräftige Softwaregigant Microsoft konnte nicht genügend Internet-User davon überzeugen, für den Zugriff auf den aufwendig gestalteten Dienst Slate die Kreditkarte zu zücken. Slate-Chefredakteur Michael Kinsley empfiehlt heute den Anbietern von Inhalten, sich eher am Vorbild des Privatfernsehens zu orientieren und die Dienste durch Online-Werbung zu finanzieren. Da jedoch zu viele Werbetreibende um einen zu kleinen Werbemarkt kämpfen, hilft der Ratschlag von Kinsley vielen Onlineanbietern auch nicht richtig weiter.

Der Axel Springer Verlag zählt beim Versuch, seine Web-Angebote kostenpflichtig zu machen, nun auf T-Online, den Kooperationspartner von Bild.de. Das Springer-Angebot bei T-Online soll nicht der einzige Bezahl-Bereich bei der Telekom-Tochter werden. Thomas Holtrop, der Chef von Deutschlands führendem Internet-Provider, möchte insbesondere für die TV-ähnlichen Breitband-Inhalte auf dem Portal T-Vision die Hand aufhalten. Das Bild.de-Angebot bei T-Online wird nicht nur mit "exklusive" Nachrichten, Promi-Chats und Spielen versuchen, die bisherige Zahlungsverweigerung der Internet-Anwender zu überwinden. Peter Würtenberger, Chef von Bild.de, kündigte in einem Interview an, die Kunden auch mit Erotik locken zu wollen. Und damit nähert sich Bild.de auch wieder der Branchenweisheit "Sex sells" an. (Christoph Dernbach, dpa) / (jk)