Smartphones und Tablets sollen umweltfreundlicher werden

Eine Studie liefert der EU Ideen für die bevorstehende Regulierung des Smartphonemarktes. Umwelt und Verbraucher würden von den Maßnahmen profitieren.

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(Bild: zixia/Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

In den kommenden Monaten will die EU-Kommission zum ersten Mal in der Ökodesign-Richtlinie Anforderungen für Smartphones und Tablets festlegen. Das Gesetz ist ein mächtiges Instrument, doch bisher ist es nur Kennern der europäischen Umweltpolitik ein Begriff. Es diente der Kommission zum Beispiel als Grundlage für das 2009 erlassene Glühlampenverbot. Und 2019 erließ Brüssel Ökodesign-Regeln, die Hersteller von Haushaltsgeräten und Fernsehern erstmals verpflichten, Ersatzteile bereitzuhalten.

Bislang gibt es für die Gerätekategorien Smartphones und Tablets noch keine speziellen Umweltregeln. Die Hersteller müssen nur das beachten, was für alle Elektrogeräte gilt, zum Beispiel Obergrenzen für Giftstoffe wie Blei und Cadmium. Von solchen allgemeinen Vorschriften abgesehen können Samsung, Apple, Huawei & Co. ihre Phones und Tablets so gestalten, wie es ihnen passt – noch.

Einen Vorgeschmack auf die kommenden Regeln vermittelt eine Studie, die im Auftrag der Kommission erstellt wird und als wissenschaftliche Basis der Entscheidungen dienen soll. Durchgeführt wird sie vom Berliner Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM). Die Autoren wollen die Endfassung zwar erst im Februar veröffentlichen, sie haben aber bereits Entwürfe ins Netz gestellt, an denen sich nicht mehr viel ändern dürfte (siehe ct.de/ym6h).

In den insgesamt rund 600 Seiten starken Dokumenten analysieren die Fraunhofer-Forscher den Smartphonemarkt und berechnen, wie sich denkbare Vorschriften auswirken würden. Dabei geht es nicht nur um die Umwelt, sondern auch um die Auswirkungen auf Verbraucher und Wirtschaft.

iPhone-Akku: Apple verspricht 80 Prozent der Originalkapazität nach 500 Ladezyklen – aus Sicht von Umweltwissenschaftlern des Fraunhofer IZM sollten Smartphone-Akkus künftig 1000 Zyklen schaffen.

(Bild: iFixit)

Der zentrale Vorschlag umfasst zwei Arten von Maßnahmen: Die EU könne Mindestanforderungen an die Geräte stellen und gleichzeitig ein Punktesystem einführen, das Umwelteigenschaften für Verbraucher sichtbar macht. Dadurch sollen die Geräte einfacher reparierbar und langlebiger werden, sodass sie länger genutzt werden. Als Mindestanforderungen schlagen die Forscher unter anderem vor:

  • Der Akku muss vom Nutzer austauschbar sein oder nach 1000 Ladezyklen noch mindestens 80 Prozent seiner ursprünglichen Kapazität aufweisen; bei täglichem Laden würde der Akku also drei Jahre lang kaum nachlassen. Zum Vergleich: Apple verspricht, dass iPhone-Akkus mindestens 500 Ladezyklen schaffen, iPad-Akkus mindestens 1000. Alternativ könnten Hersteller einen "bequemen" Akkuwechsel zu einem "moderaten" Preis anbieten.
  • Hersteller müssen Reparaturbetriebe mindestens fünf Jahre lang mit Anleitungen, Spezialwerkzeug und Ersatzteilen beliefern, darunter Displays und Akkus. Ähnliche Regeln gelten europaweit bereits für Haushaltsgroßgeräte und Fernseher: Die Hersteller müssen alle Werkstätten beliefern, die die nötige "technische Kompetenz" besitzen und eine geeignete Versicherung abgeschlossen haben. Die Mitgliedsstaaten können solche Dienstleister in ein offizielles Verzeichnis aufnehmen.
  • Außerdem müssen Hersteller mindestens zwei Jahre lang Updates für das Betriebssystem liefern. Aus Sicht der Forscher könnte eine länger laufende Versorgungspflicht die Hersteller überfordern, da sie bei der Entwicklung der Updates auf Partner angewiesen seien, etwa auf ihre System-on-Chip-Lieferanten.
  • Kunden sollen eine Schutzhülle kostenlos dazubestellen können.
  • Die Geräte müssen gemäß IPX3 gegen "Sprühwasser" geschützt sein. Das würde erlauben, die Geräte im Regen oder mit nassen Fingern zu benutzen.

Das Punktesystem soll unter anderem anzeigen, wie reparaturfreundlich die Mobilgeräte konstruiert sind. Als Vorbild dient den Fraunhofer-Forschern ein Reparierbarkeitsindex, der in Frankreich bereits Anfang 2021 eingeführt wurde (siehe unten). Eine zweite Skala soll anzeigen, wie langlebig das Smartphone oder das Tablet ist. Darin einfließen sollen unter anderem die Ergebnisse von Falltests, Staub- und Wasserdichtigkeit gemäß IP-Standard und die versprochene Update-Versorgungsdauer.

