Roboter soll Ertrinkende retten

Ein Tauchroboter kann Menschen, die unter die Wasseroberfläche gesunken sind, aufnehmen und wieder nach oben bringen.

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(Bild: Fraunhofer IOSB)

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Rund 400 bis 600 Menschen ertrinken nach Angaben der DLRG jedes Jahr in Deutschland. Forscher vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) in Ilmenau entwickeln nun gemeinsam mit der Wasserrettung Halle einen Rettungsroboter, der Ertrinkende erkennen und bergen soll. Im Dezember wurde er im Hufeisensee bei Halle an der Saale mit einem 80 Kilogramm schweren Dummy getestet.

Für das Unterwasserfahrzeug konnten die Forscher auf eine Eigenentwicklung zurückgreifen – ein ferngesteuerter Tauchroboter, der an einem 800 Meter langem Kabel hängt. Er wurde unter anderem bereits zur Inspektion von Offshore-Anlagen, Staumauern, Schiffsrümpfen und Aquakulturen eingesetzt. Die Energie kommt aus bordeigenen Akkus, über das Kabel werden nur Daten und Steuerbefehle übertragen.

Für seinen neuen Job als Rettungstaucher wurde der Roboter mit einem Sonar-Sensor sowie mit Kameras versehen. Das Sonar hat einen großen Öffnungswinkel und dient dazu, untergegangene Personen in einem größeren Umkreis aufzuspüren. "Moderne Sonare sind so gut, dass man sogar einzelne Finger erkennen kann", sagt Projektleiter Helge Renkewitz.

Ist die gesuchte Person in Sichtweite, dienen Kamerabilder der weiteren Orientierung. Die Bilder werden auf einen kleinen Monitor an Bord eines Boots übertragen. Per Joystick manövriert der Pilot den Roboter unter den Ertrinkenden. Körper, die komplett auf den Boden gesunken sind, lassen sich auf diese Weise nicht bergen. Aber das sei auch gar nicht nötig, so Renkewitz: "Wenn ein Notfall erkannt ist, treiben die Leute noch im Wasser – es dauert schon etwas, bis die nach unten sinken."

Dann kommt die zentrale Neuerung des Systems zum Einsatz: Seitliche Klappflügel, die leblose Personen auf einer Trage fixieren, ohne sie zu verletzen. Um sie zur Wasseroberfläche zu bringen, werden Ballons mit insgesamt 15 bis 20 Kilo Auftrieb aufgeblasen. Diese Auftriebskörper stellen gleichzeitig die seitlichen Klappen so auf, dass ein Körper nicht mehr herausrutschen kann – Stellmotoren oder Hydraulik seien nicht nötig. "Wir wollten so wenig Elektronik wie möglich", sagt Renkewitz. "Das System sollte immer idiotensicher sein."

Wegen Corona konnten die Forscher ihren Rettungsroboter nicht erst einmal im Schwimmbad ausprobieren, sondern mussten ihn gleich "unter Realbedingungen" in einem Baggersee testen. Dabei versteckte ein Rettungstaucher den Dummy in einem Umkreis von 50 Metern. "Der Roboter ist in der Lage, auf einer Fläche von 1000 Quadratmeter, fast unabhängig von der Tiefe, innerhalb von zwei Minuten eine Person zu finden und an die Oberfläche zu bringen", sagte Sven Thomas, Vorstandsvorsitzender Wasserrettung Halle, gegenüber dem Fernsehsender "TV Halle".

Das System solle menschliche Retter nicht ersetzen, sondern unterstützen. "Deutschlandweit fehlen 2000 Rettungskräfte in den Schwimmhallen", so Thomas. "Dazu kommt, dass in Naturgewässern nahezu keine Rettung von Personen möglich ist, sobald sie einmal unter der Wasseroberfläche sind."

Spätere Versionen des Roboters sollen autonom operieren, der derzeitige Prototyp ist aber noch komplett ferngesteuert. Das Projekt wurde vom Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen der "Kohleausstiegsförderung" bis Ende 2020 finanziert.

"Die Projektfinanzierung lief nur ein dreiviertel Jahr", sagt Renkewitz. "In dieser Zeit entwickelt man kein autonomes Fahrzeug. Deshalb haben wir erst einmal die Fixiervorrichtung entwickelt." Sie lasse sich an jedem vergleichbaren Unterwasserroboter anbringen. Ein Patent darauf haben die Forscher im vergangenen Dezember eingereicht.

Eine Anschlussfinanzierung haben die Forscher noch nicht. Finden sie aber neue Projektpartner, wollen sie zwei Varianten weiterentwickeln: Einen kleinen und günstigen Rettungsbot für Schwimmbäder, der wie ein Rochen aussieht und wie ein automatischer Staubsauger in einer Ladebucht am Beckenrand sitzt; und eine leistungsstärkere Version mit Sonar und größeren Batterien für Badeseen.

Im Schwimmbad soll eine Deckenkamera die Menschen überwachen. Die Bilder sollen von einer KI ausgewertet werden, die anhand von Bewegungsmustern erkennt, ob jemand ernste Probleme hat oder einfach nur taucht, und den Roboter entsprechend lenken. Etwas ähnliches, allerdings basierend auf einer Unterwasserkamera und ohne dazugehörigen Roboter, hatte das israelische Start-up "Coral Detection Systems" Anfang des Jahres in Las Vegas vorgestellt.

An Badeseen könnten Drohnen oder Zeppeline entsprechende Bilder liefern. Die bordeigenen Kameras des Unterwasserfahrzeugs sollen ihm dann erlauben, autonom einen Ertrinkenden aufzunehmen. Bis man ein solches System aber "auf die Menschheit loslassen" könne, sagt Renkewitz, werden noch mindestens zwei Jahre vergehen. (grh)