Krieg spielen, aber richtig (Update)

Die US-Armee gibt zwei Trainingssimulationen in Auftrag, die gleichzeitig als Computer- und Videospiele vertrieben werden sollen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 178 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die U.S.-Armee hat das Institute for Creative Technologies (ICT) mit der Entwicklung zweier Trainingssimulationen beauftragt, die gleichzeitig auch als Video- und Computerspiele vertrieben werden sollen. Der Taktik-Shooter "C-Force" wird in Zusammenarbeit mit Future Combat Systems (FCS) für die Konsolen Playstation 2, Gamecube und Xbox entwickelt und soll in etwa zwei Jahren auf den Markt kommen. Der Spieler steuert eine Spezialeinheit von neun Soldaten, die Terroristen in einem Gebäudekomplex bekämpfen, Rettungskräfte beschützen oder eine US-Botschaft vor einem tobenden Mob verteidigen. Dies seien laut FCS die Aufgaben, die auf die Armee in den nächsten 15 bis 20 Jahren zukommen.

Für den PC entwickelt das ICT gemeinsam mit Quicksilver Software das Echtzeitstrategiespiel "CS XII", in dem der Spieler Hunderte von Einheiten steuern soll. "CS XII" soll bereits Ende nächsten Jahres erscheinen und dann auch von der U.S. Army Simulation, Training & Instrumentation Command STRICOM eingesetzt werden. Laut Dr. Michael Macedonia von STRICOM sei das Ziel der Trainingssimulatoren, "Führer auszubilden, die komplexe Probleme sowohl auf der emotionalen, sozialen und politischen Ebene schnell verarbeiten können."

Die Spieler sollen so spielend lernen, auf was es auf den Schlachtfeldern des 21. Jahrhunderts ankommt. "Während diese Produkte einzigartige Trainingshilfen für potenzielle Generäle und Gruppenführer bieten, können sie auch Videospielern überall beibringen, mit Menschenmaterial und Informationen umzugehen – diese Fertigkeiten werden ihnen im späteren Beruf enorm helfen", so Richard Lindheim, Executive Director von ICT. Nach diesen Worten soll sich militärisches Denken also auch in der zivilen Gesellschaft verankern. Das Militär nutzt diese Videospiele als Vorabtraining für spätere Rekruten und gleichzeitig als Werbung. Die doppelte Verwertung als Trainingssimulator und Videospiel spart dabei enorme Entwicklungskosten. Der Spieler unterstützt so direkt mit dem Kauf eines Computerspiels die Rüstungsindustrie.

Bereits im Jahre 1999 hat STRICOM 44,3 Millionen US-Dollar in das ICT, einer Entwicklungsabteilung der University of Southern California, investiert, um militärische Simulationen so spannend zu gestalten wie Hollywood-Filme oder Computerspiele. Zu den führenden Kräften des ICT gehören unter anderem der Film-Autor John Milius ("Apocalypse Now", "Conan, der Barbar", "Das Kartell") und Regisseur Randal Kleiser ("Grease", "Schatten eines Zweifels"). Produziert werden die Spiele "C-Force" und "CS-XII" von Rob Sears, der bereits für die Titel "Mech Commander" und "Mech Warrior 3" verantwortlich war. Sie sollen sich kaum von den Trainingsversionen für das U.S.-Militär unterscheiden. Lediglich die Explosionen sollen größer werden, da die trockene Darstellung der Militärsimulationen wohl etwas dröge für das Wohnzimmer sei.

Beachtlich ist die scheinbare Kehrtwende der Computerspielindustrie. Direkt nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September wurden viele Militärspiele von den Herstellen verschoben oder zurückgezogen. Jetzt startet anscheinend schon die zivile Mobilmachung in den Wohnzimmern. "C-Force" und "CS-XII" sollen den Eindruck vermitteln, das reale Kriegsgeschehen authentisch nachzubilden. Sie forcieren so das Bild des sauberen Krieges, das auch die von den Militärs zensierte Fernsehberichterstattung prägt. Die hollywoodgerechte Aufmachung soll alle moralischen Bedenken beiseite wischen und die menschenverachtenden Hintergründe übertünchen. Auch wenn Spieler zwischen Videospiel und realem Krieg unterscheiden können, prägen diese Simulationen ihr Bild von realen Kriegen, die sie nur vom Fernsehschirm oder der Kinoleinwand kennen. "C-Force" und "CS-XII" sind bei weitem nicht die ersten Spiele, bei denen das Militär mit Spieleherstellern zusammenarbeitet, sie zeigen jedoch deutlicher als bisher, die enge Verquickung der Rüstungsindustrie mit der Unterhaltungsindustrie. (hag)