"Stinkt nach Korruption" – Gamestop-Streit gerät ins Visier der Justiz

In den USA haben sich erste Justizbehörden in den Aktien-Wirbel um Gamestop eingeschaltet. Auch die Grünen bitten um eine Bewertung der Situation für Europa.

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(Bild: Zakharchuk/Shutterstock.com)

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In die Auseinandersetzung um die Spekulationen mit Aktien des Videospielhändlers Gamestop und anderer Unternehmen an der US-Börse haben sich die ersten Justizbehörden eingeschaltet. Der texanische Generalstaatsanwalt Ken Paxton teilte am Freitag (Ortszeit) mit, Informationen von Robinhood und einer Reihe weiterer Online-Broker angefordert zu haben, um herauszufinden, ob bei den Beschränkungen des Handels mit Aktien von Gamestop und einigen anderen Firmen alles mit rechten Dingen zugegangen sei.

Es gebe anscheinend Absprachen von Hedgefonds mit Handelsplattformen und Web-Servern zur Abwehr von Bedrohungen von deren Marktdominanz. Die Unternehmen der Wall Street dürften nicht zu ihrem eigenen Vorteil den öffentlichen Zugang zum freien Markt beschränken, teilte der Staatsanwalt mit. "Es stinkt nach Korruption." Bei dem Konflikt stehen sich Hedgefonds, die auf den Verfall von Aktien angeschlagener Firmen wetten, und teils in Online-Foren organisierte Hobby-Anleger gegenüber, die die Kurse mit konzertierten Käufen nach oben treiben.

Durch die Handelsrestriktionen von Brokern wie Robinhood sehen sich die Kleinanleger, die in dem Kräftemessen zuletzt die Oberhand hatten, auf ihrer Gewinnstrecke ausgebremst. Einige Hedgefonds erlitten bei ihren Wetten extrem hohe Verluste, deshalb gibt es den Verdacht, dass die Handelsplattformen ihnen den Rücken freihalten. Robinhood und Co. streiten dies ab, doch die Empörung ist nicht nur bei der Anleger-Community groß, sondern auch in der Politik. New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James will ebenfalls ermitteln.

In Europa deuten Kursveränderungen von Evotec und Varta auf ähnliche Vorgehensweisen hin. Der Handel durch Kleinanleger sei durch die provisionsfreien Apps wie Robinhood und die Corona-Pandemie – und der damit verbundenen freien Zeit im Lockdown – massiv beschleunigt worden, erklärt der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold gegenbüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Angesichts der Turbulenzen um Gamestop fordern die Grünen nun eine Überprüfung der Regelung für den Aktienhandel in Europa.

"Wir sollten nicht abwarten, bis es ähnliche Probleme auch in der EU gibt", erklärte der Finanzexperte Giegold dem RND weiter. Die großen Leerverkaufspositionen auf Varta und Evotec würden darauf hindeuten, dass die Regeln für Leerverkäufe, die nach der großen Finanzkrise eingeführt wurden, die Marktintegrität nicht wirksam gewährleisten würden, so Giegold weiter. Das Europaparlament müsse die zuständige Europäische Aufsichtsbehörde so schnell wie möglich um eine Bewertung der ungewöhnlichen Ereignisse in den USA bitten, zusätzlich müsse sich der Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments damit befassen.

Giegold selbst zeige große Sympathien für die Kleinanleger, berichtet das RND weiter, obwohl "sie große institutionelle Anleger mit ihren eigenen Waffen geschlagen haben", bestehe auch "ein großes Potenzial für unzulässige Beeinflussung und Betrug" und Gefahren für unerfahrene Kleinanleger, die zu hohen Verlusten führen könnten.

An der Börse gingen die Kurskapriolen der betroffenen Aktien am Freitag unterdessen munter weiter. Nachdem die Handelsbeschränkungen vom Vortag zumindest etwas gelockert wurden, schlossen die Papiere von Gamestop mit 68 Prozent im Plus, die der ebenfalls stark im Fokus der Spekulationen stehenden Kinokette AMC legten um 54 Prozent zu. Doch der Frust der Anleger über Robinhood ist inzwischen so groß, dass sich am Freitagnachmittag (Ortszeit) bereits 26.000 von ihnen über eine spezielle App einer Sammelklage angeschlossen hatten.

Die US-Börsenaufsicht SEC hatte vor Handelsstart erneut bekräftigt, die Vorgänge rund um den Gamestop-Hype zu untersuchen. Die SEC versprach, Kleinanleger zu schützen, wenn die Faktenlage auf manipulative Handelsaktivitäten hinweise. Die Aufsicht werde für "faire, ordentliche und effiziente Märkte" sorgen. Angesichts der großen Aufregung richtete die Behörde extra ein Online-Formular ein und forderte betroffene Anleger zudem auf, sich per E-Mail oder Telefon-Hotline an die SEC zu wenden. Dem Finanzsender CNBC zufolge waren am Freitagnachmittag bereits 4.000 Beschwerden eingegangen.

(bme)