Wo geht die Reise mit den Single-Page-Applikationen hin?

Das Entwicklerteam hinter React verfolgt einen interessanten Ansatz, der dafür sorgt, dass Single-Page-Applikationen nicht mehr reine Client-Monolithen sind. Die Idee ist Client und Server wieder näher zusammenzubringen und das Beste aus dieser Kombination herauszuholen.

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Von
  • Sebastian Springer
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Das Entwicklerteam hinter React verfolgt einen interessanten Ansatz, der dafür sorgt, dass Single-Page-Applikationen nicht mehr reine Client-Monolithen sind. Die Idee ist Client und Server wieder näher zusammenzubringen und das Beste aus dieser Kombination herauszuholen.

Da erfindet Facebook einmal wieder das Backend neu. Die Rede ist vom neuesten Vorstoß von React: Server Components. Was sich auf den ersten Blick liest wie nur eine weitere Template Engine auf Basis von JavaScript, ist nur ein weiterer Schritt auf dem Weg, den das Entwicklerteam schon vor Jahren eingeschlagen hat, um Applikationen, die mit React erzeugt werden, noch performanter für die Benutzer zu machen.

Die Idee, die das React-Team verfolgt, ist jedoch nicht exklusiv für React, sondern findet sich in verschiedenen Varianten auch in den anderen großen JavaScript-Frameworks wieder. Doch worum geht es eigentlich? Die vergangenen Jahre waren in der Webentwicklung vor allem von Single Page-Applikationen (SPA) geprägt und damit einhergehend mit dem Siegeszug "großer" JavaScript-Frameworks und Bibliotheken wie Angular, Vue oder React. Eine solche SPA hat jedoch eine architekturelle Schwachstelle: Sie besteht, wie der Name schon andeutet, aus nur einer einzelnen HTML-Seite. Das bedeutet, dass auch alle benötigten Ressourcen in der Regel bereits zum Startzeitpunkt der Applikation geladen werden müssen.

Die Benutzer im Web warten nicht gerne. Man muss sich hier nur an die eigene Nase fassen: Ich rufe eine bestimmte Website auf oder lade eine Webapplikation. In den meisten Fällen habe ich ein konkretes Ziel. Das kann das Lesen eines Artikels, ein Einkauf oder die Erledigung einer Aufgabe im Arbeitsumfeld sein. Werde ich jedoch von einer weißen Seite oder einer sich vor mir schwerfällig aufbauenden Webpräsenz begrüßt, ist der gute erste Eindruck dahin und die Gegenseite muss mich ab diesem Zeitpunkt schon mit sehr guten Argumenten überzeugen, da ich mich ansonsten sehr schnell auf die Suche nach einer Alternative begebe. Das Motto lautet also "Load fast, stay fast". Dieser Ausdruck wird unter anderem von Google mitgeprägt. Und das aus gutem Grund: Die Ergebnisse, die eine Suchmaschine präsentiert, sollen zur Zufriedenheit der Benutzer sein und eine schnelle Auslieferung der Inhalte trägt zur Zufriedenheit bei. Das bedeutet, dass eine schnell ausgelieferte Applikation bessere Chancen auf eine gute Platzierung in der Ergebnisliste hat.

Doch zurück zu den SPAs. Es gibt zwei Metriken, die im Zusammenhang mit dem Laden einer Applikation von Bedeutung sind: Die Zeit, die es braucht, bis alle erforderlichen Ressourcen geladen sind, und die Zeit, bis die Benutzer in der Lage sind, mit der Applikation zu interagieren.

Eine der wichtigsten Maßzahlen bei der Entwicklung einer SPA ist die sogenannte Bundlesize. Diese Größenangabe bezieht sich auf den gebauten Code der Applikation, der initial ausgeliefert wird. In der Regel werden SPAs in reinem JavaScript oder TypeScript entwickelt und mit einem Bundler wie Webpack oder Rollup gebaut. Dieser Build-Prozess umfasst eine Vielzahl einzelner Schritte. Die wichtigsten sind der Transpile-Prozess, falls TypeScript zum Einsatz kommt, das Zusammenfügen des Quellcodes sowie die Optimierung. Für React gibt es mit Create React App ein Kommandozeilenwerkzeug, das diesen Build-Prozess vorbereitet und den Code für den Produktivbetrieb optimiert.

Immer mehr SPAs, auch im React-Umfeld, werden mit TypeScript umgesetzt. Die Sprache fügt allerdings nicht nur ein Typsystem in JavaScript ein, sondern ist auch in der Lage, verschiedene JavaScript-Features zu emulieren. Die Entwickler einer Applikation können über eine Konfigurationsdirektive angeben, in welcher JavaScript-Version der generierte Quellcode erzeugt werden soll. Je älter die Version, desto mehr Features von modernem JavaScript müssen emuliert werden. Das bedeutet aber auch, dass die Bundlesize negativ beeinflusst wird. Das Ziel ist also, eine möglichst neue Version zu verwenden, falls dies die Browser der Benutzer zulassen. Die TypeScript-Konfiguration gibt die Version des generierten JavaScript-Quellcodes vor.