Ein weiterer Vorschlag betrifft die Akkulaufzeit: Hersteller sollen die Laufzeit mit einem einheitlichen Benchmark messen und das Ergebnis veröffentlichen, sodass Nutzer die Werte vergleichen können. Eine solche Verpflichtung würde aus Sicht der Forscher nicht nur zu einem niedrigeren Stromverbrauch führen, sondern auch zu einer längeren Lebensdauer der Geräte, da Nutzer im Alltag mit weniger Ladezyklen auskommen würden. Akkuprobleme sind laut der Studie einer der wichtigsten Beweggründe für den Kauf eines neuen Handys.

Darüber hinaus sollen Hersteller ihre Kunden besser darüber aufklären, wie sie ihre Daten zuverlässig von den Geräten löschen können. Unsicherheit über eventuell verbliebene Daten trägt laut den Forschern dazu bei, dass viele Menschen ihre abgelegten Smartphones in Schubladen lagern, statt sie weiterzuverkaufen und dadurch eine längere Nutzung zu ermöglichen.

Die Auswirkungen der genannten Vorschläge wären nach den Berechnungen der Forscher beträchtlich: CO2-Ausstoß und Materialaufwand würden demnach bis 2030 um ein Drittel zurückgehen. Der Bedarf an knappen Rohstoffen wie Tantal und Indium würde um 20 Prozent sinken.

Und auch die Verbraucher würden profitieren. Die Forscher schätzen, dass sie 17 Prozent weniger für Smartphones und Tablets ausgeben würden, weil sie seltener ein neues Gerät kaufen müssten. Höhere Reparaturkosten sind in dieser Rechnung schon berücksichtigt.

Den Herstellern und Händlern dürfte das Szenario allerdings weniger gefallen. Sie würden nach den Fraunhofer-Berechnungen im Jahr 2030 lediglich 120 Millionen Smartphones und Feature Phones in der EU verkaufen – ohne Ökodesign-Anforderungen wären es der Prognose nach 150 Millionen. Die Forscher erwähnen in ihrem Fazit, dass die Hersteller fast ausschließlich außerhalb der Union sitzen, während Reparaturbetriebe und Händler von Gebrauchtgeräten in der Regel aus den Mitgliedsstaaten kommen.

Neben den verpflichtenden Ökodesign-Anforderungen untersucht die Studie auch andere Handlungsoptionen, darunter eine Energieverbrauchskennzeichnung, wie man es von Fernsehern oder Waschmaschinen kennt, und ein Öko-Label, an dem eine Gruppe von Handynetzbetreibern arbeitet. Doch diese Optionen hätten den Berechnungen zufolge nur geringe positive Umweltwirkungen.

Voraussichtlich im Mai oder Juni wird die EU-Kommission verkünden, welche der Vorschläge sie übernehmen will. Die Mitgliedsstaaten dürfen mitbestimmen: Zwei Drittel von ihnen müssen zustimmen, damit die Regeln in Kraft treten. Aber auch die Hersteller werden sich zu Wort melden: Sollte die Kommission den IZM-Ideen folgen, dürfte ihr Widerstand massiv ausfallen.


Vorreiter bei der Regulierung von Smartphones ist Frankreich: Seit dem 1. Januar müssen Hersteller dort Verbraucher informieren, wie reparaturfreundlich ihre Geräte gestaltet sind. In den "indice de réparabilité" fließen Dutzende Kriterien ein, zum Beispiel die Zahl der Arbeitsschritte, die nötig sind, um den Akku, das Display oder die Kamera auszutauschen. Auch die Verfügbarkeit und die Preise der Ersatzteile werden berücksichtigt – dabei werden die Ersatzteilpreise ins Verhältnis zum Kaufpreis des gesamten Gerätes gesetzt.

Die Hersteller müssen ihren Punktwert anhand des offiziellen Kriterienkatalogs selbst ermitteln und an Händler weitergeben. Falschangaben sollen von 2022 an bestraft werden können. Außer für Smartphones ist der Reparatur-Index auch für Rasenmäher, Waschmaschinen, Fernseher und Notebooks verpflichtend. Weitere Gerätekategorien sollen nach und nach hinzukommen. Aus Sicht der französischen Verbraucherschutzorganisation HOP ist der Index "nicht perfekt", aber ein guter erster Schritt. Die Kriterien müssten regelmäßig nachgeschärft werden, fordern die Aktivisten. Außerdem müssten Verbraucher neben dem Gesamtwert auch Details erfahren, etwa zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen.

In Frankreich müssen Smartphonehersteller bereits heute angeben, wie reparaturfreundlich ihre Geräte sind.

(Bild: Que Choisir)

Bei Redaktionsschluss hatten die meisten großen Hersteller noch keine Reparierbarkeitswerte veröffentlicht. Detailvorschriften hatte die französische Regierung erst kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlicht.


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(cwo)