Sonde Hayabusa2: Proben vom Asteroiden Ryugu erfolgreich zur Erde gebracht

Mit Projektilen hat eine japanische Sonde Staub und Körnchen auf einem Asteroiden aufgewirbelt und dann eingesammelt. Jetzt kamen die Proben zurück.

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(Bild: DLR)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Neel V. Patel
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Am Sonntag stand eine wirklich besondere Lieferung für die Erde an: kleine Körnchen und Staub, die buchstäblich nicht von dieser Welt sind, denn sie wurden auf dem Asteroiden Ryugu in 290 Millionen Kilometern Entfernung gesammelt. Jetzt sollen die Teilchen Wissenschaftlern mehr darüber verraten, wie das Sonnensystem entstanden ist.

Die japanische Weltraumkapsel mit den ersten Proben aus dem Untergrund eines Asteroiden ist erfolgreich zur Erde zurückgekehrt. Die kleine Kapsel schoss nach Abtrennung von der japanischen Sonde Hayabusa2 wie ein Feuerball durch die nächtliche Atmosphäre, bevor sie am frühen Sonntagmorgen (Ortszeit) wie geplant in einer Wüste im Süden Australiens landete, wie die japanische Raumfahrtagentur Jaxa bekanntgab.

Nach ihrer Bergung auf dem Woomera-Testgelände für Luft- und Raumfahrt wird die Kapsel zunächst auf ihren Zustand untersucht. Anschließend wird der noch verschlossene Behälter per Flugzeug nach Japan gebracht und in ein Labor des Jaxa-Forschungszentrums ISAS (Institute of Space and Astronautical Science) im nahe der Hauptstadt Tokio gelegenen Sagamihara überführt. Erst dort wird die Kapsel mit ihrer wertvollen kosmischen Fracht per Roboter in einem sogenannten Reinraum-Labor in einer Vakuumkammer geöffnet.

An der spektakulären Mission hatte sich auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit dem gemeinsam mit der französischen Raumfahrtagentur CNES entwickelten Lander Mascot beteiligt. Der war im Oktober 2018 auf Ryugu gelandet und hatte den aus hochporösem Material bestehenden Asteroiden erkundet - bis die Batterie ausging. "Dies ist ein historischer Moment für die Weltraumforschung", erklärte die DLR-Vorstandsvorsitzende Anke Kaysser-Pyzalla zur Rückkehr der Probenkapsel.

Vor sechs Jahren schickte die japanische Raumfahrtagentur Jaxa ihre Sonde Hayabusa2 auf den Weg. Im Juli 2018 traf sie bei Ryugu ein und untersuchte ihre neue Heimat mit nur 900 Metern Durchmesser zunächst mit verschiedenen Instrumenten aus einer Umlaufbahn (darunter optische und Infrarot-Kameras sowie Lidar). Außerdem wurden drei kleine Rover auf der Oberfläche des Asteroiden abgesetzt, die ihn näher unter die Lupe nahmen.

Hayabusa2: Bilder des Landeanflugs auf Ryugu (38 Bilder)

(Bild: JAXA)

Dadurch hat die Wissenschaft bereits mehr über Ryugu erfahren, einen einfachen Felsen mit hohem Kohlenstoffgehalt, der aber poröser ist und weniger hydrierte Mineralien enthält, als zuvor bekannt war. Er gehört zur häufigsten Art von Asteroiden, aber weil sie so dunkel sind, lassen sie sich mit Teleskopen schlecht untersuchen. Selbst Missionen wie Hayabusa2 haben ihre Grenzen, denn man kann nicht beliebig viele Instrumente ins All schicken, und nicht alle überstehen die Reise (einer der vier Rover fiel bei ihr vor dem Einsatz aus). Und natürlich geht nichts über die Analyse-Möglichkeiten, die hochmoderne Labore auf der Erde bieten. Aus diesem Grund war der besondere Zweck von Hayabusa2, Proben von Ryugu zurückzuschicken.