Eine Applikation besteht aus vielen einzelnen Dateien, die sich jeweils um bestimmte Aspekte der Applikation kümmern: Komponenten, die die Struktur und das Aussehen der Applikation bestimmen, Services, die die Businesslogik der Applikation enthalten, und Hilfsklassen und -funktionen, die helfen, bestimmte Routinen auszulagern. Das JavaScript-Modulsystem verbindet die einzelnen Bestandteile der Applikation und hilft dabei, Abhängigkeiten aufzulösen. Zwar unterstützen die meisten modernen Browser das Modulsystem mittlerweile, sodass theoretisch der Quellcode auch in Einzelteilen zum Client übertragen werden kann. Dennoch ist es praktikabler, die Applikation in wenigen großen Dateien auszuliefern, da dadurch der Verbindungs-Overhead wegfällt und die verfügbaren parallelen Verbindungen des Browsers zum Server optimal ausgenutzt werden können. Der Bundler übernimmt die Aufgabe, die Dateien zusammenzuführen. Dabei löst beispielsweise Webpack nicht nur JavaScript-Abhängigkeiten auf, sondern ist auch in der Lage, andere Ressourcen wie CSS-Dateien in das Bundle zu integrieren.

Zur weiteren Optimierung des Ladeprozesses einer Applikation wird der Quellcode mithilfe eines Minifiers umgeschrieben. Dieser Prozessschritt sorgt dafür, dass Variablennamen verkürzt werden, unnötige Whitespaces entfernt und Kommentare gelöscht werden.

Eine weitere Möglichkeit der Optimierung bieten Bundler wie Webpack mit dem sogenannten Tree Shaking. Dabei wird ungenutzter Code im Projekt während des Build-Prozesses eliminiert, sodass nur der tatsächlich genutzte Code ausgeliefert wird. Tree Shaking ist vor allem beim Einsatz von Bibliotheken interessant, von denen nur ein Teil der Funktionalität wirklich benötigt wird.

Neben dem Tree Shaking gibt es auch innerhalb einer Applikation Bestandteile, die zwar nicht überflüssig sind, jedoch nicht initial angezeigt werden müssen. Um die initiale Bundlesize weiter zu reduzieren, können Teile der Applikation dynamisch nachgeladen werden. Diese Vorgehensweise, oft als Lazy Loading bezeichnet, sorgt dafür, dass sich der ausgelieferte Quellcode weiter verkleinert und die zusätzlichen Komponenten erst geladen werden, wenn die Benutzer sie anfragen.

Lazy Loading hat vor allem beim Route Based Lazy Loading, also dem dynamischen Laden von Komponenten basierend auf Pfaden innerhalb der Applikation, den Nachteil, dass die Benutzer warten müssen, bis der Ladevorgang abgeschlossen ist, bevor ihnen die neue Ansicht präsentiert wird. An dieser Stelle gibt es die Möglichkeit, die Ressourcen bereits vorzuladen, sodass beim Pfadwechsel bereits alle Ressourcen vorhanden sind und nur noch gerendert werden müssen. Diese Verbesserungen tragen dazu bei, dass die SPA schneller zu den Benutzern ausgeliefert werden kann und die Zeitspanne bis zur Anzeige der Applikation deutlich verkürzt wird.

An dieser Stelle kommt jedoch ein weiteres Problem der SPAs zum Tragen: Die Applikation wird komplett über JavaScript aufgebaut. Das bedeutet, dass der Browser zunächst ein leeres div-Element, also eine leere Seite, anzeigt und die Benutzer erst etwas von der Applikation sehen, nachdem React seine Arbeit verrichtet hat und alle Komponenten der Applikation erzeugt und in das DOM eingehängt hat. Diese Phase weist ebenfalls enormes Potenzial für Verbesserungen auf: Statt eine leere Seite auszuliefern und sie dann mittels JavaScript zu befüllen, gehen die Entwickler von SPAs einen Schritt in der Geschichte der Webentwicklung zurück und überlassen dem Webserver die Arbeit, die HTML-Struktur der Applikation vorzubereiten und bereits fertig auszuliefern. Dieser Schritt hat nur noch wenig mit den traditionellen Template-Engines zu tun.

Stattdessen bietet beispielsweise React mit dem ReactDOMServer ein Objekt, das verschiedene Methoden zur Erzeugung von HTML-Strukturen auf Serverseite enthält. Diese werden dann wie traditionelle HTML-Seiten zum Browser der Benutzer gesendet. Dort übernimmt dann das Framework die Kontrolle über die HTML-Struktur. Dieser Prozess wird in React Hydration genannt. Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, können die Benutzer vollständig mit der Applikation interagieren. Der Vorteil von diesem Server-Side Rendering genannten Prozess ist, dass den Benutzern die Informationen bereits sehr früh zur Verfügung stehen und der Hydration-Prozess vergleichsweise schnell abläuft.

Die Idee, eine Applikation komplett im Client umzusetzen, hat sich also als nicht optimal herausgestellt, und so schlagen die Entwickler von React gerade einen sehr interessanten Weg ein, indem sie versuchen, Client und Server noch enger miteinander zu verknüpfen, als es bislang schon mit Server-Side Rendering der Fall ist.

Das Ergebnis sind die Server Components. Dabei handelt es sich um reguläre React-Komponenten, die allerdings nicht zum Client gesendet werden, sondern direkt auf dem Server ausgeführt werden. Sie können auf die Ressourcen des Servers zugreifen und sich so selbst mit Daten versorgen. Außerdem können sie bestimmen, welche Komponenten für die clientseitige Darstellung gerendert werden. Durch Server Components können Entwickler schon serverseitig viel tiefer in den Aufbau einer Applikation eingreifen, sodass wirklich nur noch die Strukturen zum Client gesendet werden, die dort benötigt werden. Außerdem können hier serverseitige Caching-Mechanismen eingesetzt werden, um die Auslieferung der Applikationen noch weiter zu beschleunigen.

Noch befindet sich dieses Feature in einem sehr frühen Stadium, jedoch zeigen dieses und ähnliche Features, wo die Reise für Frontend-Entwickler hingehen könnte. ()