Immer mehr Weltraummissionen bringen Proben auf die Erde zurück

Die USA, Japan, China und andere Raumfahrtnationen haben ihre Sondenprogramme erweitert – künftig gibt es häufiger eine Rückfahrkarte.

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(Bild: NASA/JPL-Caltech)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Neel V. Patel
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Das All aus der Ferne zu beobachten ist zu Forschungszwecken sinnvoll, doch manchmal muss man doch näher ran. Die größten Fragen der Weltraumforschung – wie das Sonnensystem entstanden ist, wie das Leben auf die Erde kam oder ob es jemals welches in uns benachbarten Welten gab – kann nur dann korrekt beantwortet werden, wenn man Material von diesen Orten direkt untersucht.

Das heißt im Klartext: Man muss sich Proben beschaffen und sie für Untersuchungszwecke zurück auf die Erde bringen. "Simulationen greifen nur bis zu einem bestimmten Punkt", sagt Tanja Bosak, Geobiologin am MIT. "Die Proben helfen uns zu testen und herauszufinden, ob unsere Annahmen über die Funktionsweise des Universums richtig sind."

2020 stellte sich als erfolgreiches Jahr im Hinblick auf sogenannte "Sample Return"-Missionen heraus, bei denen ferngesteuerte Raumfahrzeuge ihr aufgefundenes Material wieder zur Erde brachten. Die OSIRIS-REx Mission der NASA landete erfolgreich auf dem Asteroiden Bennu und sammelte eine üppige Materialmenge ein, um sie nach Hause zu bringen. Die Rückkehr wird im Mai beginnen. Im vergangenen Dezember brachte Japans Hayabusa2-Mission endlich Proben des Asteroiden Ryugu zurück. Einige Wochen später lieferte schließlich China die erste neue Ladung Mondgestein seit über 45 Jahren.

Die aufregendsten Sample-Return-Programme stehen allerdings noch aus. In wenigen Wochen wird der im letzten Jahr gestartete Perseverance-Rover der NASA auf dem Mars landen, um die Landschaft nach früherem (oder gar aktuellem) Leben abzusuchen. Hierfür wird nach Bodenproben gebohrt, die für die Rückkehr auf die Erde zu einem späteren Zeitpunkt eingelagert werden sollen. Von China wird mit der Chang'e-6-Mission eine weitere Mondgestein-Lieferung auf die Erde bis zum Jahr 2023 erwartet.

Russland wird mit der Luna-28-Mission wiederum im Jahr 2027 nachziehen. Sowohl von Russland als auch China wird vermutet, dass sie vor Ende des Jahrzehnts Sample-Return-Missionen zum Mars unternehmen werden. Die Martian-Moons-Exploration (MMX) der Japaner, die 2024 starten soll, wird Phobos, einen der beiden Monde des Mars, einen Besuch abstatten, um Material von der Oberfläche zu sammeln und damit im Jahr 2029 auf die Erde zurückzukehren. China denkt zudem über eine Sample-Return-Mission zum Zwergplaneten Ceres nach. Und die mögliche Entdeckung von Monophosphan in der Atmosphäre der Venus regt sowohl Wissenschaftler als auch Ingenieure dazu an, sich zu überlegen, wie eine potentielle Mission zum gelben Planeten wohl aussehen würde.

Was ermöglicht dieses goldene Zeitalter der Sample-Return-Missionen? Zum einen sind die Starts günstiger geworden, genauso wie die Hardware, die verwendet wird, um Raumsonden und Landefähren zu bauen. Instrumente wie Spektrometer, die eine Präsenz verschiedener Elemente und Bestandteile erkennen, sind mittlerweile kleiner und widerstandfähiger und verbrauchen viel weniger Energie. Die autonome Technik mittels derer durch die Welten navigiert wird, hat sich enorm verbessert – Osiris-REx hat insbesondere von der Tatsache profitiert, dass das Natural-Feature-Tracking-(NFT)-System eine Echtzeit-Kartierung der Oberfläche an Bord hat. So können die Proben geschützt vor den gefährlichen Felsbrocken auf Bennus verwahrt werden. NFT soll zukünftigen Roboter-Missionen dabei helfen, besonders sicher abzulaufen – nicht nur solchen, die Proben einsammeln.

Ingenieure entwickeln weitere neue Ideen, wie Proben gesammelt und gelagert werden können. Perseverance gehört mit einem Bohrer, der intakte Stücke aus dem Grund sammeln soll, langsam zur alten Schule. Mit OSIRIS-REx wurde ein Pogo-Stick-ähnliches "Touch-and-Go"-Sammelverfahren entwickelt, welches das Raumschiff nach ein paar Sekunden auf Bennu wieder abheben ließ und mit Druckluft die kleinen Trümmer in die Sammelbehälter wehte. Haybausa2 hat Kugeln in den Asteroiden Rygugu geschossen. MMX wird auf einfache Pneumatik setzen, um sandiges Material von Phobos zu sammeln.

