Studien zu Laptop gegen Stift im Unterricht: Unentschieden

Forscher konnten die Ergebnisse einer bekannten Studie, die gerne von Gegnern der Digitalisierung in Schule und Uni zitiert wird, nicht replizieren.

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Laptop vs. Stift: Egal oder wsa?

(Bild: Photo by Scott Graham on Unsplash)

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Ist es besser, Notizen handschriftlich zu verfassen, oder sollte man Gehörtes besser abtippen, weil man die Informationen sowieso digital weiter verarbeitet? Die auf den ersten Blick harmlos erscheinende Frage hat zu leidenschaftlichen wissenschaftlichen Streitereien geführt, denn Gegner der Digitalisierung in Schulen argumentieren gerne mit Argumenten aus der "Embodied Intelligence".

Diese Schule der Kognitionsforschung betont, dass Bewusstsein von der physischen Interaktion des Körpers mit der Umgebung geprägt wird. Konkreter: Der Hippocampus, in dem automatisierte Bewegungen abgelegt werden, stammt vom räumlichen Orientierungssystem der frühen Wirbeltiere ab. Informationen, die auf Papier geschrieben werden ließen sich demnach im wahrsten Sinne des Wortes leichter "begreifen", im Unterschied zu Informationen, die auf einem Bildschirm erscheinen.

Die These ist zwar durchaus umstritten. Der Streit schien aber entschieden, als Pam Mueller, Psychologin an der Princeton University gemeinsam mit Daniel Oppenheimer, heute an der University of California Los Angeles (UCLA), 2014 eine Untersuchung vorlegten, die das mit Zahlen belegen sollte. Dafür bekamen zunächst 65 Collegestudenten Videovorträge zu sehen. Sie machten sich entweder auf Laptops oder per Stift und Notizblock Notizen und mussten eine halbe Stunde später Fragen zum Inhalt der Vorträge beantworten. Beim Faktenwissen lagen beide Gruppen gleich auf, beim konzeptionellen Wissen lag die handschriftliche Gruppe aber vorn.

Jetzt dürfte die Diskussion jedoch wieder aufflammen. Denn Forschende haben versucht, die Studie von 2014 zu replizieren - was ihnen jedoch nicht gelungen ist. Zwar konnten Heather Urry und Chelsea Crittle von der Tufts University und ihr Team in einem ähnlichen Versuchsaufbau bestätigen, dass Studierende am Laptop ausführlichere Notizen machten und mehr wörtliche Rede in ihren Aufzeichnungen unterbrachten. Ein besseres Abschneiden in nachfolgenden Tests ergibt sich daraus jedoch nicht.

"Wenn Original- und Replikationsstudien unterschiedliche Ergebnisse finden, gibt es drei Interpretationen: 1) es gab ein Problem mit der Replikation; 2) es gab ein Problem mit der ursprünglichen Untersuchung und 3) das untersuchte Phänomen ist nicht beständig oder universell", schreiben die Autorinnen. "Diese Interpretationen schließen sich nicht gegenseitig aus". Als eine gravierende Schwäche der ursprünglichen Untersuchung kritisieren sie beispielsweise, dass die Probanden das Medium Stift oder Computer wählen durften, das ihnen am meisten liegt. Ein Gegencheck unabhängig von den Präferenzen fand genausowenig statt, wie ein Vergleich mit Probanden, die gar keine Notizen gemacht hatten. Als schwerwiegend kritisierten sie zudem, dass die Versuchsteilnehmer keine Zeit hatten, sich anhand ihrer Notizen auf den Test vorzubereiten – was normalerweise ja passieren würde.

Ihr Fazit daher: "Bis künftige Forschungen klären kann, ob und wann das richtige Medium für Notizen die akademische Leistung beeinflusst, kommen wir zu dem Schluss, dass Studenten und Professoren, die sich Sorgen über nachteilige Auswirkungen von Computernotizen machen, den Laptop noch nicht wegwerfen müssen. Es gibt noch mehr Arbeit zu tun mit Methoden, die den tatsächlichen Bildungskontext besser berücksichtigen."

Daniel Oppenheimer sieht die Studie von Urry allerdings weniger als Widerlegung seiner Ergebnisse sondern mehr als eine "Verallgemeinerung". "In unseren ursprünglichen Studien brachten wir die Teilnehmer in eine kontrollierte Laborumgebung, die ruhig und ablenkungsfrei war", schreibt er auf Anfrage von heise online. In den Studien von Urry gab es jedoch viel mehr Ablenkungen und Störungen. "In Anbetracht der Tatsache, dass der psychologische Schlüsselmechanismus, von dem wir annahmen, dass er den Vorteil der handschriftlichen Notizen bewirkt, das tiefere Denken ist, ist das Testen von Personen in stark ablenkenden Umgebungen nicht wirklich fair."

Dennoch sei die Studie von Urry eine "wichtige Arbeit", denn auch in der realen Welt "lernen die Studenten normalerweise nicht in streng kontrollierten Laborumgebungen", schrbeit Oppenheimer. "Klassenzimmer sind voll von Ablenkungen und Lärm, und so kann Urrys Studie aufschlussreich darüber sein, ob die ursprünglichen Ergebnisse auf natürlichere Situationen verallgemeinert werden können." Trotz dieser Einwände wolle er die Zuverlässigkeit seiner ursprünglichen Studie noch einmal "unter kontrollierten Laborbedingungen" prüfen, schreibt er. "Der einzige Weg, die Wahrheit zu erfahren, ist, sie zu testen!" (wst)