HIV-Therapie: Monatsspritze statt Pillencocktail

Die europäische Behörde EMA hat eine erste Langzeittherapie für HIV-Patienten zugelassen, für die sie nicht mehr täglich Tabletten schlucken müssen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen

(Bild: Sylvietr / cc-by-sa-4.0)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Medikamente haben aus einer HIV-Infektion eine chronische Krankheit gemacht. Allerdings müssen Patienten viele Tabletten einnehmen, um die Infektion unter Kontrolle zu behalten. Ein neues Behandlungsschema, das die Pillenflut durch ein- bis zweimonatliche Spritzen ersetzt, dürfte deshalb für viele eine deutliche Erleichterung bedeuten. Ende 2020 wurde die Behandlung, eine Kombination aus Vocabria (Wirkstoff: Cabotegravir) und Rekambys (Wirkstoff: Rilpivirin), in Europa zugelassen.

Die Therapie ist für erwachsene Patienten geeignet, deren Erkrankung mit antiviralen Medikamenten stabil unterdrückt ist, also eine extrem geringe Viruslast von weniger als 50 RNA-Kopien pro Milliliter aufweist. Die Rekambys-Komponente hemmt das HIV-Enzym, mit dem das Virus sein RNA-Erbgut in DNA umschreibt (reverse Transkriptase). Vocabria wiederum hindert ein zweites virales Enzym daran, umgeschriebene DNA-Abschnitte in das Erbgut der Patienten einzubauen. Die Kombination soll damit den Reproduktionszyklus des Erregers hemmen.

Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählte 2019 weltweit 38 Millionen HIV-Infizierte. Eine Heilung gibt es bisher nicht. Das Virus schwächt das Immunsystem, indem es für eine Immunantwort wichtige CD4-Zellen befällt. Dadurch werden Patienten für Krankheiten wie Krebs viel anfälliger. Die etablierten antiviralen Therapien bestehen meist aus einer Kombination zweier Wirkstoffklassen, die die virale Reproduktion unterdrücken und die Zahl der CD4-Zellen steigern sollen.

Der Vocabria-Baustein der Therapie stammt von ViiV Healthcare, einem Joint Venture der Pharma-Unternehmen GlaxoSmithKline (GSK), Pfizer und Shionogi. Rekambys wurde von der Johnson & Johnson-Tochter Janssen entwickelt. ViiV-Healthcare-Chefin Deborah Waterhouse zufolge bevorzugen neun von zehn Patienten die Spritze auch dann, wenn sie dafür extra zum Arzt gehen müssen. Neben einer monatlichen Doppelspritze mit den beiden Wirkstoffen ist auch eine zweimonatliche Doppeldosis verfügbar.

Die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung wurden in drei Phase-III-Studien mit mehr als 1000 HIV-Infizierten untersucht. Die Probanden wurden zufällig zwei Gruppen zugeteilt und bekamen wissentlich entweder das neue Mittel oder ihren gewohnten Tabletten-Cocktail. Dabei zeigte sich die Spritzenbehandlung genau so effektiv im Unterdrücken der Viruslast wie die Vergleichstherapien. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten Reaktionen an der Injektionsstelle, Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schmerzen des Bewegungsapparates, Übelkeit, Schlafstörungen, Schwindel und Hautausschlag.

(vsz)