Ermittler setzten 2019 Staatstrojaner 380-mal ein

Zur Quellen-TKÜ wurde 368-mal in IT-Systeme eingegriffen, zur Online-Durchsuchung 12-mal. Insgesamt ging es dabei vor allem um Drogendelikte.

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(Bild: Gorodenkoff / Shutterstock.com)

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Seit 2017 kann die Polizei offiziell Internet-Telefonate und Messenger-Kommunikation bei Verdacht auf eine Vielzahl von Straftaten überwachen sowie heimliche Online-Durchsuchungen durchführen. Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat nun erstmals eine Statistik dazu für 2019 veröffentlicht. Demnach setzten die Ermittler im vorigen Jahr 380-mal Staatstrojaner ein.

Zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung ordneten Richter Eingriffe in IT-Systeme laut dem Bericht zu Paragraf 100a Strafprozessordnung (StPO) 578-mal an. Tatsächlich durchgeführt wurden davon 368. In rund 32 Prozent der Fälle gelang der Einsatz eines Staatstrojaners nicht oder wurde trotz Richtergenehmigung abgeblasen. Mit 129 Anordnungen, von denen 89 realisiert wurden, führt Niedersachsen die Ländertabelle der Quellen-TKÜ an. Im vergleichsweise bevölkerungsarmen Land Mecklenburg-Vorpommern gestatteten die Richter der Polizei 118-mal die Quellen-TKÜ. Diese wurde dort in 95 Fällen auch durchgeführt, also noch häufiger als in Niedersachsen.

Mit 94 kommt auch Bremen auf eine hohe Zahl an Anordnungen. Die Ermittler setzten in der Hansestadt aber nur elf davon um. Für Sachsen sind 89 Richtergenehmigungen und 76 verwirklichte Maßnahmen in diesem Bereich ausgewiesen. Es folgt Hessen mit 64 angeordneten und 52 durchgeführten Staatstrojaner-Einsätzen.

Bei der Quellen-TKÜ wird verschlüsselte laufende Kommunikation etwa von Messengern wie WhatsApp, Signal oder Threema oder Online-Telefonate via Skype & Co. direkt am Endgerät abgegriffen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde. Der umfangreiche Straftatenkatalog dafür fängt mit Mord und Totschlag an, reicht aber über Steuerdelikte, Computerbetrug und Hehlerei bis zu alltäglicher Kriminalität. Eine Einzelaufstellung, bei welchen Delikten eine Quellen-TKÜ als zulässig erachtet wurde, gibt es nicht.

Insgesamt ordneten Richter 2019 bundesweit in 5252 Verfahren Überwachungen der Telekommunikation nach Paragraf 100a StPO an. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von 2,9 Prozent. Die Zahl der "klassischen" Überwachungsanordnungen liegt mit 18.225 aber 6,4 Prozent unter der Zahl des Vorjahres, als es noch 19.474 Genehmigungen waren.

8624 Überwachungsanordnungen ergingen wegen Drogendelikten, was rund 40 Prozent der gesamten Genehmigungen entspricht. Dass hier der Bedarf für eine Quellen-TKÜ besonders hoch sein dürfte, hatte das Bundeskriminalamt vorab bereits ausgelotet. Auf den Plätze 2 und 3 folgen "Betrug und Computerbetrug" mit 3372 sowie Bandendiebstahl mit 1833 Anordnungen.

Ebenfalls erstmalig erfasst die Behörden 2019 Maßnahmen gemäß Paragraf 100b StPO zu heimlichen Online-Durchsuchungen statistisch. Danach ordneten hier Richter in 20 Verfahren entsprechende Überwachungen von IT-Systemen inklusive Festplatten an. Die Anzahl der Erst- und Verlängerungsanordnungen zur Online-Durchsuchung lag im vorigen Jahr bei 32, davon konnten die Ermittler zwölf tatsächlich durchführen.

Die Hälfte der Online-Durchsuchungen entfiel auf Bayern, auch dort ging vor allem um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Insgesamt beziehen sich 12 Anordnungen auf Drogendelikte, 13 auf räuberische und besonders schwere Erpressung. In Fällen ging es um die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen; die oft als Begründung für das Instrument ins Feld geführten Kapitalverbrechen Mord und Totschlag dienten nicht als Ansatzpunkt.

Zugleich hat das BfJ die Statistik über die Erhebung von Verbindungs- und Standortdaten gemäß Paragraf 100g StPO veröffentlicht. Demnach wurden im vorigen Jahr bundesweit in insgesamt 19.562 Verfahren solche Daten erhoben. Die Anzahl der Erst- und Verlängerungsanordnungen lag bei insgesamt 27.231. Die meisten Ersuchen richten sich gegen Daten, die Telekommunikationsanbieter bis zu einer Woche lang gespeichert hatten. Ein direkter Vergleich mit den Daten des Vorjahres ist wegen unvollständiger Angaben für 2018 nicht möglich. Damals hatten elf Bundesländer insgesamt 23.143 Verfahren gemeldet.

(anw)