Zweiter Touchdown von Hayabusa2 (6 Bilder)

4 Sekunden vor dem Touchdown
(Bild: JAXA)

Missionen mit Rücksendung von Proben kommen zunehmend in Mode, etwa bei OSIRIS-REx von der Nasa oder bei dem chinesischen Projekt Chang'e, in dem auf dem Mond gebohrt wird. Aber sie sind nicht einfach. Hayabusa2 landete im Februar 2019 auf der Oberfläche von Ryugu und schoss zwei kleine Kugeln auf den Asteroiden, um Staub aufzuwirbeln und Proben daraus zu sammeln. Im April desselben Jahres folgte aus sicherer Entfernung ein größeres Projektil, und einige Monate später landete die Sonde erneut, um dadurch aufgeworfenes Material aufzunehmen.

Bei der ersten Hayabusa-Mission gelangte mit diesem Ansatz nur ein Millionstel Gramm auf die Erde, doch Hayabusa2 soll viel ergiebiger sein. „Ich bin stolz über diesen Erfolg“, sagte noch vor dem gelungenen Wiedereintritt der Proben-Kapsel in die Erdatmosphäre Eri Tatsumi, die als Planetenforscherin an der Universität La Laguna in Spanien mit Hayabusa-Daten arbeitet.

Asteroiden sind wie Zeitkapseln aus einer fernen Weltraum-Vergangenheit, weil ihre physikalische und chemische Zusammensetzung viel besser erhalten bleibt als zum Beispiel die eines Planeten (dessen innere Wärmequelle zusammen mit möglichen Magnetfeldern und der Atmosphäre Prozesse am Laufen hält). Die Untersuchung von Ryugu-Material kann also dabei helfen, das frühe Sonnensystem zu verstehen – in einer Zeit, in der riesige Mengen Gas und Staub zu verschiedenen Asteroiden, Monden und Planeten wurden, einschließlich bewohnbaren wie der Erde.

„Wir würden gerne wissen, welche Prozesse das Sonnensystem geformt haben“, sagt Tatsumi. „Ich wüsste gern, welche organischen Materialien sich in Ryugu befinden – ob er die Bausteine für Leben enthält.“ Mit solchen Untersuchungen könnten „Wissenschaftler ein neues Kapitel in ihrem Wissen über Materialien im frühen Sonnensystem beginnen“ und herausfinden, welche Elemente und Verbindungen über Meteoriten-Einschläge auf die junge Erde gekommen sind.

Ryugu selbst erscheint zu fragil, um einen Eintritt in die Erdatmosphäre zu überstehen. Also dürfte er sich deutlich von den Meteoriten-Resten unterscheiden, die bislang auf der Erde analysiert werden konnten.

Zusätzlich gibt es einige Besonderheiten in seiner Geschichte, die sich nur mit Laboranalysen erforschen lassen. Tomokatsu Morota, Planetenforscher an der Universität Tokio, hat zusammen mit einem Team die Oberfläche von Ryugu anhand von Bildern der Kameras von Hayabusa2 untersucht.

Dabei fielen ihm Veränderungen auf, die durch Sonnenwärme entstanden sind. „Das spricht für ein Szenario, in dem Ryugu einen Ausflug näher an die Sonne gemacht hat“, erklärt er. Ein genauerer Blick auf die Felsfragmente könnte die Theorie bestätigen oder widerlegen.

Vor der Landung im Outback in Australien musste die Kapsel mit den Proben noch einen heißen Wiedereintritt überstehen. Hayabusa2 selbst aber setzt seine lange Mission fort – erst zum Asteroiden 2001 CC21 für einen Vorbeiflug im Juli 2026, dann weiter zu einer Begegnung mit 1998 KY26 im Juli 2031. Zwischendurch wird es Schwünge um die Erde geben, während derer die Sonde versucht, Beobachtungen von weit entfernten Exoplaneten zu machen.

Der Erfolg von Hayabusa2 wird auch Bedeutung für zukünftige Proben-Missionen haben. Die Jaxa etwa plant eine Mission zum Mars-Mond Phobos unter dem Namen Martian Moon eXploration, kurz MMX. „Technisch gesehen lebt MMX stark von den Erkenntnissen von Hayabusa und Hayabusa2“, sagt Tatsumi. Zudem seien an Hayabusa2 viele junge Wissenschaftler und Techniker beteiligt gewesen, die jetzt die nächsten Missionen anführen würden - „mit diesen Erfahrungen kann die Jaxa in Zukunft komplizierte und größere Missionen angehen". ()