Reddit vs. Wall Street: Kritik an Anleger-Apps, US-Kongress schaltet sich ein

Es gleicht einem perfekten Sturm gegen die Wall Street. Nachdem Apps für Kleinanleger den Aktienkauf beschränkt hatten, wollen US-Politiker das untersuchen.

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(Bild: metamorworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Die Geschehnisse rund um die Aktien von Gamestop haben am Donnerstag die höchsten Ebenen der US-Politik erreicht. Nachdem Anleger-Apps wie Robinhood ihren Nutzern die Möglichkeit genommen hatten, Wertpapiere bestimmter Unternehmen zu kaufen, kündigte unter anderem der künftige Vorsitzende des Bankenausschusses im US-Senat, Sherrod Brown, eine Anhörung "zum aktuellen Zustand des Aktienmarkts" an. Ranghohe Vertreter der Demokratischen Partei forderten Aufklärung und erhielten dabei teilweise Unterstützung von sonst erbitterten Gegnern aus den Reihen der Republikaner. Derweil verteidigte der Geschäftsführer von Robinhood das Vorgehen.

Bei der Debatte geht es um das Kräftemessen zwischen Anlegern und Kleinanlegern sowie Hedgefonds rund um die Aktien von Gamestop, das diese Woche enorm an Fahrt gewonnen hatte. Nutzer auf Reddit hatten seit Wochen Werbung für die Aktien des kriselnden Spielehändlers gemacht. Der daraus resultierende Anstieg des Aktienkurses hatte Shortseller in die Bredouille gebracht, die immense Summen auf fallende Kurse gesetzt hatten und mit jedem Kursplus riesige Verluste anhäuften. Zwischenzeitlich waren mehr als 100 Prozent der Gamestop-Aktien geshorted und die Kleinanleger hatten dieses Missverhältnis gezielt ausgenutzt. Dabei hatten sie auch immer mehr Nachahmer gefunden. Mit Melvin Capital hatten sie schließlich einen milliardenschweren Hedgefonds an den Rand des Ruins getrieben.

In der Erwartung immer weiter steigender Kurse hatten die Neuanleger zuletzt immer mehr Anteile erworben und sich geweigert, diese wieder zu verkaufen. Gleichzeitig war es für die Shortseller immer enger geworden. Derweil hatte die verantwortliche Reddit-Community r/wallstreetbets schon weitere Aktien ausgemacht, bei denen das Vorgehen erfolgversprechend sein dürfte. Doch dann hatten beliebte Anlege-Apps dem am Donnerstag einen Riegel vorgeschoben. Angefangen hatte Robinhood und es Nutzern unmöglich gemacht, die betroffenen Aktien zu kaufen. Nur Verkäufe waren möglich. Folgerichtig sanken die Kurse in der Folge deutlich, andere Apps wie die in Deutschland verfügbare Trade Republic agierten ähnlich. Nicht nur die Nutzer empfanden das als Parteinahme für die Investoren an der Wall Street und neben lautstarker Kritik gab es auch direkt eine erste Sammelklage.

Auf Twitter kam Kritik an dem Vorgehen unter anderem von der linken Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez und der Senatorin Elizabeth Warren. Aber auch der Sohn des Ex-Präsidenten Donald Trump Jr. übte scharfe Kritik an Robinhood. Nicht nur im US-Senat könnte die Angelegenheit noch ein Nachspiel haben, auch die Vorsitzende des Finanzausschusses im Repräsentantenhaus, Maxine Waters, plant Berichten zufolge eine Anhörung. Dabei soll es um die jüngsten Turbulenzen am Finanzmarkt und um die Rolle von Hedgefonds dabei gehen. Es sei an der Zeit für die Börsenaufsicht SEC und den Kongress dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft für alle funktioniere, nicht nur für die Wall Street, erklärte derweil US-Senator Brown: "Die Leute an der Wall Street scheren sich nur um die Regeln, wenn sie diejenigen sind, denen es wehtut".

Aber nicht nur die Anleger-Apps hatten in dem Machtkampf anscheinend Stellung bezogen. Die Nachrichtenagentur Reuters meldet, dass Facebook eine Gruppe gesperrt hat, in der sich mehr als 150.000 Nutzer über Anlagemöglichkeiten auf Robinhood ausgetauscht und organisiert hatten. Ihrem Gründer zufolge handelte es sich um die größte Gruppe ihrer Art, schreibt Reuters noch. Facebook habe den Schritt mit unerlaubter Verbreitung von Missbrauchsinhalten begründet, so etwas will der Gruppen-Administrator dort aber nie gesehen haben.

Robinhood hatte dann am Donnerstagabend angekündigt, die Handelsbeschränkungen für die Wertpapiere teilweise lockern zu wollen. Daraufhin legten die Aktien von Gamestop im nachbörslichen Handel einmal mehr um über 70 Prozent zu, die von AMC um fast 50 Prozent. Auch die Papiere anderer Unternehmen wie etwa des Smartphone-Pioniers Blackberry, für die ebenfalls Einschränkungen galten, legten einmal mehr kräftig zu. Der Geschäftsführer von Robinhood, Vlad Tenev, versicherte in mehreren Interviews im US-Fernsehen, die Handelseinschränkungen seien zum Schutz des eigenen Unternehmens und seiner Kunden beschlossen worden.

[Update 29.01.2021 – 09:40 Uhr] Nachdem Zehntausende Nutzer die App von Robinhood im Play Store von Android zuletzt mit schlechtmöglichsten Bewertungen überzogen hatten, hat Google das offenbar rückgängig gemacht. Hatte die App am Donnerstag bei insgesamt weit über 200.000 Bewertungen einen Schnitt von einem Stern, sind es inzwischen bei weniger als 180.000 über vier Sterne.

Robinhood im Play Store (2 Bilder)

Screenshot vom Donnerstag

(mho)