IT-Branche verschärft Lobbying für Kopierschutzsysteme

Digital Rights Management soll das Bewusstsein der Nutzer stärken, dass Kopieren kein Kavaliersdelikt ist.

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Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) hat die Bundesregierung erneut aufgefordert, die bis Ende 2002 anstehende Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht für die Einführung individueller Abrechnungssysteme mit Hilfe von Digital Rights Management (DRM) zu nutzen. Die Pauschalabgaben auf technische Kopiergeräte und Leermedien zur Entschädigung der Kreativen, die der Industrie seit langem ein Dorn im Auge sind, sollen weit gehend wegfallen. "Wo immer neue, digitale Systeme verkauft werden, sollten auch individuelle Lizenzierungsverfahren zum Einsatz kommen", erklärte Bernhard Rohleder, Vorsitzender der Geschäftsführung des BITKOM, am Montagabend in Berlin.

Einen großen Vorteil von DRM-Systemen sieht Rohleder im verbesserten Schutz gegen Piraterie. Durch die pauschalen Urheberabgaben habe sich in der Bevölkerung das Verständnis festgesetzt, dass jeder beliebig viele Kopien eines gekauften Werks erstellen und weitergeben dürfe. Ein derart "kriminelles Verhalten" gelte als "Kavaliersdelikt". Dank technischer Verfahren zum Kopierschutz und zum Rechtemanagement, die das Kopieren und Tauschen von digitalen Inhalten strengen Regeln unterwerfen, werde Endverbrauchern dagegen der Wert des geistigen Eigentums verdeutlicht.

"Mit DRM wird das Bewusstsein gestärkt, dass Piraterieakte unter den Rahmen des Straf- beziehungsweise Zivilrechts fallen", erklärte der BITKOM-Chef. Der Gesetzgeber müsse dazu natürlich den Schutz vor Umgehungen der Kopierblocker gewährleisten. Urhebern soll den Vorschlägen des BITKOM entsprechend nur noch dann ein Anspruch auf Vergütungen zustehen, wenn sie ihre Produkte unter die digitale Plombe bringen und "zumutbare technische Schutzmaßnahmen" anwenden. Wer sein Werk gegenüber jedermann unentgeltlich anbiete, habe keinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung.

Mit seinen Forderungen scheint der BITKOM der Technik noch voraus zu sein: Zahlreiche Anbieter von DRM-Systemen und vor allem die Plattenlabels kämpfen mit unausgereiften Lösungen. So scheiterte die Musikindustrie mit ihrer Secure Digital Music Initiative (SDMI), mit der sich die Branche mit den Geräteherstellern auf Schutzverfahren einigen wollte. "Standards gibt es im gesamten DRM-Bereich noch keine", gibt Thomas Kleesch, Engagementmanager bei IBM Deutschland, zu. Eines der bekanntesten Rechtemanagementsysteme, das DRM-2 von Microsoft, wurde zudem im Oktober Opfer eines Crackers. Datenschützer halten die DRM-Technik auch wegen der aufgezeichneten Nutzerprofile für bedenklich.

Rohleder ist dagegen der Ansicht, "dass die Produkte schon heute funktionieren." Sein Kronzeuge ist das Electronic Media Management System (EMMS) von IBM. "Das Verfahren ist seit zwei Jahren in Japan im Einsatz und bisher nicht gehackt worden", bestätigt der DRM-Experte Kleesch. Da jedes Lied mit einem gesonderten Schlüssel gesichert werde, lohne sich das Knacken nicht. Prinzipiell sei zwar jedes Kopierschutzsystem angreifbar, es komme aber auf das richtige Aufwand-Nutzen-Verhältnis an.

Erste Kunden kann Big Blue vorweisen: Sony setzt das seit 1997 entwickelte EMMS für einen Online-Music-Shop ein, NTT Docomo hat eine Download-Lösung für die mobile i-mode-Welt realisiert. Der Markt steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Die Zahl der über das Sony-Angebot verkauften Stücke schätzt Kleesch auf rund 24.000 Titel im Monat. Zum Vergleich: Napster kam in seinen letzten Tagen vor der vorübergehenden Schließung der Tauschbörse auf ein monatliches Download-Volumen von rund 2,79 Milliarden Musikdateien.

Die große Unbekannte im Poker der Verbände und Hersteller um die DRM-Zukunft ist somit nach wie vor der Verbraucher. Denn die erworbenen Rechte sind schnell "verzehrt": Dreimal abspielen -? schon ist der Download wertlos. Das "Recht, die Festplatte zu sichern" und dadurch Titel am Leben zu erhalten, bleibe zwar erhalten, erklärt der IBM-Manager Kleesch. Wer dieses Verfahren allerdings zu oft nutze, werde erst nach Kontakt mit dem Call-Center wieder freigeschaltet. Derartige Gängelungen können auch nach hinten los gehen und immer mehr ernsthafte Nutzer Napsters Erben in die Arme treiben. (Stefan Krempl) / (jk)