Kommentar: Der Fernpiloten-Nachweis für Drohnenpiloten ist ein Witz

Der neue Sachkundenachweis für Drohnenpiloten ist das Papier nicht wert, auf das man ihn ausdruckt, findet heise-Videoproducer Johannes Börnsen.

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(Bild: sdecoret / Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
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  • Johannes Börnsen

Wer seit dem Jahreswechsel eine Drohne mit einem Startgewicht von über 250 Gramm fliegen möchte, braucht entsprechend der neuen EU-Verordnung 2019/94 einen "Nachweis für Fernpiloten über den Abschluss eines Online-Lehrgangs". Drohnenpilot bin ich, also brauche ich solch einen Nachweis.

Meine Drohne hat eine Kamera und ein Startgewicht von knapp über 400 Gramm. Ich nutze sie, um Filmaufnahmen aus der Luft zu machen. Selten fliege ich dafür höher als 25 Meter und grundsätzlich bleibe ich in Sichtweite, in der Regel ist die Drohne nicht mehr als 50 Meter von mir entfernt. Ich verstehe, dass solch eine Drohne für Unbeteiligte eine Gefahr darstellen kann. Und ich kann nachvollziehen, dass Mitmenschen, die nicht wissen, wer da gerade aus welchem Grund eine Drohne fliegen lässt, sich belästigt oder bedroht fühlen können. Vielleicht empfinde ich solch eine Nachweispflicht als etwas lästig, weil ich mich drum kümmern muss, grundsätzlich halte ich sie aber für eine sinnvolle Sache.

Ich würde mich nicht als geübten Piloten bezeichnen. 2020 habe ich meine Drohne weniger als zwei Flugstunden benutzt. Jedes Mal, wenn ich die Drohne auspacke, muss ich mir in Erinnerung rufen, welche Steuerknüppelrichtung welches Flugmanöver auslöst. Ein bisschen Theorie kann mir also ganz bestimmt nicht schaden.

Um in den Besitz des Nachweises zu kommen, muss man einen mehrstufigen Prozess durchlaufen. Zuerst muss man ein Online-Training absolvieren, dass das Luftfahrtbundesamt (LBA) auf etwa 3 Stunden schätzt. Darin werden einem in Videolektionen die Inhalte der Prüfung aufbereitet. Anschließend muss man einen Online-Test machen, um für die eigentliche Prüfung zugelassen zu werden. In dieser muss man mindestens 70 Prozent der 40 Fragen richtig beantworten und hat dafür maximal 45 Minuten Zeit.

Ein Kommentar von Johannes Börnsen

Johannes Börnsen dreht, schneidet und vertont seit 8 Jahren die Videos für heise online und das c't Magazin.

Da ich meine Drohne natürlich nicht ohne die entsprechenden Genehmigungen benutzen werde, rufe ich das Trainingsportal des LBA auf. Dort wartet der Link zum ersten Schritt, dem Online-Training. Ich hole mir ein paar übrig gebliebene Weihnachtskekse, lasse den Hund nochmal vor die Tür, stelle eine Kanne frischen Tee bereit und sehe dann, dass sich der Test, mit dem man sich für die Prüfung qualifizieren kann, auch ohne absolviertes Online-Training starten lässt. Nun, einen Versuch ist es ja wert. Mir werden 20 Fragen präsentiert. Schon die erste kann ich nicht beantworten:

Welche Faktoren können die Einschätzung der Flughöhe beeinflussen?

  • GNSS-Signal und Sonneneinstrahlung
  • Sonneneinstrahlung und Feuchtigkeit
  • Feuchtigkeit und Batteriestand
  • GNSS-Signal und Batteriestand

Ich muss gestehen, dass ich GNSS noch nie gehört habe. Meines Wissens hat meine Drohne GPS. Also wird das eventuell ein anderer Begriff dafür sein? Außerdem hat meine Drohne optische Sensoren, eventuell werden die von der Sonne geblendet? Ich kann nur raten und tippe auf Antwort 1 und gehe weiter zur nächsten Frage. Zu meiner Überraschung wird direkt angezeigt, dass ich Frage 1 falsch beantwortet habe! Ich gehe also einen Schritt zurück und kann meine Antwort korrigieren. Richtig ist Antwort 2, Sonneneinstrahlung und Feuchtigkeit können die Einschätzung der Flughöhe beeinflussen. Leider erfahre ich nicht, warum.

Im Verlauf des Tests kann ich etwa die Hälfte der Fragen richtig beantworten oder erraten. Die anderen kann ich nachträglich ändern und komme so auf ein Ergebnis von 100 Prozent richtigen Antworten. Nicht schlecht, oder?

Anschließend soll ich einen Account beim Trainingsportal des LBA anlegen. Dafür soll ich auch ein Foto meines Personalausweises hochladen. Der Schritt lässt sich aber überspringen. Zu meiner Überraschung kann ich trotz fehlendem Ausweis die eigentliche Prüfung starten. Hinweise auf eventuelle Gebühren kann ich keine finden, also bin ich mutig und starte den Test. Kekse und Tee sind übrigens noch unangetastet.

Die Maske für die Prüfung ist die gleiche wie für den vorhergehenden Test. Auch hier kann ich bereits beantwortete Fragen ein zweites Mal aufrufen und meine Antwort ändern. Allerdings bekomme ich keinen Hinweis mehr, ob ich die Frage richtig oder falsch beantwortet habe. Ich klicke mich also durch alle 40 Fragen. Es ist ähnlich wie beim Pkw-Führerschein: Manche sind mit gesundem Menschenverstand leicht zu beantworten, andere lassen sich durch Ausschluss erraten oder mit dem im ersten Test erlangten Wissen beantworten.

Nach etwa 15 Minuten habe ich alles beantwortet und gebe meine Prüfung ab. Das Ergebnis erscheint sofort: Ich habe 92 Prozent richtig, die Prüfung bestanden und kann meinen "Nachweis für Fernpiloten über den Abschluss eines Online-Lehrgangs" direkt herunterladen und ausdrucken. Einen Lehrgang, den ich nie absolviert habe.

Sicherer im Umgang mit meiner Drohne fühle ich mich jetzt natürlich nicht. Und ich werde vor dem nächsten Flug die drei Stunden für das Online-Training investieren, schon allein für mein Gewissen. Mit einer so gestalteten Prüfung und dem daraus resultierenden Nachweis, der mit EASA-, LBA- sowie EU-Logo einen sehr offiziellen Eindruck macht und mit einer schicken Identifizierungsnummer beeindruckt, ist meiner Ansicht nach aber niemandem geholfen. Und nun esse ich endlich meine Kekse.

(olb)