Zahlen, bitte: die Fipptehler-Jahresensdausgabe

Manch kleiner Fehler in einer Zahl kann große Auswirkungen haben, nicht nur, aber auch, wenn es ums Geld geht.

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(Bild: dpa, Sebastian Gollnow/dpa)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers
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Runde Zahlen? Pfff. Heute vor 61 Jahren hielt der Physiker Richard Feynman seine berühmte Vorlesung "There’s Plenty of Room at the Bottom". Im Bereich der Miniaturisierung, der Nanotechnologie, sah Feynman eine Grundlage für den technischen Fortschritt. Je kleiner ein Ding sei, desto kleiner seien auch die Fehler. Ein Auto, das um den Faktor 4000 verkleinert gebaut wird, kann einen Fehler in der Größenordnung von 10 Atomen noch tolerieren, so Feynman.

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Doch manchmal haben kleine Fehler große Auswirkungen. Erinnert sei an den teuersten Tippfehler der Welt vor 15 Jahren, der einen Schaden von umgerechnet 300 Millionen Euro produzierte: Ein Aktienhändler von Mizuho Securities verkaufte statt einer Aktie der Firma J-Com zum Preis von 610.000 Yen irrtümlich gleich 610.000 Aktien der Firma zum Preis von 1 Yen.

Kleiner fiel der Fehler bei einem Antiquitätenhändler aus. Er wollte für drei Raritäten mindestens 3000 Mark, stellte sie aber in seinem Online-Shop für 3 Mark zum Verkauf. Der Versuch, die Summe vor Gericht einzuklagen, scheiterte. Eine andere Größenordnung hatte der Fehler eines Brokers der Firma Bear Stearns im Oktober 2006. Er wollte Aktien im Wert von vier Millionen US-Dollar verkaufen, stellte aber Aktien im Wert von vier Milliarden zum Verkauf. Der Fehler fiel auf, als bereits Wertpapiere im Wert von 600 Millionen Dollar verkauft worden waren.

Zur Kategorie der Tippfehler dürften die 222 222 222,22 Euro aus dem Jahre 2015 zählen, die ein Bankangestellter in Frankfurt einem Rentner überwies. Die Summe kam zustande, weil der Banker in einen Sekundenschlaf gefallen war. Auch dieser Fall landete vor Gericht. Das Landesarbeitsgericht Frankfurt entschied, dass der Bankangestellte für den Fehler nicht haftbar gemacht werden konnte.

Im Bankgewerbe gibt es für eine Kategorie von Tippfehlern den Begriff "Fat Finger". Damit sind versehentlich angestoßene Überweisungen und Verkäufe gemeint. Es muss nicht unbedingt ein Finger beteiligt sein: an der Londoner Börse produzierte ein Broker im Jahr 1999 eine Order von 1,8 Millionen Pfund, weil er mit dem Ellenbogen 600 Mal jeweils 16.000 Aktien kaufte.

Noch kurioser eine Order bei der Bank of America im September 2006. Hier ging es um ein Geschäft in Höhe von 50 Millionen US-Dollar. Die Überweisung stand ausgefüllt auf dem Monitor, Der Händler wartete noch auf das OK von seinem Vorgesetzten, der die Order autorisieren musste, als ein Football auf die Enter-Taste fiel: Azubis hatten im Handelssaal an ihren Fangfertigkeiten gefeilt.

Zu den nicht ganz so lustigen Fat-Finger-Fehlern zählt wohl der Klick auf das falsche Icon, mit dem ein Raketenalarm auf Hawaii ausgelöst wurde. Bis heute ist nicht geklärt, ob es eine Fehlbedienung war oder eine Absicht dahinter steckte.

Den vielleicht folgenschwersten Tippfehler produzierte der deutsche Chemiker Erich von Wolf im Jahre 1870, als er den Eisengehalt von Spinat mit 35 Milligramm bestimmte und dieser Wert Eingang in zahlreiche Ratgeber zur Ernährung fand. Millionen von Kindern mit Eisenmangel mussten den guten Spinat essen, bis der Fehler 1937 erkannt und der Eisen-Anteil im Spinat auf 3,5 Milligramm sank. Von Wolf hatte diesen Wert zwar in seinem Laborbuch stehen, doch beim Abtippen das Komma vergessen.

Die Geschichte mit dem Spinat inspirierte den Cartoonzeichner Bud Sagendorf zu seinen Geschichten um den Seemann Popeye und hielt sich lange in der Welt. Im Jahre 1981 untersuchte das British Medical Journal Ratgeber und Kochbücher. Die Autoren fanden zahlreiche Hinweise auf den gesunden Spinat und beschäftigten sich mit der Frage, warum der Fehler einfach nicht verschwindet. Es mag daran liegen, dass Kinder sich gegen Spinat nicht wehren können, anders als der Autofahrer, der nach einem Rempler mit Fahrerflucht mit einem Fahrverbot von 52,5 Jahren belegt wurde.

Update: Offenbar handelt es sich bei der Geschichte vom vergessenen Komma beim Eisengehalt von Spinat um einen Irrtum. Der Artikel "The chemistry of spinach: the iron myth and ‘spinach teeth’" klärt ihn auf.

Zu den Tippfehlern kann man die Eingabefehler rechnen, wenn im Navi statt Putgarten das 350 Kilometer entfernte Puttgarden eingegeben oder die Gemeinde Rom in Mecklenburg-Vorpommern angesteuert wird. Fatal wurde der Vertipper Domantik statt Romantik für einen Dozenten, der als Admin die BDSM-Webseite seiner Freundin betreute.

Geschichten solcher Fehlfahrten und Fehltipper gibt es zuhauf. Enden wir darum mit einem anderen Fehler-Fall, der Eingabe eines falschen Datums. Vor wenigen Wochen landete die Geschichte eines Hochstaplers vor Gericht, der sich als Rechtsanwalt ausgab und so stattliche Honorare erzielte. Sein Betrug fiel auf, als er die Arbeitsstelle wechselte, um noch mehr Geld zu verdienen. Der neue Arbeitgeber ließ sich die Examenszeugnisse zeigen. Sie waren auf den Pfingstmontag 2015 ausgestellt, einen Tag, an dem selbst Juristen sich einen faulen Lenz machen. (akr)