Vorarbeit zur Weltrettung: Diese technischen Hürden liegen vor der Dart-Mission

Kann ein Aufprall mit 24.000 km/h einen Asteroiden aus der Bahn werfen und verhindern, dass er die Erde trifft? Die gestartete Dart-Mission soll's herausfinden.

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Wissenschaftler installieren elektrische Systeme an der Dart-Sonde, die einen Asteroiden aus seiner Bahn lenken soll.

(Bild: NASA/Johns Hopkins APL/Ed Whitman)

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Lesezeit: 15 Min.
Von
  • David W. Brown
Inhaltsverzeichnis

In einem Reinraum in Gebäude 23 des Laboratoriums für angewandte Physik der Johns Hopkins University in Laurel, Maryland, hängt die Dart-Sonde wie ein zerbrochenes kubistisches Ei. Gerade wird der Star Tracker für die Positionsbestimmung im All am Kern montiert. Das Avioniksystem, der Zentralcomputer von Dart, hängt gut sichtbar an quadratischen Paneelen. Sie bilden die Seiten, sobald das Raumfahrzeug zusammengeklappt ist. Gyroskope und Antennen sind freigelegt.

In einem Raum nebenan wartet das experimentelle Antriebssystem namens Next-C. Große Bündel dicker, mit silberner Isolierung umwickelter Kabel hängen wie Ranken von der Raumsonde herunter und laufen am Boden entlang zum Kontrollraum. Dort sind sie mit einer gewaltigen Batterie von Testcomputern verbunden, die vier Ingenieure bedienen. Das Ziel all der Arbeit: Die Erde vor gefährlichen Asteroiden retten, sollten diese sich eines Tages auf unseren Planeten zubewegen.

Seitdem die sowjetische Sonde Luna 1 am 2. Januar 1959 als erstes Raumschiff die Erdumlaufbahn verlassen hat, hat die Menschheit etwa 250 Sonden in das Sonnensystem geschickt. Doch Dart (Double Asteroid Redirection Test) ist die erste Sonde, die das Sonnensystem nicht nur untersuchen, sondern es manipulieren will. Dart wurde entwickelt, um auf einen Asteroiden namens Dimorphos zu stürzen. Der Aufprall soll die Geschwindigkeit von Dimorphos um etwa einen Millimeter pro Sekunde verändern und demonstrieren, dass es möglich ist, einen solchen Asteroiden, der in unsere Richtung fliegt, aus seiner Bahn zu lenken.

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Das Minor Planet Center, das im Auftrag der Internationalen Astronomischen Union Daten über Asteroiden, Zwergplaneten und Kometen sammelt und veröffentlicht, verzeichnet insgesamt etwa 800.000 Asteroiden, von denen fast 24.000 in einer erdnahen Umlaufbahn fliegen. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde seit 1998 entdeckt, als der US-Kongress der Nasa zehn Jahre Zeit gab, jedes erdnahe Objekt mit einem Durchmesser von mehr als einem Kilometer zu identifizieren. Dank statistischer Analysen gehen die Astronomen davon aus, dass sie etwa 95 Prozent der großen erdnahen Asteroiden gefunden haben – das sind die, die unsere Zivilisation zerstören würden, würden sie unseren Planeten treffen.

Auf ihrer Reise wird die Sonde einen neuartigen Ionenantrieb testen.

(Bild: NASA/JOHN HOPKINS APL)

Es sind riesige Felsen mit einem Durchmesser von mehreren Kilometern, und keiner der bekannten bedroht die Menschheit in nächster Zeit. Wenn sie jedoch einschlagen, hat das katastrophale Folgen: Der Chicxulub-Einschlag, der mutmaßlich zum Aussterben der Dinosaurier führte, soll von einem Objekt von etwa 16 Kilometern Durchmesser verursacht worden sein. Aber auch kleinere Asteroiden sind für die Erde gefährlich – und diese kleineren Felsbrocken sind deutlich schwieriger zu entdecken: 2013 explodierte über Tscheljabinsk in Russland ein Meteor mit der Wucht einer mittelgroßen Atombombe. Das Tscheljabinsk-Objekt hatte einen Durchmesser von etwa 20 Metern. Als er einschlug, zerbrachen die Fenster auf einer Fläche von über 500 Quadratkilometern in einem dicht besiedelten Gebiet – mitten im Winter. 1.700 Menschen wurden verletzt, meist durch Glasscherben. In diese Kategorie gehört auch Dimorphos – der allerdings nicht auf Kollisionskurs mit der Erde fliegt.

„Vor vierzig Jahren wussten wir nicht, ob wir am kommenden Dienstag in einer Woche von einem riesigen Killer-Asteroiden ausgelöscht werden könnten. Diese besondere Gefahr der Unwissenheit ist nun gebannt“, sagt Tom Statler, Wissenschaftler des Dart-Missionsprogramms im Nasa-Hauptquartier. Aber Objekte, die weniger als 150 Meter messen, also etwa so groß wie Dimorphos sind, sind für die derzeitigen Observatorien – sowohl terrestrische als auch satellitengestützte – schwer auszumachen. Sie würden mit der Gewalt der größten Atombombe der Geschichte einschlagen. Im Moment, so Statler, sei vielleicht ein Viertel der Gesamtzahl der potenziell gefährlichen kleinen Objekte identifiziert. „Wenn wir nicht wissen, wo sie sich befinden“, sagt er, „dann sind wir nicht in der Lage vorherzusagen, wann ein Einschlag stattfinden könnte und wann wir eventuell eine Ablenkung vornehmen müssen.“