Der Blitz, den niemand wollte: Audi duo, erster Hybrid auf dem Markt

Mit Dieselmotor und Plug-in-Funktion. Der Audi duo war 1997 das erste Hybridauto nach aktuellen Maßstäben auf dem Markt. Noch vor dem Toyota Prius.

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Audi Hybrid-Versuchswagen auf Basis des Audi 100 avant 1989

(Bild: Audi)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

Dieser Artikel ist der erste Teil einer Serie, in der es um spannende automobile Vorkämpfer geht, die drohen in Vergessenheit zu geraten. Denn meist war ihr Mut nicht von Erfolg gekrönt.

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Der Toyota Prius war hierzulande das erste Hybridfahrzeug in Serie. Das weiß doch jeder. Aber wie das so ist mit Dingen, die jeder weiß: Es ist falsch. Der Audi duo – ein Ableger des A4 B5 – heimste im Jahr 1997, einen Monat vor dem Toyota Prius, diese Ehre ein. Und nicht nur das. Bei Ingolstadts stumpfer und vergessener Speerspitze der Elektrifizierung handelte es sich sogar um den ersten Plug-In-Diesel auf dem Markt.

Das musste schiefgehen. "Pioniere werden von Indianern getötet", lautet ein BWL-Sprichwort. Und so sollte es kommen. Das Fahrzeug kostete rund 60.000 Mark und war damit offenbar zu teuer.

Natürlich war auch der Audi duo nicht das erste Hybrid-Auto. Schon um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert gab es eine Reihe Fahrzeuge, bei denen Benzin- und Elektromotor Hand in Hand arbeiteten. Später gab es ein paar Studien und Versuchsfahrzeuge. Beispielsweise den Buick Skylark (1972). Doch handelte es sich beim Audi duo eben um einen Plug-In-Hybrid, wie man ihn auch heute noch erwarten würde, wenn man sich ein entsprechendes Fahrzeug zulegt. Und das in Serienproduktion.

Theoretisch zumindest. Praktisch haben sich gerade einmal hundert Kunden bereit erklärt, die erwähnten 60.000 Mark auch anzulegen. In einer Branche, in der Jubiläen, Premieren und Erster-sein ansonsten bis zur Unkenntlichkeit zelebriert wird (wenn alle erster sind, ist es niemand), hält sich Audi überraschend angenehm zurück, wenn es um ihre Pionierstellung in Sachen Hybridtechnologie geht.

Seine Wurzeln hat der Audi duo im Jahr 1989. Als Technikstudie auf Basis des Audi 100 Avant. Kern des Fahrzeugs war die Kombination eines Fünfzylinder-Benziners, der die Vorderräder antrieb, mit einem 12,6-PS-Gleichstrommotor, der den Hinterrädern Kraft verlieh. Ein Allradantrieb, wie er heute in dieser Fahrzeugklasse beinahe üblich ist. Doch für ein Hybridauto hatte das Fahrzeug einen entscheidenden Nachteil. Wer zwischen Benzin- und Elektroantrieb wechseln wollte, der musste anhalten und die Betriebsart manuell umstellen.

Die nächste Evolutionsstufe folgte 1991, hieß Audi 100 duo C4 und bot ein neues technisches Highlight: Rekuperation. Saft für die Natrium-Schwefel-Batterie im Kofferraum sollte idealerweise auch aus den Bremsvorgängen stammen. Den Löwenanteil der Arbeit musste ein 115-PS-Vierzylinder-Benziner leisten. Unterstützung erfuhr er von einem 28,5-PS-Drehstrom-Synchronmotor. Der schuftete ebenfalls noch an der Hinterachse.

Audi duo, erster Hybrid auf dem Markt (3 Bilder)

Der Audi duo war 1997 – noch vor dem Toyota Prius – das erste moderne Hybridfahrzeug auf dem Markt. Unter anderem der Preis verhinderte einen größeren Erfolg.

Erstaunlich war, dass diese zweite Evolutionsstufe bereits eine rein elektrische Reichweite von rund 80 Kilometern hatte. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 65 Stundenkilometern. Ebenfalls batterieelektrisch. Werte, die auch heute noch nicht nach 25 Jahre alter Technik klingen. Audi experimentierte dafür mit verschiedenen Batteriearten. Doch den Weg aus den Laboren heraus fand der Audi duo nicht.

Es sollte noch einmal sechs Jahre dauern, bis die Geschäftsführung den Mut zusammen hatte, das Auto von der Forschungsabteilung in die Showrooms zu hieven. 1997 – etwa einen Monat vor dem Toyota Prius – konnte der Audi duo gekauft werden.

Immerhin mit deutlichen Änderungen. Vielleicht sogar Verbesserungen. Für den exorbitanten Preis stellten die Ingolstädter Ingenieure dem 90-PS-Dieselmotor (1,9 Liter Hubraum) einen 29-PS-Elektromotor an die Seite. Beide trieben die Vorderachse an. Der Allradantrieb war also dahin. Doch es reichte für eine Spitzengeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern im rein elektrischen Fahrmodus und 170 Stundenkilometer im kombinierten. Zusätzlich hatte der Audi duo eine Steckdose. So konnte die Blei-Gel-Batterie (320 Kilogramm) im Kofferraum geladen werden, falls die Rekuperation nicht genug Saft hergab.

Rechnerisch sollte die Batterie für rund fünfzig Kilometer Stadtverkehr reichen. Dafür stellte Audi sogar eine Modellrechnung auf. Wer mit voller Batterie startete und hundert Kilometer mit dem Audi duo im Hybridmodus fährt zahlt etwa 2,86 Mark an Spritkosten. Wer das ohne Elektrounterstützung tut, der sei 8,40 Mark los. Ein Argument, das die Kunden nicht überzeugte. Wer 60.000 Mark für ein Auto übrig hatte, der kalkulierte damals die Spritkosten wohl nicht so genau.

Bereits im Juni 1998 stellte die Geschäftsführung die Produktion des Fahrzeugs wieder ein. Es sollte bis 2013 dauern, bis mit dem Volvo V60 ein weiterer Diesel-Hybrid mit Plug-in-Technologie auf den Markt kommen sollte. Das Audi die erste Marke mit einem Hybridfahrzeig nach modernen Maßstäben in Serienproduktion für den europäischen Markt war, nimmt der Marke niemand mehr. Auch wenn ihr selbst der Fakt – vielleicht wegen der schmerzhaften Bauchlandung – ein wenig peinlich zu sein scheint.

(fpi)