Gehirnstimulation gegen Zwangsstörungen

US-Forscher haben mit transkraniellen Wechselströmen, die individuellen Lernschaltkreisen angepasst waren, monatelange Linderung bewirkt.

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(Bild: ColiN00B)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Individuell angepasste elektrische Reize, die ohne Operation ins Gehirn geleitet werden, können Zwangsstörungen bis zu drei Monate lang lindern. Das schreiben US-Forscher von der Boston University im Fachjournal „Nature Medicine“.

Menschen mit Zwangsstörungen leiden unter wiederkehrenden, angstauslösenden Gedanken und Zwängen. Sie müssen zum Beispiel immer und immer wieder Gegenstände zählen, putzen oder überprüfen, obwohl sie erkennen, wie übertrieben das ist. Versuchen sie, die Zwangshandlungen zu unterdrücken, treten Angstzustände auf. Davon versuchen sie sich durch die Wiederholungen abzulenken, die als Belohnung empfunden werden.

Die Bostoner Forscher konzentrierten sich bei ihrer Studie auf Gehirnschaltkreise im Vorderhirn über den Augenhöhlen, die für das Lernen nach dem Belohnungsprinzip wichtig sind, bei Zwangsstörungen aber offenbar nicht mehr korrekt arbeiten und Abweichungen im Beta-Gamma-Wellenbereich zeigen. Die Forscher hofften, dass eine Manipulation dieser Gehirnrhythmen den zwanghaften Belohnungskreislauf durchbrechen kann.

Der Doktorand Shrey Grover aus dem Labor von Robert Reinhart ließ 60 Probanden zunächst eine Lernaufgabe absolvieren und zeichnete dabei ihre individuellen Beta-Gamma-Gehirnwellen in dem Zielbereich auf. Anschließend teilte er die Teilnehmer in drei Gruppen ein und stimulierte das Gehirngebiet per transkranieller Wechselstromstimulation, also nichtinvasiv durch die Schädeldecke, auf verschiedene Weise: Einmal eng an ihre Lern-Gehirnwellen angepasst, einmal deutlich niederfrequenter als eine Art aktives Placebo und die letzte Gruppe erhielt als echtes Placebo keine Simulation.

Die Therapie dauerte fünf Tage lang täglich 30 Minuten. Tatsächlich scheint die personalisierte Stimulation dazu zu führen, dass die Probanden sich nicht nur auf eine Handlungsmöglichkeit beschränken, sondern bereit sind, auch andere auszuprobieren. Im zweiten Studienteil stimulierten die Forscher dann in einem ähnlichen Experiment die Gehirne von 64 neuen Probanden, die zwar keine formale Zwangsstörungsdiagnose hatten, aber deutliche Symptome zeigten. Wieder erwies sich die angepassten Gehirnwellenmanipulation als am hilfreichsten. Am meisten schienen Probanden mit besonders vielen Symptomen zu profitieren.

Die Forscher hoffen, dass sich ihre Ergebnisse auch auf andere Zwangserkrankungen übertragen lassen, zum Beispiel Essstörungen, Spielsucht und andere Suchtkrankheiten. Wissenschaftler wie Carolyn Rodriguez von der Stanford University, die ebenfalls auf Behandlungsmöglichkeiten für Zwangsstörungen erforschen, wenden ein, dass sich die Methode auch bei formal diagnostizierten Patienten bewähren müssen. Darüber hinaus müsse sie auch zeigen, dass sie mit anderen nicht-invasiven Methoden wie der transkraniellen Magnetstimulation mithalten kann. (vsz)