Drohnenkrieg via Ramstein: Klagen jemenitischer Opferangehöriger abgeschmettert

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gab der Bundesregierung Recht und zeigte Angehörigen von Opfern im Jemen die kalte Schulter.

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(Bild: sibsky2016 / Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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Die Bundesregierung hat genug getan, um Leib und Leben von Zivilisten zu schützen, die Opfer des über die US-Airbase Ramstein geführten Drohnenkriegs wurden. Das entschied das Budnesverwaltungsgericht in Leipzig und hob damit ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster vom vergangenen Jahr auf.

Das OVG hatte drei Klägern aus dem Jemen, die 2012 zwei Angehörige verloren hatten, insoweit Recht gegeben, dass es "gewichtige Anhaltspunkte" für Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen durch den US-Drohnenkrieg gebe und die Regierung ihrer Schutzpflicht gegenüber den Opfern der über Ramstein abgewickelten Drohnenangriffen nur unzureichend nachgekommen sei.

Die Leizpiger Richter zogen schon die Auffassung in Zweifel, dass durch die Nutzung von Ramstein als Relaystation für die Drohnenangriffe überhaupt ein "qualifizierter Bezug zum deutschen Staatsgebiet" entsteht. Dafür reiche es nämlich nicht aus, "dass der Datenstrom für die Steuerung der im Jemen eingesetzten Drohnen über Glasfaserkabel von den USA aus zur Air Base Ramstein übermittelt und von dort aus mittels einer Satelliten-Relaisstation an die Drohnen gefunkt wird", heißt es vom BVerwG.

Dass in Ramstein über den "reinen Übermittlungsvorgang" auch Informationen ausgewertet werden, dafür sei die Vorinstanz den Nachweis schuldig geblieben, monierten die Richter.

Ehemalige US-Drohnenpiloten haben demgegenüber immer wieder darauf hingewiesen, dass es den US-Drohnenkrieg in der jetzigen Form ohne Ramstein nicht gäbe. Die konstitutive Rolle der Airbase hatten die Kläger, Faisal bin Ali Jaber, Ahmed Saeed bin Ali Jaber und Khaled Mohmed bin Ali Jaber, zur Klage bewogen. Sie wollten die Bundesrepublik auffordern, die aus ihrer Sicht illegalen Drohnenangriffe zu unterbinden, die bis heute die Zivilbevölkerung vor Ort in Angst und Schrecken versetzen.

Erstaunlich liest sich eine weitere Begründung der Leipziger Richter zur Fraglichkeit einer Schutzpflicht für die Bundesregierung. Die entstehe nämlich erst, „wenn aufgrund der Zahl und der Umstände bereits eingetretener Völkerrechtsverstöße konkret zu erwarten ist, dass es auch in Zukunft zu völkerrechtswidrigen Handlungen kommen wird, durch die grundrechtliche Schutzgüter beeinträchtigt oder gefährdet werden.“

Bewaffnete Drohnen

Ob das Gericht die Zahlen der "Kollateralschäden" des ausgeweiteten Drohnenkriegs bekannt waren, ist unklar. Die US-britische Organisation Reprieve, die die Kläger gemeinsam mit dem European Center of Constitutional Rights (ECCHR) unterstützt, geht allein im Drohnenkrieg in Afghanistan und Pakistan von fast 5000 Opfern aus, darunter 250 Kindern.

Natürlich seien die klagenden Familien enttäuscht, sagte Andreas Schüller, Leiter Programmbereich Völkerstraftaten und Rechtliche Verantwortung beim ECCHR, nach der Verhandlung.

Die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Menschen, die im immer weiter ausgedehnten Einsatzgebiet der US-Drohnenangriffe via Ramstein leben, bleibe bestehen, sagte Schüller gegenüber heise online. Er ist überzeugt, dass die bisherigen Bemühungen der Regierung bei der Prüfung möglicher Völkerrechts- und Grundrechtsverletzungen nicht ausreicht.

"Drohnenangriffe sind völkerrechtswidrig. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig verkennt die Bedeutung der Grundrechte. Ein Staat, der sein Territorium für Militäreinsätze zur Verfügung stellt, muss Völkerrecht und Menschenrechte stärker durchsetzen als es die Bundesregierung macht", sagte Schüller. Die Kläger prüfen nun die Aussichten einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Während der Verhandlung hatten die Vertreter des Justizministeriums zusätzlich zu den bisherigen Dialogen mit US-Diplomaten auch an die US-Seite übermittelte schriftliche Vermerke zu einzelnen Fragen angeführt. Diese Vermerke sind freilich geheim. Weder Kläger noch Richter wissen, was darin steht.

Aus Sicht der Richter hat die Bundesregierung ihren Schutzpflichten, soweit diese überhaupt bestehen – da legte sich das Gericht nicht fest – Genüge getan.

"Sie ist nicht untätig geblieben", erklärte das Gericht, sondern habe sich entschieden "in Konsultationen mit den USA einzutreten und hierbei auch rechtliche Fragen zu thematisieren, die der Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge aufwirft." Man habe sich schließlich die Zusicherung von den USA machen lassen, "dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit geltendem Recht erfolgen", schreiben die Richter. Ob die Bundesregierung diese Zusicherung auch für die Aktivitäten der USA im Jemen erhalten konnte, geht aus der Pressemitteilung nicht hervor.

Die Richter räumen allerdings in dem Urteil freimütig die politische Dimension der Klage ein. Weitergehende Schritte wie die "von den Klägern letztlich geforderte Kündigung der völkervertraglichen Grundlagen für die Nutzung der Air Base Ramstein" wäre massiv nachteilig für Bündnis-, Außen- und Verteidigungspolitik der Bundesregierung, entschieden die Richter, und müssten daher nicht in Betracht gezogen werden.

Nachdem die Richter in Leipzig die Klagen der jementischen Opferangehörigen abschmetterten, konnten Aktivisten aus der Region rund um die umstrittene Airbase Ramstein am Montag einen kleinen Sieg verbuchen. Zu gerne hätten die Stadtverwaltung Ramstein-Miesenbach, die Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach und die Kreisverwaltung Kaiserslautern die von Aktivist Hermann Theisen eingebrachten Petitionen zu Ramstein unter den Teppich gekehrt.

Bevor das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse am Montag früh über Theisens Klage gegen die Nichtbehandlung der Petitionen verhandeln konnte ("Stopp Air Base Ramstein") gaben die Kommunalpolitiker nach. Die Kommunalparlamente werden nun über Theisens Appell beraten, "sich für ein Ende der Nutzung der auf der Air Base Ramstein stationierten Relaisstation im US-Drohnenkrieg einzusetzen".

(kbe)