Plattformen: Erste EU-Leitlinien für Transparenz von Algorithmen

Online-Marktplätze und Suchmaschinen müssen Nutzer recht genau darüber informieren, wie ihre Ergebnislisten und personalisierte Angebote zustande kommen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 13 Kommentare lesen

(Bild: leungchopan/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die EU-Kommission hat am Montag Leitlinien veröffentlicht, auf deren Basis Online-Plattformen die Transparenz ihrer Bewertungsverfahren für betroffene Firmen und Nutzer erhöhen können sollen. "Sie sind weltweit die ersten ihrer Art", sieht sich die Brüsseler Regierungsinstitution damit in einer Führungsrolle. Online-Marktplätze, Vergleichsdienste und Suchmaschinen wie Amazon, Apple, Booking.com, eBay, Airbnb, Google, Idealo, Skyscanner und Swoodoo müssen demnach mehr Informationen über die Funktionsweise ihrer Algorithmen bereitstellen.

Mit den Hinweisen will die Kommission die Auflagen aus einer 2019 beschlossenen Verordnung erläutern, die Kunden eine leichtere Orientierung vor allem beim Online-Shopping verschaffen soll. Die betroffenen Anbieter müssen demnach aussagekräftige Erläuterungen zu ihren Ranking-Mechanismen und insbesondere zu den verwendeten Hauptparametern sowie den Gründen für die relative Gewichtung geben. Dazu sollen sie dem technischen Wissen und den Bedürfnissen der "durchschnittlichen" Nutzer Rechnung tragen. Online-Vermittlungsdienste müssen die erforderlichen Informationen in ihre AGBs aufnehmen.

Die Erläuterungen "sollten einen echten Mehrwert für die betroffenen Nutzer darstellen", betont die Kommission. Die Anbieter könnten etwa die Beschreibung des unternehmensinternen "Denkprozesses" in Betracht ziehen, mit dem sie die Hauptparameter entwickelt haben. Es gebe keine Pflicht, "die detaillierte Funktionsweise der Ranking-Mechanismen, einschließlich Algorithmen, offenzulegen". Die technischen Mittel, mit denen die Betreiber angebotene Waren oder Dienstleistungen darstellen, organisieren oder kommunizieren, seien unerheblich. Die Angaben sollten technologieneutral sein.

Falls maschinelles Lernen eine wichtige Einflussgröße ist, könnten sich die Anbieter darauf konzentrieren, die erwartete "Amplitude", also den Umfang der Auswirkungen des technischen Verfahrens auf das Ranking zu erläutern, heißt es. Wie dafür gesorgt wird, dass die Verbraucher Waren oder Dienstleistungen finden, die etwa lokal, kostengünstig oder von hoher Qualität sind, sollte dargestellt werden. Zu viele Details seien aber nicht gut, da den Nutzern so oft "de facto keine aussagekräftigen Informationen zur Verfügung gestellt werden".

Vergleichsweise hoher Aufwand dürfte auf Anbieter zukommen, die Ergebnisse personalisieren. Dies könnte laut dem Papier dazu führen, "dass Anbieter die potenziell sehr lange Liste der für diese Personalisierung verwendeten Faktoren analysieren müssen, etwa das persönliche Profil der Verbraucher, ihre Interessen, ihr Suchverhalten, ihr aktueller geografischer Standort, die Tageszeit ihrer Suche, der Einsatz von Cookie-Blockern oder sonstiger technischer Werkzeuge". Allgemein dürften auch "die Fülle von Daten zu den einzelnen Verbrauchern sowie deren Nutzung von Standardeinstellungen" eine Rolle spielen.

"Werbung mit Bannern oder Anzeigen kann in bestimmten Fällen die 'relative Hervorhebung' der von den Nutzern angebotenen Waren oder Dienstleistungen aktiv beeinflussen", führt die Kommission aus. Auch in solchen Fällen könnten so Erläuterungen nötig sein.

Für die Einstufung als Hauptparameter kommen Faktoren wie "Sterne" von Hotels, Gütezeichen Dritter ("Trusted Store") oder Auszeichnungen ("bestes Café in X") und Berichte in anderen Medien in Frage. Andererseits dürfte es für einige Nutzer "überraschend" sein, dass bestimmte externe Einflüsse, die für die Art des Dienstes von großer Bedeutung erscheinen, nicht berücksichtigt werden. Dies träfe etwa zu, wenn die Datenschutzeinstufung von Webseiten auf einer auf Privatsphäre Wert legenden Online-Suchmaschine oder eine Lebensmittelkennzeichnung auf einem Öko-Marktplatz außen vor blieben.

Betreiber von Suchmaschinen sollen gegebenenfalls beschreiben, ob bestimmte technische Aspekte berücksichtigt werden. Diese könnten einschließen, wie schnell eine Seite geladen wird, wie nutzerfreundlich die Handhabung auf Mobilgeräten ist, das Alter der Webdomain oder die Sicherheit und Zugänglichkeit der Seite. Auch Bestandteile von Betrugsbekämpfungsmechanismen oder Maßnahmen gegen böswillige Manipulationen des Rankings durch Dritte seien relevant. Ergreifen Anbieter Maßnahmen gegen illegale Online-Inhalte, müssten sie prüfen, welche Auswirkungen diese auf die Ergebnislisten haben könnten.

In App-Stores werden Entwickler möglicherweise unabhängig von ihren Anwendungen bewertet, lautet ein weiteres Beispiel. Eine Neuheit eines erfahrenen Programmierers mit einem bereits vorhandenen Angebot könnte so besser abschneiden als die App eines Neulings. Sei dies so, müsse der Anbieter, sicherstellen, dass die gewerblichen Nutzer diesen Zusammenhang verstehen.

Vorübergehende Anpassungen wie Sonderangebote oder Wettereinflüsse, die sich vorhersehen lassen und die regelmäßig auftreten, könnten grundsätzlich allgemein erläutert werden, ist den Leitlinien zu entnehmen. Größere Änderungen der Mechanismen einschließlich eines "evolutionären" Wandels etwa "infolge eines gewissen Deep-Learning-Niveaus" müssten dagegen neu erläutert werden. Greifen Anbieter auf Experimente wie A/B-Tests oder neue Spamfilter zurück, sollten sie im Einzelfall prüfen, ob dies auszuführen sei.

Die angeführten Exempel dienten rein der Veranschaulichung, lässt die Kommission nicht unerwähnt. Sie seien rechtlich nicht bindend. Die Anbieter müssten selbst dafür sorgen, den Anforderungen aus der Verordnung nachzukommen. Über Streitfälle entscheide letztlich der Europäische Gerichtshof.

(mho)