Für eine Venus-Mission haben Wissenschaftler ein Raumfahrzeug in Erwägung gezogen, das in die Atmosphäre eintauchen und Gas "abfüllen" kann. Kryotechnik wird es ermöglichen, flüchtige außerirdische Stoffe besser einzulagern – oder gefrorene Elemente, die verdampfen könnten. Im Grunde hat jede Welt ein einzigartiges Umfeld, das den besten Ansatz zur Probennahme vorgeben wird. Die bestehenden Techniken sind mittlerweile endlich an einem Punkt, der vernünftige Einsätze erlaubt. Mit einer simplen Bodensonde lassen sich diese Forschungen jedoch nicht einfach durchführen. Es gibt nichts, was die für Untersuchungen notwendige Laborausstattung auf der Erde ersetzen könnte. Würde man beispielsweise DNA-Nachweise auf dem Mars finden, hätte Perseverance keine Möglichkeit, diese vor Ort zu sequenzieren. Aktuell ist es unmöglich, dass eine Sonde für den Mars mit dem nötigen Equipment ausgestattet werden könnte. Will man mittels Gesteinsproben die Geschichte des Magnetfeldes des Mars nachvollziehen, dann lassen sich die dafür erforderlichen Tests einfach nicht mit einem Rover umsetzen.

"Bei einer Sample-Return-Mission geht es um Zugänglichkeit, sowohl für den Hin- als auch den Rückweg", sagt Richard Binzel, ein MIT-Astronom and Co-Forschungsleiter der OSIRIS-REx-Mission. Bestimmte Destinationen wie der Mond und der Mars waren schon immer von Hauptinteresse für Wissenschaftler, insbesondere nachdem mehr über den einstigen Wassergehalt beider Himmelskörper bekannt wurde. Doch für andere Orte sind Sample-Return-Missionen schwieriger zu rechtfertigen.

Binzel ist der Ansicht, dass sie noch immer zu schwierig sind, wenn es nicht gerade darum geht, die allerdringlichsten Fragen zu klären. Das wären dann die nach der Herkunft des Sonnensystems und der Chemie, die das Leben auf der Erde ermöglicht hat. "Wie weit können wir in der Zeit zurückgehen und Einblicke erhalten, wie alles entstanden ist, alles, was jetzt die Erde ist und auch wir?", sagt er. "Das hängt mit flüchtigen Stoffen zusammen."

Im Kontext der Planetwissenschaft kann dies alles bedeuten: Wassereis, Sickstoff, Kohlenstoffdioxid, Ammoniak, Wasserstoff, Methan, Schwefeldioxid – gemeint sind die Grundlagen für Leben. Gibt es keine flüchtigen Stoffe – und entsprechend keine Indikation, dass ein Ort jemals bewohnbar war oder noch sein könnte – wird eine Sample-Return-Mission sehr unwahrscheinlich.

Ist ein Ziel jedoch einmal gewählt, beginnen Ingenieure damit, herauszufinden, wie eine Probe am besten eingesammelt und zurückgebracht werden kann. Hier müssen Forscher einfach von dem ausgehen, was sie wissen und hoffen, dass das Material in einer Verfassung zurückkehrt, die noch untersuchbar sein wird.

Der Ausbeute kann enorm sein. Zwischen 1969 und 1972 brachten Astronauten der Apollo-Missionen 382 Kilogramm Mondgestein zurück. Über 50 Jahre später werden diese noch immer untersucht und Paper mit neuen Erkenntnissen veröffentlicht. "Wir analysieren und messen die Proben immer wieder mit neu entwickelten Techniken und daraus ergeben sich neue Fragen", sagt Bosak. "Es ist wie ein Geschenk, das immer wieder gemacht wird."

Die Tatsache, dass diese Proben von Generation zu Generation weitergereicht werden, sodass zukünftige Forscher neue Technologien und Einsichten anwenden können, um die Untersuchungen zu fokussieren und Fragen zu verfolgen, an die jetzt noch niemand denkt, weist auf das Potential dieses großen Vermächtnisses hin. Wenn Perseverance auf dem Mars landet und den Jezero-Krater in diesem Winter einen Besuch abstattet, wird das System Material einsammeln, das Wissenschaftler auf der Erde über Jahrzehnte erforschen werden – vielleicht sogar über Jahrhunderte.

(bsc)