Der automobile Jahresrückblick 2020: Was uns bewegt hat

Kaum etwas ist so gekommen, wie es vorhergesagt wurde. Die Autoindustrie ist schwer getroffen, wenngleich es Lichtblicke gibt. Unser Rückblick, Teil 1.

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Ein versöhnlicher Blick zurück auf das Jahr 2020 fällt – zumindest aktuell – noch etwas schwer. Ein Hoffen auf ein besseres 2021 dagegen leicht – was viel über das zurückliegende Jahr sagt.

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Erfahrene Propheten warten die Ereignisse ab, stellte Horace Walpole fest, nicht ohne feine Ironie. Wie richtig dieser weise Rat ist, hat das nun zu Ende gehende Jahr 2020 geradezu beängstigend belegt. Denn kaum etwas ist so gekommen, wie es erwartet worden war. Die Corona-Pandemie hat gesellschaftlich tiefe Spuren hinterlassen und fast alles überlagert. Bedenklich und in voller Tragweite noch keinesfalls abzuschätzen sind die Folgen. Die Spaltung der Gesellschaft ist stärker hervorgetreten als befürchtet, nicht nur, aber vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Pandemie hat viele Verlierer und nur wenige Gewinner hervorgebracht.

Unter anderem das breite Kulturangebot erlebt einen finanziellen Alptraum, der im vergangenen Sommer leicht abgeklungen ist und dieser Tage schlimmer zurückkehrt als zuvor. Was das bedeutet, wird manchen vermutlich erst vollständig bewusst, wenn das massenhafte Miteinander wieder sorglos möglich wird. Das Erwachen dürfte mit der Erkenntnis einhergehen, dass die Pandemie auch in dieser Hinsicht Opfer gefordert hat.

Doch es gibt nicht nur Verlierer: Online-Händler wie Amazon verbuchen Rekordumsätze in einer Höhe, die wohl auch die kühnsten Optimisten für das Jahr 2020 nicht eingeplant hatten. Pharmafirmen, die aussichtsreich an einem Impfstoff arbeiten, erleben an der Börse einen Höhenflug. Den erlebt auch die Wahrnehmung von Menschen, die in Krankenhäusern und Pflegeheimen seit vielen Jahren Schwerstarbeit leisten. Was noch fehlt ist, dass sich diese frische Wertschätzung endlich auch im Geldbeutel bemerkbar macht. Klatschen auf dem Balkon tut möglicherweise der Seele gut, zahlt aber keine Rechnung.

Geradezu erstaunlich dürfte für viele Menschen sein – und auch das gehört zu den 2020er-Erkenntnissen –, was alles möglich ist, wenn die Politik ein Problem tatsächlich ernst nimmt. Was an finanziellen Ressourcen vom Staat freigelegt wurde, ist bemerkenswert und wohl kaum einer zweifelt daran, dass die Rechnung dafür folgen wird. Der Streit darüber, wem sie vorrangig vorgelegt wird, dürfte eines der dominierenden Themen des Bundestagswahlkampfs 2021 werden. Dort wird zumindest am Rand sicher auch diskutiert, was man als Gesellschaft aus der Pandemie lernen kann. Denn ein solcher tiefer Einschnitt eröffnet ja auch die Möglichkeiten, nach der Krise Dinge grundlegend neu zu sortieren.

Ein Aspekt lässt sich schon absehen: Das Arbeiten von zu Hause aus, innerhalb der Wellen oftmals unvermeidlich, wird populärer werden. Das hat zwei Seiten einer Medaille. Es verschafft mehr Freizeit und reduziert den Pendelverkehr – 2020 war das schon messbar. Eine andere Seite beschrieb der Unternehmer Eugene Kaspersky im Nachrichtenmagazin Der Spiegel: Corona beschert Cyberkriminellen eine Sonderkonjunktur, die sich über schlecht gesicherte Heimarbeitsplätze in Computersysteme von Firmen einhacken.

automobile Nachrichten 2020 (6 Bilder)

Einen kurzfristigen Boom erleben die Leichtkrafträder seit Ende vergangenen Jahres Besitzer eines Auto-Führerscheins auch ohne zusätzliche Führerscheinprüfung 125er mit maximal 15 PS fahren dürfen. Dazu benötigen sie in Deutschland eine theoretische und eine praktische Schulung. Laut KBA bekamen im ersten Halbjahr (bis 30. Juni) 26.898 Autofahrerinnen und Autofahrer die Fahrerlaubnis für 125er. Bei solchen Leichtkrafträdern stieg die Zahl der Neuzulassungen um rund 67 Prozent auf knapp 30.000, bei den 125er-Rollern sogar um mehr als 90 Prozent auf rund 26.000. Das passt ins Seuchenjahr 2020, denn auf einem Zweirad ist man ziemlich gut infektionsgeschützt unterwegs.

Für die Automobilindustrie war 2020 ein hartes Jahr, obwohl sie mit einigen Auto-Gipfeln ein großes Stück Aufmerksamkeit abbekommen hat. Dort wurden Subventionen in einer Höhe bewilligt, die nachdenklich machen oder dies zumindest tun sollte. Der Absatz ist durch die Pandemie fast überall heftig eingebrochen, und dennoch lässt sich eine Bewegung nicht mehr leugnen: Die alleinigen Verbrenner sind auf dem Rückzug, alles, was zumindest teilweise irgendwie elektrifiziert ist, hat gute Chancen. Das liegt in erster Linie an dem massiven Hebel, mit der Staat Steuergeld in diese Nische drückt. Als Optimist meine ich aber, es gibt noch einen weiteren Grund: Den meisten Autofahrern dämmert wohl, dass es allein mit Benzin und Diesel nicht mehr so weitergehen wird- ob man das nun gut findet oder eher nicht.